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Rücknahme der Lockerungen wäre für Castrop-Rauxel besonderes Ärgernis
Kommentar
Gibt es im Kreis Recklinghausen zu viele Corona-Neuinfektionen, müssten Lockerungen zurückgenommen werden. Für Castrop-Rauxels Wirtschaft wäre das eine Katastrophe. Eine andere Lösung muss her.
Natürlich: Es ist richtig und wichtig, dass Corona-Lockerungen zurückgenommen werden können, wenn sich zu viele Menschen innerhalb kurzer Zeit mit dem Virus infizieren. Es ist sogar selbstverständlich, denn wenn sich plötzlich ohne Ende Menschen anstecken sollten, wäre die Lage problematischer als je zuvor in Corona-Zeiten.
Aber die Regelung, dass Lockerungen zurückgenommen werden sollen, wenn es in einem Landkreis mehr als 50 Neu-Infektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gibt, ist falsch und sogar gefährlich. Das zeigt sich an dem Westfleisch-Beispiel doppelt.
Zum einen: Warum sollten Castrop-Rauxeler darunter leiden, wenn in einer großen Firma, Kilometer von der Stadtgrenze entfernt, möglicherweise unzureichende Hygiene-Bestimmungen herrschen? Eine allgemeine Gefahr durch Westfleisch-Mitarbeiter wird es in Castrop-Rauxel nicht geben.
Kreis Recklinghausen spiegelt nicht die Lebenswirklichkeit der Menschen
Das zweite Problem ist aber viel gravierender. Es resultiert daraus, dass der Kreis Recklinghausen letztlich ein Verwaltungsgebilde ist, aber nicht die Lebenswirklichkeit der Menschen spiegelt. Die Rücknahme der Lockerungen beträfe ja nur die Castrop-Rauxeler und die Bewohner der angrenzenden Kreisstädte. Aber eben nicht Dortmund, Bochum oder Herne.
Was passieren würde, ist leicht auszumalen: Die Castrop-Rauxeler würden schlicht die Stadtgrenze überqueren, um einzukaufen oder Essen zu gehen. Ihr Geld würde helfen, die Wirtschaft in den Nachbarstädten anzukurbeln, die Geschäfte hier würden leiden. Dagegen würde auch kein Appell zur Heimatverbundenheit mehr helfen.
Also: Wenn unsere Freiheiten wieder begrenzt werden müssten, dann muss das für alle gelten. Eine Ungleichbehandlung schürt nur Neid und Missgunst. Und das können wir gerade in einer Krise am allerwenigsten gebrauchen.
Als Journalist arbeite ich seit mehr als 25 Jahren. Im Kreis Unna bin ich dagegen noch recht neu, aber voller Neugier auf Menschen, Städte und Gemeinden. Schreiben habe ich gelernt, komme aber viel zu selten dazu. Dafür stehe ich gerne mal vor der Kamera.
