Da legte sich manche Stirn in Falten, als Notburga Henke im Ratssaal am Donnerstag (20.6.2024) ansetzte: Die einstige Grüne, inzwischen im Unfrieden von den Grünen geschieden und fraktionslos im Rat, wollte einen Antrag an den Stadtrat begründen. Darin ging es um Klimaschutz und Klimaneutralität. Dann sprach sie allerdings wörtlich von der „sogenannten Pandemie“ Corona. Danach wurde es im Stadtrat richtig „bunt“ bis hin zu in Summe zwei Ordnungsrufen.
Henke, pensionierte Lehrerin, hinterfragte in ihrem Antrag, ob der Klimawandel menschengemacht sei. Klimaschutzmaßnahmen der Stadt müssten „wissenschaftsneutral“ hinterfragt werden, forderte sie. Sie meinte, dass eine erkleckliche Zahl an Wissenschaftlern, darunter Nobelpreisträger, die längst allgemein anerkannte These der Auswirkungen von CO2-Emissionen auf die Klima-Veränderungen zu Recht anzweifeln würden oder gar widerlegt hätten. Im Antrag zeichnete sie das große Bild von Verschwörungsideologien über Investmentbanken und die aus PR-Gründen groß gemachte Ikone Greta Thunberg. „Seit mindestens zehn Jahren“, schreibt sie, „sinken die Temperaturen wieder.“ Und: „Wir leben in einer kleinen Eiszeit.“ Messdaten würden „gefügig gemacht“.

Henke wollte auch den Bogen zu Verschwörungstheorien rund um Corona spannen. Doch Bürgermeister Kravanja bremste sie mit dem Verweis, beim Thema ihres Antrags zu bleiben. Timo Eismann von den Grünen bezeichnete den Antrag als „Unsinn“. Die „Wissenschaft im Kollektiv“ sei sich einig, dass der Klimawandel zu erheblichen Teilen menschengemacht sei. „Sie werden zu jeder noch so wirren These irgendwo einen Wissenschaftler finden, der eine andere These vertritt“, so Eismann. Der Antrag sei „kontrafaktisch und eine Verhöhnung der Menschen“, die unter den Klimafolgen litten. „Ich weiß nicht, wo Sie in Zwischenzeit falsch abgebogen sind. Aber zu retten sind Sie nicht mehr.“
Andreas Kemna (Die Partei) ergänzte dann, man möge dem Antrag voranstellen, dass die Stadt wissenschaftsneutral prüfen lassen solle, „ob die Antragstellerin geistig als zurechnungsfähig angesehen werden kann“. Das bezeichnete der Bürgermeister, Vorsitzender des Rates, als Grenzüberschreitung, „die ins Persönliche geht“. Das könne er „an dieser Stelle nicht zulassen“.
Henkes Antrag wurde am Ende abgelehnt. Auch wenn Sabine Seibel (SPD) Greta Thunberg als „verdammte Antisemitin“ bezeichnete, folgte sie Timo Eismann, Henke sei „irgendwo falsch abgebogen“ und „nicht mehr einzufangen“.
Ordnungsruf mit Lächeln quittiert
Den zweiten Ordnungsruf des Tages kassierte die SPD-Politikerin dann später selbst. Beim Tagesordnungspunkt um die Anschaffung von Medien für die Stadtbücherei aus dem queeren oder LGBTQI+-Spektrum urteilte sie über Ratsherr Michael Fritsch (CDU): „Dass Sie jetzt ein Problem mit Schwulen und Lesben haben an dieser Stelle, ist nicht mein Problem.“
Auch da schritt Kravanja ein: „Wir unterstellen uns hier gegenseitig keine Dinge, die nicht gesagt worden sind“, sagte er und erteile auch Sabine Seibel einen Ordnungsruf. Den nahm sie lächelnd zur Kenntnis.
Ein erster Ordnungsruf des Vorsitzenden ist mit einer Ermahnung des Schiedsrichters auf dem Fußballplatz vergleichbar. Das zweite Mal in derselben Sitzung käme einer Gelben Karte gleich, das dritte Mal einer Roten Karte: Dann muss der Bürgermeister oder der Vorsitzende eines Fachausschusses ein Ratsmitglied aus der Sitzung ausschließen.
Ordnungsrufe sind seit dem Einzug von „Die Partei“ in den Stadtrat nicht unüblich. Immer wieder handeln sich Marcus Liedschulte und Fraktionsvorsitzender Andreas Kemna Ordnungsrufe ein. Meist geht es dabei um Angriffe auf die CDU, die die beiden Linken immer wieder gern in eine rechte bis rechtsextreme Ecke stellen.
Weitere Themen aus der Ratssitzung vom 20.6.2024:
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