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Riesige Sofa-Landschaften ersetzen heute den Dreisitzerzweisitzersessel
Kolumne „Wohn(t)räume“
Wohnen ist ein Lebensgefühl. In dieser Kolumne beschäftigt sich unser Autor regelmäßig mit „Wohn(t)räumen“. Heute geht es um den Wandel im Wohnzimmer, wo das Sofa heute Lebensmittelpunkt ist.
Früher war alles anders im Wohnzimmer. Man hatte eine Schrankwand, eine Kommode für den Fernseher, einen Couchtisch und dazu, das war quasi Gesetz: Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel.
Diese Dreisitzer-Zweisitzer-Sessel-Kombination war eigentlich untrennbar, man hätte sie eigentlich Dreisitzerzweisitzersessel schreiben können, denn im Möbelhaus wurde man schief angesehen, wenn man den Dreisitzerzweisitzersessel aufbrechen wollte. Meine Eltern wollten das 1986 einmal tun, wurden dafür fast aus dem gediegenen Möbelladen gejagt.
Schließlich hatte sich die Möbelindustrie nichts umsonst so ihre Gedanken zu Dreisitzerzweisitzersessel gemacht. Und die ließ man sich von renitenten Kunden, die lieber nur zwei Zweisitzer haben wollten, nicht kaputt machen. Wo käme man auch hin. Was soll der Hersteller schließlich mit zwei einzelnen Dreisitzern und zwei herrenlosen Sesseln auch anfangen.
Hinterher kommen noch Menschen und wollen noch andere Kombinationen haben. So große Flexibilität hatte die Geschäftswelt in den 80er-Jahren nicht zu bieten. Man nahm als Kunde, was es gab und Schluss. Allerdings: In manchem Laden, das muss man leider sagen, hat sich an dieser Einstellung bis heute nur marginal etwas geändert.
Wohnzimmer-Geschmack hat sich geändert
Der Wohnzimmer-Geschmack hat sich dafür in den 35 Jahren seit des Einkaufserlebnisses mit meinen Eltern dramatisch gewandelt. Wo damals straff gepolsterte Polstermöbel mit plüschigen Oberstoffen oder (exklusiv, exklusiv) kaltem Leder, aber sehr aufrechter Lehne die Ultima Ratio waren, geht es heute nur noch chillig.
Das Sofa hat sich zu einer in alle Richtungen des Wohnzimmers ausufernden Sitzlandschaft mit losen Kissen und handschmeichelnden Stoffen gemausert, in der man gern so tief in die annähernd waagerechte Lage versinkt, dass der ältere Mensch sich nur mit viel Schwung und gekonnten seitlichen Abrollbewegungen wieder zu befreien weiß.
Da gibt es Sitztiefen von weit über 80 Zentimetern, da gibt es modulare Stecksysteme, in denen Tische oder Laptophalterungen verankert werden können. Da gibt es ottomanenähnliche Liegeflächen mit motorgesteuerten Rückenlehnen und Sitzmöbel, auf denen man in Dutzenden Einzelkissen zu verschwinden scheint.
ZUR KOLUMNE
In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.Maximale Flexibilität, große Liegefläche: Die perfekte Couch zum Faulenzen und Zeit verbringen. Und Zeit zu Hause haben die Menschen in der Pandemie ja viel zu verbringen. Und so hat sich die Couch- oder Sofalandschaft zum Herzstück des Wohnens entwickelt.
Hier kann man im Homeoffice entspannt arbeiten, hier kann man nach der Arbeit sofort bleiben und den Laptop gegen die Tasse Tee und ein Buch tauschen und abends wieder zum Laptop greifen, um einen Film zu gucken, wenn vor dem riesigen Sofa nicht auch der ebenso riesige Flachbildfernseher bereit steht.
Und umziehen muss man sich dabei den ganzen Tag auch nicht, wenn nicht gerade eine Videokonferenz mit dem Chef oder Kunden ansteht. Und selbst dann reicht es, oben herum akzeptabel oder respektabel auszusehen. Darunter reichen die Jogginghose und die dicken Wollstrümpfe.
Was für ein Unterschied zu früher, als der Dreisitzerzweisitzersessel in der guten Stube möglichst noch unter Schonbezügen verwahrt wurde und nur sonntags oder wenn Besuch kam, genutzt wurde. „For the times they are a-changin‘“, um es mit Bob Dylan zu sagen.
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