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Schwere Vorwürfe gegen Ex-Bürgermeister: Streit um Hund Merlin spitzt sich zu
Tierschutz
Im Streit um den Hund Merlin spitzt sich die Lage zu. Nach dem Verschwinden des Tieres erhebt die Eigentümer-Familie schwere Vorwürfe gegen Ex-Bürgermeister Johannes Beisenherz.
Der Fall des Mischlingshundes Merlin hat dem Tierschutzverein Castrop-Rauxel schon einigen Ärger mit den Behörden eingebracht. Gegen den 1. Vorsitzenden und ehemaligen Bürgermeister von Castrop-Rauxel, Johannes Beisenherz, wurde sogar Strafanzeige gestellt.
Seit November streitet sich der Tierschutzverein mit der Eigentümerin von Merlin darum, wo das Tier am besten aufgehoben ist. Da die Halterin schwer krank und das Leben des Tieres bereits durch einen übersehenen Tumor massiv gefährdet gewesen sei, hält der Verein es für unzumutbar, Merlin bei ihr leben zu lassen. „Den Hund in dieser Situation zu lassen, ist reine Tierquälerei“ meint Kristina Rummeld, 2. Vorsitzende des Tierschutzvereins.
Eigentümerin will sich immer gut um das Tier gekümmert haben
Rainer Geuting, der Bruder der Eigentümerin, sieht das ganz anders: „Meine Schwester hat sich immer gut um Merlin gekümmert, er ist ihr ein und alles.“ Auch den Vorwurf, sie habe das Tier mangelhaft gepflegt, weist er zurück: „Sie war regelmäßig mit ihrem Hund beim Tierarzt, ein paarmal habe ich die beiden selbst da hingefahren.“
In der Tat geht aus einer Akte des Kreisveterinäramtes, die unserer Redaktion vorliegt, hervor, dass Merlin noch einen Monat vor der Aufnahme im Castrop-Rauxeler Tierheim, das der Tierschutzverein betreibt, beim Tierarzt war. Dieser untersuchte auch ein Hoden-Problem Merlins.
Der Tierarzt deklarierte das Problem als „nicht auffällig“. Doch keine sechs Wochen später hatte sich ein großer Tumor am Hoden entwickelt, der schnellstmöglich wegoperiert werden musste.
Rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes denkbar
Wie das Kreisveterinäramt unserer Reaktion schildert, sei eine derart rapide Verschlechterung bei Merlins Krankheitsbild durchaus denkbar. „Das bedeutet gleichzeitig, dass diese für den Halter vor der Unterbringung des Tieres nicht zu erkennen gewesen sein“ muss, heißt es vom Amt.

Johannes Beisenherz ist Vorsitzender des Tierschutzvereins Castrop-Rauxel. © Thomas Schroeter (Archiv)
Doch der Akte des Veterinäramtes sind auch andere Fakten zu entnehmen. Etwa, dass Merlin schon früher ins Tierheim gekommen war, wenn seine Halterin ins Krankenhaus musste. Allerdings lebte Merlin dann nicht in Castrop-Rauxel, sondern im Tierheim Recklinghausen. Einmal wurde der Hund sogar vom Veterinäramt selbst dorthin gebracht. Merlin wird in diesem Zusammenhang als verstört beschrieben. „Er hat das Vertrauen in die Menschen verloren“, heißt es dort.
Tierheime haben bereits Aufnahme von Merlin verweigert
Was ebenfalls aus der Akte hervorgeht: Wegen der großen Verhaltensauffälligkeiten weigerte sich das Tierheim Recklinghausen im August 2020, Merlin noch einmal aufzunehmen. Davon will Rainer Geuting, der Bruder der Eigentümerin, nichts gewusst haben.
„Das Tierheim hat als Grund gegenüber mir und dem ehemaligen Betreuer meiner Schwester angegeben, dass sie keinen Platz mehr hätten und nur noch Notfälle aufnehmen könnten“, erklärt er im Gespräch mit der Redaktion.
Aufgrund seiner Vorgeschichte und den Bedenken des Tierschutzvereins verfügte das Kreisveterinäramt, dass der Hund zunächst beim Tierschutzverein bleiben könne, als er wieder einmal ins Tierheim musste. Wenig später änderte die Behörde allerdings ihre Position und gab Weisung, Merlin mit Verweis auf die zentrale Position, die das Tier im Leben seiner Halterin hat, „ausnahmsweise“ wieder an seine Besitzerin auszuhändigen.
Nur einseitige Schilderungen
Der Anwalt von Merlins Halterin, Hans-Joachim Bockelbrink, erklärt den plötzlichen Sinneswandel wie folgt: „Die ursprüngliche Entscheidung des zuständigen Amtes beruhte allein auf den einseitigen Schilderungen des Tierschutzvereins. Weder mit meiner Mandantin noch mit ihrem Betreuer oder dem Bruder wurde Kontakt aufgenommen. Daher forderte ich eine genauere Untersuchung des Falles. “

