Ferdinand (94) trainiert drei Mal die Woche im Fitnessstudio „Das ist mein Lebensinhalt geworden“

Ferdinand Walzl – 93 Jahre alt und dreimal die Woche im Sportforum
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Ferdinand Walzl ist ein bescheidener Mann, der um sich nicht viel Trubel macht. Dabei ist das, was er schafft, wirklich beeindruckend. Dreimal in der Woche fährt er von Dortmund-Kirchlinde zum Sportforum nach Castrop-Rauxel, um zu trainieren – mit 94 Jahren. Das zahlt sich aus. „Mir geht es gut. Keine Krankheiten, keine Schmerzen“, das können wahrscheinlich nur wenige Menschen über 90 von sich behaupten.

Dabei war Ferdinand in seiner Jugend kein fanatischer Sportler. Er ist in Österreich aufgewachsen, in einem kleinen Dorf in Kärnten. Es gab aber kaum Arbeit und so verschlug es ihn ins Ruhrgebiet. 18 Jahre hat er hier im Bergbau gearbeitet. „Bis es mit der Kohle dann vorbei war. Ich habe dann eine Umschulung bekommen zum Schreiner.“ Nicht sein Traumjob, aber im Rückblick hat es ihm dann doch viel Spaß gemacht. Er ist viel rumgekommen in Deutschland, am Ende bleibt er aber im Ruhrgebiet: „Mir gefällt die Lebensart hier, ich mag die Leute.“

Er heiratet, wird Vater. Im Rückblick bereut er es, so wenig zu Hause gewesen zu sein, durch seine Jobs: „Das war natürlich alles auch nicht ganz korrekt.“ Für einen Moment hängt sein Blick in der Vergangenheit: „Aber das lässt sich nicht mehr ändern.“

Der Traum vom Laufen

Nach der Arbeit noch Sport zu machen, das kommt ihm nie in den Sinn. Die Arbeit ist ihm anstrengend genug. Mit 63 Jahren geht Ferdinand in den Ruhestand. Es ist ein Traum, der ihn zum Sport führt: „Ich habe geträumt, dass ich laufen könnte, unendlich weit. Das habe ich nicht mehr aus dem Kopf gekriegt.“ Er beginnt auf eigene Faust zu laufen. Mit Anfang 60 macht er zum ersten Mal in seinem Leben regelmäßig Sport. Aber er macht alles falsch, gesteht er sich in der Rückschau ein: „Ich wollte nur so schnell und so weit wie möglich laufen.“

Er joggt viel durch Kirchlinde und Frohlinde, immer wieder auch am Bodelschwingher Berg. „Ich bin wie ein Idiot gelaufen, bis mir die Zunge rausging und habe keinen Fortschritt erzielt.“ Mit 64 tritt er dann dem Lauftreff Wischlingen bei. „Ich hab bei dem Anfängerkurs angefangen, ich dachte ‚Oh, was ist das für eine lahme Truppe, die laufen ein Stück und machen wieder Dehnübungen‘ und bin dann einfach vorweg gelaufen.“ Er kommt nicht weit und wird vom Trainer eingefangen – und erst mal eingenordet. „Recht hat er gehabt“, meint Ferdinand heute. Mit dem richtigen Training im Lauftreff wird Ferdinand schnell immer besser. Darauf ist der sonst so bescheidene Ferdinand auch ein bisschen stolz: „Da habe ich dann eigentlich – ohne jetzt anzugeben – beachtliche Erfolge erzielt. Es gibt nichts Schöneres, als wenn man so mühelos zehn Kilometer laufen kann.“

Mit seiner Karte kann Ferdinand Walzl sich an den Geräten im Zirkel anmelden, die dann genau wissen, welches Gewicht er braucht. So muss er sich nichts merken. Das Gedächtnis sei das einzige, was so langsam ein bisschen abbaut.
Mit seiner Karte kann Ferdinand Walzl sich an den Geräten im Zirkel anmelden, die dann genau wissen, welches Gewicht er braucht. So muss er sich nichts merken. Denn das Gedächtnis sei das einzige, was so langsam ein bisschen abbaut. © Nora Varga

Doch heute geht das nicht mehr: „Meine Knie sind kaputt.“ Heute macht er nur noch Nordic Walking mit Stöcken, immer noch auf seinen alten Runden am Bodelschwingher Berg. Das reicht dem ehrgeizigen Mann aber nicht. Mit Mitte 80 meldet er sich im Sportforum in Castrop-Rauxel an. Hier kann er im Zirkel Krafttraining machen, dreimal in der Woche kommt er her. Danach sitzt er oft noch mit Bekannten an der Bar und quatscht. „Das gehört auch dazu“, findet Ferdinand. Man merkt im Gespräch, dass ihm das Laufen bis heute fehlt. Er hat schon überlegt, sich ein Fahrrad zu kaufen: „Das ist knieschonend.“ Und vielleicht auch so schnell wie das Laufen in seinem Traum.

Sport ist sein Lebensinhalt

Ein Leben ohne Sport kann sich Ferdinand nicht mehr vorstellen: „Das ist irgendwie mein Lebensinhalt geworden.“ Im Sportforum fühlt er sich wohl, auch wenn er aus Kirchlinde anreist, die Strecke nimmt er gerne auf sich. Normalerweise mit dem Roller, seit der kaputt ist, mit dem Bus.

Was für manche vielleicht eine Plattitüde ist, meint Ferdinand sehr ernst: „Gesundheit und Bewegung. Das ist wohl das Beste, was einem passieren kann. Das kann man mit Geld nicht aufwiegen.“ Aber bescheiden, wie er ist, gibt Ferdinand auch zu bedenken: „Ich hatte bestimmt auch ein bisschen Glück, dass ich nie ernsthaft krank geworden bin.“ Mit 50 hatte er zwar Tuberkulose, doch davon habe er sich restlos wieder erholt. Schlimmeres sei ihm nie zugestoßen.

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Johannes Langer, der zusammen mit seiner Schwester Anne Karras das Sportforum betreibt, ist beeindruckt von seinem ältesten Mitglied: „Der Ferdi ist auch ein echtes Vorbild für andere hier.“ Im Sportforum gibt es viele Menschen über 60, viele bringen gesundheitliche Einschränkungen mit. Johannes Langer: „Man muss wirklich etwas machen im Alter, dann fühlt man sich später noch so fit wie Ferdi.“ Der nickt zustimmend. In seinem Bekanntenkreis ist er der einzige, der mit über 90 Jahren noch so viel Sport macht. Dabei muss er sich gar nicht aufraffen, um ins Sportforum zu kommen: „Mir fällt das überhaupt nicht schwer.“

Gerade bei älteren Menschen erfüllt der Sport aber noch einen anderen Zweck. Man kommt vor die Tür und trifft Leute, erzählt Johannes Langer: „Für viele ist dieser soziale Aspekt sehr wichtig.“ Im Sportforum ist man drauf eingestellt, es gibt die kleine Bar, immer wieder auch Seniorenwanderungen oder andere Veranstaltungen.