Seit dem 22. März fasten zahlreiche Menschen muslimischen Glaubens. Im Ramadan wird nur gegessen und getrunken, wenn die Sonne untergegangen ist. Auch zahlreiche Menschen in der Notunterkunft für Flüchtlinge in Habinghorst verzichten auf die Mahlzeiten am Tag – laut Auskunft der Bezirksregierung Münster, die für die Notunterkunft zuständig ist, sind es 387 der insgesamt aktuell 777 Bewohner (Stand 4.4.). Dafür werden alternative Essenstermine in der Nacht angeboten. Doch das erfreut nicht alle.
Der 38-jährige Amsu (Name von der Redaktion geändert) ist seit fünf Monaten in Deutschland. Sein Heimatland will er nicht nennen. Weil er dort nach eigenen Angaben verfolgt wird, will er weder seinen Namen lesen, noch sein Gesicht zeigen. Nach wenigen Tagen in Berlin ist er als Asylbewerber nach Habinghorst gekommen und überrascht mit seiner Aussage: „Die Regierung macht viel zu viel. Wir bekommen drei Mahlzeiten am Tag, richtiges Essen. Dazu Taschengeld und ein Bett.“
Amsu ist Christ, geflohen aus einem muslimisch geprägten Land, in dem seine Eltern noch heute wohnen und laut seiner Aussage „geduldet“ werden.
Den Fastenmonat kenne er daher sehr gut. Auch mit den zahlreichen Muslimen in der Unterkunft komme er eigentlich sehr gut zurecht. Er fungiere bei Besuchen der Krankenstation, bei externen Arztbesuchen oder bei Fragen am Info-Point der Einrichtung gerne als Dolmetscher. Deutsch habe er sich in Vorbereitung auf seinen Aufenthalt in akribischer Eigenarbeit beigebracht.
Kein Essen nach 18 Uhr
Doch an den Ramadan-Plänen der Einrichtung findet er ersten Anlass zur Kritik: Die Essenszeiten seien eingeschränkt worden. Das belegt er mit Handy-Fotos und einem Video. Zuvor habe er von 17.30 bis 19.30 Uhr Abendbrot in der großen Kantine essen dürfen. Nun sei diese Zeit von 17 bis 18 Uhr angepasst worden, damit nachts auch die fastenden Muslime essen können, meint er. „Um 17.30 Uhr habe ich aber noch keinen Hunger“, sagt Amsu.
Zuvor sei er immer „auf den letzten Drücker“ zum Abendessen gegangen. Zuletzt wurde ihm der Zutritt dann nicht mehr gewehrt. Auf seinem Beweisfoto wird per Aushang zwar nur eine verkürzte Essenszeit an zwei aufeinanderfolgenden Tagen hingewiesen, ein Video, das er Tage später aufgenommen hat, zeigt aber, dass er nach 18 Uhr kein Essen mehr in der Kantine erhalten hat.

Celina Ungruhe, Pressesprecherin der Bezirksregierung Münster, stellt die Situation auf Nachfrage unserer Redaktion jedoch anders dar: „Die Essenszeiten für die Bewohnenden, die nicht am Ramadan teilnehmen, sind unverändert geblieben.“ Gefrühstückt werden könne in der Notunterkunft weiterhin von 7 bis 9 Uhr, Mittagessen gebe es zwischen 12 und 14 Uhr und Abendessen von 17.30 bis 19.30 Uhr.
„Zusätzlich werden weitere Essenszeiten für die am Ramadan teilnehmenden Bewohnenden angeboten, damit die Fastenden weiterhin einen Zugang zu den Mahlzeiten haben“, führt Ungruhe aus. Sie „variieren während des Ramadans je nach Woche aufgrund der unterschiedlichen Sonnenaufgangs- und Untergangszeiten“. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das die Notunterkunft betreibt, äußert sich auf Nachfrage zu den beiden unterschiedlichen Darstellungen nicht und verweist auf die Bezirksregierung.
Amsu betont, dass er weder ein Problem mit dem muslimischen Glauben, noch mit dem Fasten-Monat Ramadan habe. „Ich faste zurzeit auch“, sagt er bei einem Treffen vor den Osterfeiertagen. Während er in einem Nachbarland seiner Heimat gearbeitet hat, habe er sich über „freie Länder“ in der Google-Suche informiert. „So bin ich nach Deutschland gekommen“, blickt er zurück. „In meiner ersten Nacht in Berlin habe ich das erste Mal gut geschlafen, weil ich mich sicher gefühlt habe.“
Amsu hat sich – so dachte er – auf seinen Aufenthalt in Deutschland vorbereitet, er zeigt unendlich viele karteikartenartige Bilder auf seinem Handy, mit denen er die Sprache gelernt hat. Er hat nach eigenen Angaben einen Physiotherapie-Abschluss in der Tasche, wartet aber noch auf eine mögliche Bewilligung seines Asylbewerberantrags und auf eine Arbeitserlaubnis. Ursprünglich ging er davon aus, sofort arbeiten zu können. Nun muss er aber weiter als Asylbewerber in der Unterkunft wohnen.
Mehr erwartet vom „freien Land“
Das scheint für ihn kein Problem zu sein. Weder an den Sechs-Bett-Zimmern, noch mit den vielen Menschen in einer Unterkunft störe er sich: „Ich bin einfach nur dankbar. Es gibt Bewohner, die sagen, dass das Essen schlecht schmeckt. Aber wie kann das Essen schlecht sein, wenn es umsonst ist? Das ist gutes Essen.“
Herkunft und Glaube sind ihm bei seinen Mitbewohnern in der Unterkunft eigentlich egal. Er wolle allen helfen. Aber er merke, dass er nun etwas kritischer gesehen werde, nachdem er sich über die Essensregeln beschwert hat. „Einige Muslime meiden mich jetzt, weil ich Christ bin“, meint Amsu.
Für ihn sei es wichtig, Rücksicht zu nehmen auf die anderen. Und das erwarte er auch im Ramadan. „Viele Bewohner schlafen tagsüber. Ich versuche dann ganz leise zu sein“, beschreibt Amsu. „Aber in der Nacht, wenn sie alle aufstehen, um zu essen, ist es laut in der ganzen Unterkunft.“
Er sei sich nicht sicher, ob seine Beschwerde aufgrund der verkürzten Essenszeiten der richtige Weg sei. Von einem „freien Land“ habe er aber mehr erwartet, egal ob die Fastenden in der deutlichen Mehrheit oder Minderheit wären. Nach dem Ramadan-Ärger will Amsu den Blick wieder in die Zukunft richten. Er will in Deutschland bleiben, hofft auf eine Bewilligung seines Antrags. „Ich kann schließlich nicht zurück. Dort ist es gefährlich für mich.“
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