Schüler-Atteste Kinderärzte im Kreis Recklinghausen ziehen die Notbremse

Schüler-Atteste: Kinderärzte im Kreis Recklinghausen ziehen die Notbremse
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Morgens um 7.30 Uhr geht es los, abends ist oft nicht vor 19 Uhr Schluss: „Bei uns brennt die Hütte“, sagt Dr. Bernd Maltaner. „Wir haben in unseren beiden Praxis-Standorten in Oer-Erkenschwick und Datteln Hochbetrieb. Der Druck ist groß.“ Die Situation ist Ende November in vielen Kinderarzt-Praxen ähnlich - volle Wartezimmer, lange Öffnungszeiten. Nun wollen die Kinderärzte im Kreis Recklinghausen zumindest etwas für Entlastung sorgen, wie ihr Sprecher berichtet: „Die meisten Kinderärzte stellen ab dem 1. Dezember im Regelfall keine Schüler-Atteste mehr aus“, erklärt Bernd Maltaner.

Ein entsprechendes Schreiben von den Kinderärzten sei bereits an alle Schulen und Kindergärten im Kreis Recklinghausen gegangen, sagt der 37-Jährige - und stellt klar: „Es besteht bei Schul-Fehlzeiten aufgrund von Krankheiten keine gesetzliche oder medizinische Notwendigkeit für ein Attest. Die Entschuldigungen werden nach dem Schulgesetz NRW ausdrücklich von den Eltern vorgenommen.“

Zusätzlicher Aufwand für Eltern und Ärzte

Bernd Maltaner beobachtet immer wieder, dass Eltern mit ihren kranken Kindern nur deshalb die Praxis aufsuchen, um ein Attest zu erhalten - das Schulen als Beleg für die bestehende Krankheit sehen wollten. „Aber wenn Eltern einschätzen können, dass ihr krankes Kind zwar zu Hause bleiben sollte, nicht aber zum Arzt muss, dann müssen sie auch nicht zu uns kommen“, betont der Mediziner - mit Blick auf den Aufwand für Eltern und Arztpraxis. So heißt es in dem Schreiben an die Schulen und Kindergärten, dass das Ausstellen der Atteste eine zusätzliche organisatorische, aber auch finanzielle Belastung für die Eltern bedeutet sowie Praxiszeit verbraucht, „die dringend für unsere primäre Aufgabe der Krankenversorgung benötigt wird.“ Hier wird auch auf den zunehmenden Mangel an Kinder- und Jugendärzten hingewiesen. So fordern die Ärzte in dem Schreiben die Schulen auf, „entsprechende Regelungen an den Schulen so zu ändern, dass Atteste entfallen können und die Anforderung von Attesten auf das absolut Notwendigste“ beschränkt wird.

Ausnahmen nur mit Begründung

Das Notwendigste: Das sind für Bernd Maltaner begründete Ausnahmefälle - „zum Beispiel beim Verdacht von Schulschwänzen oder Schulverweigerungen. Dann wollen und müssen wir die Kinder natürlich weiterhin sehen. Das ist nicht das Problem“, betont der Kinderarzt. „Aber etwa 95 Prozent der Eltern, die hier ein Attest mitnehmen, machen auf mich eben nicht den Eindruck, als ob sie das ausnutzen würden und unehrlich wären.“ Sollte aus Sicht der Schule im Einzelfall ein Attest tatsächlich notwendig sein, benötigen die betroffenen Schüler in Zukunft „eine individuelle und begründete Bescheinigung der Schulleitung über die Attestpflicht für die jeweilige Fehlzeit“, heißt es in dem Schreiben an die Schulen.

„Wir brauchen Entlastung“

Der aktuelle Vorstoß der Kinderärzte geht auf eine Initiative des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte NRW und Westfalen-Lippe zurück, berichtet Bernd Maltaner. Für zusätzliche Dynamik habe dabei der augenblickliche Andrang in den Kinderarzt-Praxen gesorgt. „Da ist die Grippewelle. Und Infekte, die die Kinder während der Corona-Hochzeit nicht durchgemacht haben, gibt es jetzt sehr häufig - natürlich auch, weil die Kinder wieder in den Kindergarten und zur Schule gehen“, nennt er verschiedene Ursachen für die Fülle in den Wartezimmern. Für den Sprecher der Kinderärzte im Kreis steht fest: „Wir brauchen Entlastung, das ist an allen Ecken und Enden dringend notwendig.“ Bei den Schüler-Attesten sieht Bernd Maltaner hier eine sinnvolle Möglichkeit.

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