Profiteure der Grundsteuerreform decken auf „Ich kann zweimal im Jahr mehr gut essen gehen“

Profiteur der Grundsteuerreform: „Ich kann zweimal im Jahr gut essen gehen“
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Haben Sie schon Post bekommen vom EUV? Die Bescheide zur Gebühren- und Grundsteuer-Erhebung gehen in diesen Tagen raus. Schon am Donnerstag (16.1.) sollen die ersten Bürger ihre Bescheide erhalten haben. Sie sind insofern interessant, als sie die ersten nach der Grundsteuerreform sind. Das hat zur Folge, dass viele bei der Grundsteuer B einen komplett anderen Betrag entrichten müssen als bisher.

Immerhin: Die anderen Gebühren für Abwasser, Straßenreinigung, Müllabfuhr und Co. sind gleich geblieben. Beim Winterdienst konnte der EUV sogar etwas reduzieren, weil die Kalkulation das ermöglichte. Aber diese Gebühren stehen ohnehin erstmals auf einem anderen Zettel. Für die Grundsteuer gibt es nun einen eigenen Zettel mitsamt einem weiteren, der die Hintergründe erklärt.

Dass es für viele Castrop-Rauxeler bei der Grundsteuer B teurer wird, haben wir vielfach berichtet. Darum waren am Montagabend auch wieder 150 Menschen in der Europahalle, von denen die meisten von einer Erhöhung betroffen sind. Aber wo sind die, die von der Neuberechnung profitieren? Um die ist es bisher still. Dabei müssen es genauso viele sein, die weniger zahlen, um am Ende die erwartete und erwünschte „Aufkommensneutralität“ zu erhalten: Die Stadt soll wie 2024 auch 2025 wieder rund 17 Millionen Euro einstreichen, nicht mehr, nicht weniger.

Unsere Suche geht weiter. Beim Infoabend trafen wir auf CDU-Stadtverbands-Chef Carsten Papp. Wir besprachen nach der Versammlung vor der Europahalle auch mit ihm unser Ansinnen, Profiteure zu finden. Er mutmaßte, dass es wohl vor allem Wohnungs-Eigentümer, weniger Haus-Eigentümer seien, die auf der Plus-Seite stehen würden.

Die Grundsteuer B und die mit der Reform verbundenen Fragen waren Thema einer Infoveranstaltung, zu der am 13.1.2025 rund 150 Castrop-Rauxeler in die Europahalle kamen.
Die Grundsteuer B und die mit der Reform verbundenen Fragen waren Thema einer Infoveranstaltung, zu der am 13.1.2025 rund 150 Castrop-Rauxeler in die Europahalle kamen. © Tobias Weckenbrock

120 Euro teurer, 120 Euro günstiger

Wir sprachen auch mit Bürgermeister Rajko Kravanja darüber. Der meinte, dass neuere Eigenheime in gehobeneren Siedlungsbereichen auf der Sonnenseite stehen könnten. Aber betonte dabei auch, dass es sich hier ja lediglich um einen Ausgleich handle: Die, die jahrelang zu wenig bezahlt hätten, würden nun angeglichen an das eigentlich gerechtfertigte Niveau.

Eine Hausbesitzerin aus dem Stadtteil Dingen, die namentlich nicht genannt werden wollte, legte ihre Berechnung offen: Von den bisher 106 Euro Grundsteuermessebetrag sei sie laut Bescheid des Finanzamtes von Anfang 2023 nun auf 117,50 Euro heraufgestuft worden. Das etwa 20 Jahre alte Haus habe 160 Quadratmeter Wohnfläche, eine Garage und ein 630 Quadratmeter großes Grundstück. Bei einem Hebesatz von 825 Prozent muss diese Eigentümerin, die Kravanja meinte, auch mehr zahlen: rund 100 Euro im Jahr. Also: falsch gedacht.

Auch wenn die Gesamtsumme „aufkommensneutral“ ausfallen soll: Viele Besitzer von kleinen und älteren Häusern müssen wohl 2025 deutlich höhere Grundsteuern zahlen.
Auch wenn die Gesamtsumme „aufkommensneutral“ ausfallen soll: Viele Besitzer von kleinen und älteren Häusern müssen wohl 2025 deutlich höhere Grundsteuern zahlen. © picture alliance/dpa

Ein Besucher der Bürger-Infoveranstaltung gab hinterher unserer Redaktion gegenüber preis, dass er Profiteur sei: „Ich kann von dem Geld zweimal im Jahr gut essen gehen“, meinte er. Es handle sich bei seinem Grundsteuermessbetrag um eine Vergünstigung um etwa 15 Euro. Das sind also 120 Euro weniger. Er wohne an der Hochstraße in der Nähe der Altstadt in einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, gebaut Mitte der 60er-Jahre.

Ein Bewohner einer Eigentumswohnung in einer neueren Mehrfamilienhaus-Siedlung an der Brucknerstraße in Castrop von Baujahr 2000 meldete: „Der Grundsteuermessbetrag ist von 91,98 Euro auf 77,19 Euro gesunken. Bei gleichbleibendem Hebesatz von 825 % beträgt die Grundsteuer statt 758,84 Euro nur noch 636,82 Euro pro Jahr. Ersparnis: ca. 122 Euro.“ In den Häusern gibt es 26 Wohnungen grob zwischen 65 und 140 Quadratmetern. Auch die anderen Eigentümer profitieren.

Wir suchen weiter nach den Gewinnern der Reform, um auf die Frage eine Antwort zu finden, wie Aufkommensneutralität erreicht wird, wenn einige Eigentümer um bis zu 400 Prozent mehr zahlen müssen.

  • Verdacht 1: Es könnten auch gemischte Wohn- und Geschäftshäuser sein.
  • Verdacht 2: Es könnten Mehrfamilienhäuser (unter anderem) der großen Immobilien-Gesellschaften sein.

Wenn Sie Hinweise geben können oder Eigentümer eines Wohn- und Geschäftsgebäudes sind, melden Sie sich gern unter castrop@lensingmedia.de.