
So wird aus dem Schwein eine Grillwurst
Schweinemast
Alle zwei Wochen ziehen rund 150 neue Tiere beim Landwirt Kremerskothen in die Ställe ein. Die Zeit bis zur Schlachtung ist dann ungefähr so lang wie eine Grillsaison.
Ungefähr 30 Kilo wiegt jedes Ferkel, wenn es am Hof von Jan Kremerskothen an der Bodelschwingher Straße aus dem Tiertransporter trippelt. Der Weg geht dann schnurstracks in den Stall. Wer den Hof der Familie Kremerskothen betritt, ahnt nicht, dass dort 1200 Schweine leben. Es ist ruhig, fast idyllisch. Es riecht ein wenig nach „gesunder Landluft“, allgemein bekannt als Gülle. Doch hinter 30 Türen leben die zukünftigen Schnitzel, Grillwürstchen und Hackbraten.
Rund einen Quadratmeter hat jedes Schwein zur Verfügung. Sie teilen sich das Abteil - jedes besteht aus mehreren Buchten - mit 10 bis 20 Artgenossen und einem Ball. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung schreibt vor, dass die Schweine etwas zum Spielen haben sollen. In Wirklichkeit geht es hier aber nur um eins: Fleisch ansetzen. Und das in kürzester Zeit. Gut sechs Monate dauert es, bis das Schwein 120 Kilo wiegt, rund 800 Gramm am Tag soll es zunehmen. Damit das klappt, nutzt Jan Kremerskothen (29) ein ausgeklügeltes Software-System. Die Fütterung läuft vollautomatisch, steuerbar vom Computer oder auch vom Smartphone.
2,6 Kilo Futter für ein Kilo Fleisch
Essen gibt es für die Schweine drei Mal am Tag - um 7, um 13 und um 18 Uhr. Der Speiseplan ist immer gleich: Eine Mischung aus Weizen, Gerste, Soja, Mineralstoffen und ein Corn-Cob-Mix (Maiskorn-Spindel-Gemisch), eine energie- und stärkereiche Komponente. Das meiste baut Kremerskothen, der den Betrieb 2013 von seinem Vater Wilhelm übernommen hat, auf rund 90 Hektar selbst an. Sein Vater ist auch heute noch aktiv und macht die komplette Büroarbeit.
In einem Technikraum werden die einzelnen Bestandteile des Futters mit Wasser zu einem Brei gemischt und über Rohre direkt in die Ställe gepumpt. Um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen, muss das Schwein rund 2,6 Kilogramm Futter zu sich nehmen.
Zwei Mal am Tag geht der studierte Agrarwissenschaftler selbst in die Ställe und schaut, ob seine Schützlinge auch eifrig den Teller - beziehungsweise Trog - leeren. Beim Blick in eines der Abteile fällt auf, dass ein Schwein einen roten Strich auf dem Rücken hat. „Das steht unter Beobachtung“, erklärt Kremerskothen. Es habe heute morgen nicht gefressen. Nimmt es zum Mittagessen auch nichts zu sich, wird es separiert. „Manchmal haben sie sich das Bein vertreten oder Husten.“ Dann müsse der Tierarzt kommen, eine Diagnose stellen und eventuell bekommt das Tier dann Medizin.
Wenn die Ferkel nach Schwerin kommen, sind sie bereits kastriert und geimpft. Auch der Schwanz ist dann schon zu einem Drittel gekürzt, damit die Schweine sich, wenn sie bei Kremerskothen immer größer werden, nicht gegenseitig anknabbern. „Antibiotikum gibt es aber nur, wenn das Schwein auch tatsächlich krank ist“, erklärt der 29-Jährige. Nicht jedes Schnitzel, das man am Ende auf dem Teller liegen hat, ist also antibiotika-belastet. „Alle zu behandeln ist gar nicht erlaubt“, so Kremerskothen. Da würde das Veterinäramt direkt bei ihm auf der Matte stehen. Abgesehen davon sei das auch viel zu teuer und unnötig.
Nur ein gesundes Schwein kann wachsen
Er sagt, rund drei Prozent der Schweine bekommen im Laufe ihres Lebens bei ihm Antibiotikum. Knapp zwei Prozent verenden, bevor sie den Weg zum Schlachter antreten. Das sei im Schnitt ein Schwein pro Woche.
Fest steht jedoch: Nur ein gesundes Schwein kann wachsen. Kremerskothen: „Das ist auch wie bei den Menschen.“ Bevor er die Tür zu einem der Ställe öffnet, stellt sich der Landwirt auf eine Desinfektionsmatte. Seine Füße sind jetzt keimarm und er geht rein. Die Schweine schlafen, sie liegen auf Betonspaltenböden. Als sie merken, dass Besuch kommt, springen sie fast zeitgleich auf, beginnen zu grunzen und zu urinieren. Kot und Urin fallen durch die Spalten. Alle paar Wochen wird der Stöpsel gezogen und die Gülle fließt ab. Kremerskothen: „Das ist hygienischer als wenn sie auf Stroh stehen würden, weil es so weniger Probleme mit Würmern und Bakterien gibt.“ Die Abteile könnten so auch einfacher sauber gehalten werden.

