
Wie es dem Roten Höhenvieh an der A42 ergeht, erzählt Annette Schulte Bocholt interessierten Bürgern bei einem Spaziergang. © Maurice Prior
Ausgleich für A43-Ausbau: Rotes Höhenvieh grast an der A42 in Castrop-Rauxel
Weidehaltung
Seit über zwei Jahren sind Rinder der Rasse Rotes Höhenvieh direkt neben der A42 zu Hause. Warum es für Tiere dort wie bei McDonald's ist, erfuhren Interessierte bei einem Spaziergang über die Weide.
Eigentlich halten sie sich lieber von Menschen fern. Aber als Yüksel Salli mit Salatblättern aus seinem Kleingarten ankommt, stehen die Rinder ruck-zuck am Zaun. „Anstatt das wegzuschmeißen, füttern wir die Tiere lieber. Die mögen das", erzählt Salli.
An das Rote Höhenvieh, das seit April 2020 vor seiner Kleingartenparzelle im Castrop-Rauxeler Stadtteil Bladenhorst grast, hat er sich gewöhnt: „Ich fühl mich wie im Dorf hier, wie früher in der Türkei. Da hatten wir auch Tiere." Wie er damals wüchsen jetzt auch die Kinder hier mit den Tieren auf.

Kleingärtner Yüksel Salli freut sich über die Rinder vor seiner Gartenparzelle. © Maurice Prior
Tiere werden auf der Weide sich selbst überlassen
Sich ein Bild von der Weide machen, auf der die Rinder seit gut zweieinhalb Jahren leben: Das wollten am 26.8. auch eine Handvoll Castrop-Rauxeler und Herner. Auf Einladung der Autobahn GmbH des Bundes spazierten rund 20 Interessierte entlang der Weideflächen.
Mit dabei Jan Dickhöfer. Der Biolandwirt aus Waltrop kümmert sich um das Rote Höhenvieh und erklärt den Spaziergängern an diesem Nachmittag, was das Besondere an dieser Art der Tierhaltung ist: „Eigentlich überlassen wir die Tiere sich selbst", erzählt er. So würden die Rinder im Normalfall nicht zugefüttert: „Alles was sie brauchen, haben sie hier auf der Weide."
Das ganze Jahr über kommen die Tiere mit dem zurecht, was die Weidelandschaft ihnen zur Verfügung stellt. Auf der rund 20.000 Quadratmeter großen Fläche haben bis zu 14 Tiere Platz. „Wenn es zu viele werden, dann nehme ich ein paar Tiere runter und bringe sie auf andere Weiden", sagt Landwirt Dickhöfer. Auf seinem Bio-Bauernhof an der Grenze zwischen Castrop-Rauxel und Waltrop kommen die Rinder dann unter.

Biolandwirt Jan Dickhöfer aus Waltrop kümmert sich um die seltene Rinderrasse an der A42. © Maurice Prior
Weidelandschaft als klimafreundliche Landwirtschaft
Die Bullen würden ohnehin regelmäßig ausgetauscht und meist im Alter von zweieinhalb bis drei Jahren geschlachtet. „Wenn wir schlachten, dann nutzen wir aber auch alles vom Tier", erklärt Dickhöfer den interessierten Besuchern. „Vom Knochen bis zum Steak wird dann alles verwertet. Bei uns kann man nur Mischpakete bestellen."
Nicht nur die Art der Fleischverwertung ist möglichst klimafreundlich gestaltet, sondern auch die Bepflanzung der Weide. „Wir haben hier ausschließlich mit regionalem Saatgut gearbeitet", berichtet Annette Schulte Bocholt von der Biologischen Station des Kreises Recklinghausen. „Die Arten, die wir pflanzen, müssen ja auch hier hin passen. Wir karren kein Saatgut aus Neuseeland an, wie das im Zweifel in der Intensiv-Landwirtschaft gemacht wird."
Das Rote Höhenvieh präge die Weidefläche selbst stark mit. „Für die Rinder ist das hier wie im McDonald's“, scherzt Schulte Bocholt. „Die bedienen sich an den Stellen, die am besten schmecken. Der Klee ist zum Beispiel fast immer komplett abgegrast."

In unmittelbarer Nähe zur A42 grasen die aktuell neun Tiere der Rasse Rotes Höhenvieh. Gesichert wird das große Gelände durch einen Elektrozaun. © Maurice Prior
Weidelandschaft als Ausgleich für Autobahnbau
Der Grund warum das Rote Höhenvieh auf dieser Weide grast, ist der Ausbau der Autobahn 43. Die Autobahn GmbH erweitert aktuell den Streckenabschnitt zwischen Marl und Witten in beide Fahrtrichtungen von zwei auf drei Spuren. Als Ausgleich für im Zuge des Ausbaus verlorengegangene Flächen wird seit April 2020 die Weidefläche zwischen Castrop-Rauxel und Herne genutzt.
Neben der Autobahn GmbH, die früher zu Straßen.NRW gehörte, ist auch die Emschergenossenschaft Teil des Projekts, das vielleicht sogar noch erweitert wird. „Eventuell kommen noch Flächen dazu. Dann könnte man auch darüber nachdenken, noch weitere Tiere anzusiedeln, zum Beispiel Pferde", so Annette Schulte Bocholt.
Die Besucher auf der Weide haben jedenfalls viele Ideen für weiteren Tier-Zuwachs. „Wie wär's mit Eseln?", fragt eine Frau. „Oder mit Giraffen?" Das ließe sich mit dem regionalen Charakter des Projekts aber wohl nur schwer vereinbaren.
2001 in Witten geboren und schon lange an Politik und Journalismus interessiert. Als echtes Pottkind jetzt für die Ruhr Nachrichten in Castrop-Rauxel und im Dortmunder Westen unterwegs.