Wegen seiner Rückenprobleme muss Merlin eigentlich die Physiotherapie besuchen. © privat
Dieser Forderung kam das Veterinäramt anscheinend nach. Geuting zufolge meldete sich der Amtsleiter persönlich bei seiner Schwester und informierte sich über die Lebensumstände.
Dass das Amt plötzlich doch die Rückkehr von Merlin zu seiner Halterfamilie verlangte, macht den Tierschutzverein-Vorsitzenden bis heute fassungslos: „Hier wird das Wohl eines Menschen eindeutig über das eines Tiers gestellt, und das auch noch von der Behörde, die sich eigentlich dem Tierschutz verschrieben hat“, sagt Johannes Beisenherz.
Kreis Veterinäramt setzt Tierheimmitarbeiterin unter Druck
Da der Tierschutzverein trotz der Anordnung die Herausgabe von Merlin verweigerte, kam das Veterinäramt am 23. Dezember 2020 mit mehreren Polizeibeamten ins Tierheim Castrop-Rauxel. Dort, so schildert es Beisenherz, sei eine Mitarbeiterin mehrere Stunden lang unter Druck gesetzt worden, das Tier herauszugeben. Merlin befand sich zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht vor Ort und die beiden Vereinsvorsitzenden seien nicht zu erreichen gewesen.
Beisenherz räumt ein, dass ihm der Abholversuch per Mail angekündigt worden war. Doch sei die Mail inmitten der zahlreichen Schreiben und Telefonate rund um Merlin untergegangen.
Halterin beantragte einstweilige Verfügung
Fakt ist: Merlin wurde am 23. Dezember nicht übergeben. Seine Halterin beantragte deshalb beim Amtsgericht Castrop-Rauxel eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe des Hundes. Dem Antrag gab das Gericht Ende Januar statt. Maßgebend sei zum einen, „dass der Verfügungsbeklagte (der Tierschutzverein Castrop-Rauxel, Anm. der Red) kein Recht am Besitz des Hundes zusteht“, heißt es in der Begründung.
Die Meinung des Vereins, Merlin sei bei ihm im Tierheim weitaus besser aufgehoben als bei der Halterin, ändert dem Gericht zufolge nichts an dem Besitzrecht der Halterin. Im gleichen Verfahren wurde außerdem das Zurückbehaltungsrecht abgewiesen, das der Tierschutzverein an Merlin geltend gemacht hatte.
Verein behält Merlin wegen nicht bezahlter Rechnungen
Denn in der Zwischenzeit hatte der Verein ausstehende Summen für die Unterbringung und tierärztliche Behandlung bei der Besitzerin eingefordert. Da ein erheblicher Teil dieser Summe noch nicht bezahlt war, wollte man Merlin solange in der Obhut des Vereins behalten, bis die ausstehenden Schulden beglichen seien, argumentierte der Verein jetzt.
Eine Forderung, die Bockelbrink dazu veranlasst, schwere Vorwürfe gegenüber dem Tierschutzverein zu äußern: „Es ist aus meiner Sicht recht unverschämt, wenn der Verein versucht, das Festhalten an dem Hund nunmehr mit angeblichen finanziellen Forderungen zu begründen. Geld gegen Tierschutz, das geht doch wohl gar nicht?!“
Hund hatte Krankenversicherung - aber nicht für die OP
Zudem existiere für Merlin sowieso eine Krankenversicherung, die bei möglichen Operationen einspringe, und der Tierschutzverein habe sich auch schriftlich dazu bereit erklärt, anfallende Behandlungskosten zur Not auch auf Vereinskosten zu übernehmen.
Das bestreitet Rummeld auch nicht: „Ja wir haben die Kosten übernommen. Bevor ein Tier in unserer Obhut unnötig leidet, ist das ja auch selbstverständlich. Aber wir sprechen hier von einer Summe von mehreren Tausend Euro, für die unser Verein da einfach mal eben aufkommen musste.“ Die von Bockelbrink angesprochene Versicherungs-Police habe zudem die für Merlin notwendige Operation überhaupt nicht enthalten.
Tierschutzgesetz wird gegen Tierschutzverein gewandt
Daher ging der Verein gegen die Entscheidung des Amtsgerichts in Berufung. Doch auch beim Landgericht Dortmund bissen die Mitglieder auf Granit und lehnten es ab, den Beschluss des Amtsgerichts zu kippen.

Merlin (l.) ist sehr kuschelig und sucht die Nähe zu anderen Hunden. © privat
„Nach acht Jahren des Zusammenlebens ist eine enge emotionale Bindung zwischen Merlin und seiner Halterin anzunehmen“, heißt es vom Landgericht. Das gelte „insbesondere, da der Hund in diesem Haushalt keine andere Bezugsperson als die Klägerin hat“.
Halterin ist nach Merlins Verschwinden am Ende
In der Zwischenzeit ereignete sich jedoch eine überraschende Wendung: Als ein Gerichtsvollzieher Anfang Februar abermals versuchte, Merlin aus dem Tierheim zu holen, teilte ihm eine Mitarbeiterin mit, Merlin sei entlaufen.
„Die Nachricht schlug bei meiner Schwester ein wie eine Bombe. Sie bekam Weinkrämpfe und machte sich furchtbare Sorgen“, erzählt Geuting. Die Familie sucht nun nach dem Hund. Er bittet inständig, bei möglichen Hinweisen des Tieres die Polizei oder das Veterinäramt zu kontaktieren.
Anwalt glaubt: Entlaufen ist nur vorgetäuscht
Der Anwalt seiner Schwester hat unterdessen einen ganz anderen Verdacht. Er vermutet, dass der Tierschutzverein mit der Geschichte einfach die Herausgabe des Hundes weiter verhindern will. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Entlaufen des Hundes den zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit gemeldet worden wäre, wie dies üblicherweise geschieht“, meint Bockelbrink.
Geboren in Dorsten, nach kurzem studienbedingten Besuch im Rheinland jetzt wieder in der Region. Hat Literatur- und Theaterwissenschaften studiert, findet aber, dass sich die wirklich interessanten Geschichten auf der Straße und nicht zwischen zwei Buchdeckeln finden lassen.
