Schulden-Städte bitten Steinmeier um Machtwort Castrop-Rauxel als eine von 64 Kommunen dabei

Castrop-Rauxel und andere Schulden-Städte bitten Steinmeier um Hilfe
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41 Millionen Euro beträgt allein das Defizit im Haushalt, den die Stadt Castrop-Rauxel für das Haushaltsjahr 2024 vorsieht. Je nach Lesart der Kredit-Lage ist der Schuldenberg, den die Stadt eh schon hat, weitaus höher: Er liegt bei über 300 Millionen Euro, wenn man alle Kredite einbezieht. Schaut man nur auf die Kassenkredite, landet man noch immer bei rund 140 Millionen Euro.

Und was tut sich da? Viele Politiker fordern seit Jahren eine Regelung der Altschulden-Problematik, die viele Städte im Ruhrgebiet durch den Strukturwandel der einstigen Industrieregion plagt. Aber während in anderen Bundesländern schon Regelungen auf dem Weg oder gefunden sind, ist in Nordrhein-Westfalen noch kein Ausweg in Sicht. Nun haben viele Städte einen Brief an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier formuliert.

„Wir brauchen Ihre Hilfe. Ihre Worte sind starke Zeichen, Ihr Signal an die Verantwortlichen im Bund könnte den ‚gordischen Knoten‘ durchschlagen, der derzeit die Altschuldenhilfe und eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen verhindert“: So heißt es in einem am Montag (9.10.2023) in Solingen veröffentlichten Brief. Er stammt vom Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“. Darin sind 64 Kommunen aus sieben Bundesländern gemeinsam auf der Suche nach einer Lösung.

„Die Situation in den finanzschwachen Kommunen verschlechtert sich von Woche zu Woche“, sagte der Castrop-Rauxeler Bürgermeister Rajko Kravanja anlässlich des Beitritts der Stadt zu diesem Bündnis. Betroffene Kommunen seien „unverschuldet finanzschwach geworden“, auch, weil Bund und Länder ihnen viele Aufgaben zugewiesen hätten ohne passenden Finanzausgleich.

Sozialer Frieden auf dünnem Eis

Bürgern von armen Kommunen erlebten immer häufiger Auswirkungen auf ihr Leben, wenn Städte für Schulen, Straßen oder Kitas nicht mehr genug Geld aufbringen könnten, heißt es im Brief des Bündnisses. Eine „erschreckende Zunahme von Zustimmungen zu extremen Parteien“ sei Folge. „Der soziale Friede und die demokratischen Grundwerte in unseren Städten bewegen sich auf sehr dünnem Eis.“ Aus Sicht des Bündnisses führe das zu der Wahrnehmung, dass staatliche Ebenen versagten, und zu einem Vertrauensverlust.

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur „epd“ will die NRW-Landesregierung einen bereits gemachten Vorstoß gegenüber dem Bund bis 2024 überarbeiten und ab 2025 umsetzen. Der bisherige Vorschlag sah vor, Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer umzuverteilen. Diesen Vorschlag lehnte das Bundesfinanzministerium wohl als nicht ausreichend ab. Dass der Bund 50 Prozent der Schuldenlast übernehmen solle sowie Länder und Kommunen jeweils 25 Prozent, setze voraus, dass jedes betroffene Bundesland eine eigene Leistung erbringe. Dies sei bei der Regelung in NRW nicht der Fall, so die Begründung.

  • Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ setzt sich nach eigenen Angaben seit 2008 für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen ein.
  • Aus einem Arbeitskreis in NRW ist bis heute eine Bewegung von 64 Kommunen aus sieben Bundesländern geworden.
  • Das Aktionsbündnis gebe „seinen Kampf und seine Hoffnung nicht auf“, die Unterfinanzierung und das Altschuldenproblem zu lösen und „damit wieder zu einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zurückzukehren“, heißt es auf der Website www.fuerdiewuerde.de.

Da das Land NRW überdies ablehnte, außerordentliche Aufwendungen aus dem regulären Etat zu isolieren (Stichwort „Corona-Deckel“ / Stichwort Ukraine-Krieg, laut Kämmerei allein fast 25 Millionen Euro für 2024), legte die Kämmerei nun einen „ehrlichen Haushalt“ vor, wie Bürgermeister Kravanja kürzlich im Stadtrat sagte. Dabei hatte er einen Pleitegeier dabei, der neben ihm am Rednerpult stand.

Minus 41 Millionen Euro: Selbst bei einer Altschuldenlösung würde Castrop-Rauxel innerhalb weniger Jahre aus den laufenden Verpflichtungen erneut einen immensen Schuldenberg aufhäufen. „Da brauche ich nicht zu schauen, wo ich noch mal 3 Millionen Euro einsparen kann. Am Ende des Tages geht es nur darum: Kriegen wir bares Geld in die Kommunen?“, so Kravanja in seiner 12-minütigen Haushaltsrede. Er sei acht Jahre im Amt, aber so ein Verfahren, wie es das Land NRW jetzt durchgespielt habe, habe er „noch nie erlebt“. Er bezeichnete das als „Chaos“. Dabei fange Demokratie in der Kommune an.

Die Haushaltsrede des Bürgermeisters mit dem Pleitegeier auf rn.de/castrop

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