Spießigkeit von der Stange Das Reihenhaus hat seinen Ruf weg, aber gar nicht verdient

Spießigkeit von der Stange: Das Reihenhaus hat seinen Ruf weg, aber gar nicht verdient
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Das Reihenhaus ist in den vergangenen Jahren wieder in Mode gekommen. Auch wenn es lange Zeit für Spießigkeit im Quadrat stand und schon in der Entstehung der entsprechenden Architektur eigentlich das war, was es lange Zeit blieb: Ein eigenes Haus nur für Menschen, die sich ein freistehendes Einfamilienhaus nicht leisten konnten.

Besonders im England der beginnenden Industrialisierung wurde das Reihenhaus zum Inbegriff des Eigentums für kleine Leute. Haus an Haus reihen sich die Wohnsiedlungen in vielen Landstrichen der Insel, gerade in den Vorstädten der industriellen Ballungsräume, der Kohlereviere.

Von England aus gelangte die Bauidee im Rahmen der Gartenstadtbewegung zu Ende des 19. Jahrhunderts nach Deutschland. Diese Gartenstadtbewegung hierzulande propagierte ein Leben im Grünen, also Siedlungen mit Gärten zur Selbstversorgung und Parks, oft in Nähe der hiesigen Industriestandorte. Das kleine Einfamilienhaus mit Garten wurde zur idealen Wohnform erhoben.

Zwei Reihenhäuser in unterschiedlichen Farben.
Auch so können Reihenhäuser aussehen. © Pixaby

Die Definition fürs Reihenhaus ist dabei einfach, denn der Name beschreibt eindeutig den Haustyp. Reihenhäuser sind lückenlos aneinander gebaute Häuser. Dabei kann es sich sowohl um große Wohnhäuser mit mehreren Einheiten, aber auch um Häuser mit nur einer Wohneinheit handeln.

Die klassischen privaten Reihenhäuser in Reihenhaussiedlungen erfreuten sich dann besonders nach dem 2. Weltkrieg noch einmal speziell in den 1950er- und 1960er-Jahren großer Beliebtheit, da auf einem relativ kleinen Grundstück ein eigenes Haus errichtet werden konnte. Wenig Grundstück und gemeinsame Wände mit dem Nachbarn bedeuteten nicht nur deutlich geringere Herstellungskosten. Sie bedeuten auch, und damit wird das Reihenhaus in unseren Tagen wieder so interessant, auch eine erheblich bessere Heizenergiebilanz als ein freistehendes Einfamilienhaus.

Das Einfamilien-Reihenhaus ist also finanziell wie energetisch eine kostensparende Entscheidung. Nur in der optischen Ausgestaltung ist das Reihenhaus für den Bewohner limitiert. Nicht umsonst haben Reihenhaus-Siedlungen daher oft eine ausgesprochen monoton wirkende Architektur, wird es schwierig, ein Reihenhaus vom nächsten zu unterscheiden. Individualität wird hier schwierig, Uniformität war gerade in den Siedlungen der 50er-, 60er- und 70er-Jahre angesagt.

Das Spiel mit unterschiedlichen Materialien, mit unterschiedlicher Farbigkeit und variierenden Gestaltungselementen wurde von großen Baugesellschaften und deren Architekten vielfach zugunsten des niedrigeren Preises für das Standard-Modell von der Stange vernachlässigt. Erst in den letzten Jahrzehnten hat hier ein leider immer noch wenig verbreitetes Umdenken stattgefunden.

So gibt es heute in Deutschland und den angrenzenden Ländern wie Österreich oder gerade den Niederlanden einige Beispiele für Reihenhaus-Siedlungen, die bunter, abwechslungsreicher und grüner ausfallen als die Langweiler-Siedlungen vieler deutscher Vororte.

Und so könnte die Reihenhaus-Architektur zum Problemlöser für einige der drängendsten wohnpolitischen Notwendigkeiten einer Welt in der Klimakrise werden. Denn das Reihenhaus mit seinem geringen Flächenverbrauch und der damit geringen Flächenversieglung spielt dem ökologischen Gedanken in die Karten:

  • Es schafft privaten Wohnraum in die Höhe, nicht in die Breite.
  • Es benötigt viel weniger Energieaufwand als ein Haus mit vier der Kälte ausgesetzten Außenwänden.
  • Es lässt sich mit gemeinsamen Heizanlagen preiswert und umweltschonend heizen.
  • Es bietet Familien ausreichend Platz bei gleichzeitigem Gartenanteil.
  • Es kann bei guter Planung individuell geprägt und trotzdem preiswert erstellt werden.
  • Es ermöglicht gemeinsame Wohnformen bei trotzdem getrennten Privatsphären.

Also: Was ist an einem gut geplanten Reihenhaus eigentlich spießig?

In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.