Die Schweine leben in Kleingruppen zusammen. © Iris Müller
Ob den Schweinen das gefällt? Sie hätten bei ihm dank entsprechender Fenster und einem Belüftungssystem sowohl frische Luft als auch Sonnenlicht, erklärt Kremerskothen. Das müsse auch so sein, schließlich gebe es entsprechende Auflagen. In ein Freigehege können die Vierbeiner jedoch nicht - auch aus seuchentechnischen Gründen. Es sei auch seine Pflicht, die Tiere vor Schmerzen zu schützen. „Ich mache meine Arbeit ohne schlechtes Gewissen“, so der 29-Jährige, der sozusagen im Stall laufen gelernt hat. Ab und zu müsse der gelernte Jäger auch mal ein Tier erlösen.
Er würde seinen Schützlingen trotzdem mehr Platz gönnen. Der Trend gehe mehr und mehr zur Bio-Haltung, mit Auslauf für die Schweine und insgesamt mehr Platz. Kremerskothen: „Ich würde sofort die Hälfte abgeben und so mehr Platz für die anderen schaffen.“ Dann würde sich das Geschäft jedoch nicht mehr rechnen. Kremerskothen: „Die Leute müssen die Kurve kriegen und mehr bezahlen.“ Die, die am lautesten schreien, würden im Supermarkt ins unterste Regal greifen. Dort, wo die Produkte am billigsten sind. Bio-Produkte sind im Laden nach Angaben der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) zwei bis zweieinhalb Mal so teuer wie konventionelles Fleisch.
Die Teilstücke des Schweins (www.kurth-fleisch-de)
Auf seinem Smartphone kann er den aktuellen Schweinepreis auf der Seite der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) einsehen. Derzeit gibt es zwischen 1,30 und 1,50 Euro pro Kilogramm Schwein - ausgenommen, also ohne Blut und Innereien. Das Fleisch wird auch nach Russland und China exportiert, da in Deutschland mehr produziert als gebraucht wird. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Ein Kilo Schweinekotelett kostet abgepackt im Supermarkt derzeit rund 4,50 Euro.
Bevor der Landwirt sein Geld bekommt, muss er die Schweine zum Schlachthof bringen. Sie sind dann ungefähr ein halbes Jahr alt. „Den meisten tut das in der Seele weh, aber ich bin damit aufgewachsen. Für mich ist das normal.“ Er fährt dazu mit seinem Traktor und dem Anhänger jede Woche 63 Schweine nach Recklinghausen, zum Schlachter. Das sind rund 3500 Schweine im Jahr. Kremerskothen versichert: „Das hört sich nach Gedrängel auf dem Hänger an, aber wenn Schulkinder mit dem Bus fahren, ist dort weniger Platz.“
Doch das Gewicht der Tiere allein ist nicht entscheidend. Das perfekte Schlachtschwein ist nicht zu dick und nicht zu dünn. Es muss gesund sein und auch der Magerfleischanteil ist wichtig. „Früher wollten die Leute fettes Fleisch, heute ist das anders“, so Kremerskothen, der bei der Arbeit mit den Schweinen nicht nur von seinem Vater sondern noch von drei weiteren Kräften unterstützt wird. Die Weibchen setzen eher an der Hüfte an, das wird später Schinken. Die männlichen Tiere hätten oft viel Fett am Bauch - genau wie bei den Menschen.
Sind die Schweine einmal beim Schlachter, übernimmt der - vor dem Konsumenten - das letzte Glied auf dem Weg zur Grillwurst. Die Tiere werden dort mit einem Gas betäubt und durch Blutentzug setzt der Tod ein. Es folgen Ausbluten, Abkochen und Ausnehmen. Schließlich wird der Körper in die entsprechenden Teilstücke zerlegt und kommt als Wurst, Schinken oder Kotelett in den Handel. Laut statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2017 rund 17,2 Millionen Schweine aus NRW geschlachtet.
Jan Kremerskothen weiß genau, wie seine Schweine schmecken, zwei Mal im Jahr nimmt er ein fertig verarbeitetes vom Schlachter wieder mit nach Hause - für den Hausgebrauch.
Mein Ziel ist es, Sie gut zu informieren und gut zu unterhalten. Thematisch bin ich offen – Bildung, Familie und Nachhaltigkeit liegen mir besonders am Herzen.
