Das Jahr hat für die Politik in Castrop-Rauxel mit dem Ende einer Affäre begonnen. Ratsfrau Notburga Henke trat zum Jahreswechsel bei den Grünen aus. Zuvor war sie schon aus der Ratsfraktion ausgeschlossen worden. Sie hatte sich geweigert, die damals noch geltende Corona-3G-Regel bei Sitzungen einzuhalten und stellte öffentlich immer wieder die Gefährlichkeit von Corona infrage. Nach ihrem Austritt ist es um die fraktionslose Ratsfrau ziemlich ruhig geworden.
Alles andere als ruhig ist es dagegen um den ehemaligen ersten Beigeordneten der Stadt Castrop-Rauxel, Michael Eckhardt, gewesen. Nach dem Vorwurf, einen Pizzaboten rassistisch beleidigt zu haben, wurde er im Februar zum „normalen“ Beigeordneten quasi degradiert. Redaktionsleiter Matthias Langrock kommentierte die Entscheidung damals als „undurchsichtig“, bis heute merkt man immer wieder, dass die Stadt, aber auch die Politik noch nicht mit der Causa Eckhardt durch sind.
Unter anderem die Grüne Jugend fordert immer wieder Aufklärung, zuletzt in einer Ratssitzung Ende November. Juristisch ist der Fall mit einer Einstellung des Verfahrens abgeschlossen. Eckhardt musste 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.
Seit dem 24. Februar 2022 werden alle politischen Scharmützel und Personaldiskussionen auch in Castrop-Rauxel vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine überschattet. Politik und Stadtgesellschaft solidarisierten sich mit der Ukraine, unter anderem auf einer Großdemo im März. Über alle politischen Lager hinweg wurde den Menschen Unterstützung zugesagt. Sichtlich getroffen hatte Bürgermeister Rajko Kravanja den Krieg in Europa kommentiert: „Ich hätte mir das zu meinen Lebzeiten nicht mehr vorgestellt.“
Große Solidarität und viel Hilfe
Viele Menschen wollten damals wie heute helfen, sammelten Spenden oder nahmen Flüchtlinge auf. Die Folgen des Krieges kamen auch in Castrop-Rauxel an, erst durch die Geflüchteten, denn durch die gestiegenen Preise und Debatten über Gas-Mangel.

Auch hier mussten Politik und Verwaltung überlegen, wie Energie gespart werden kann. Im Juli beschloss der „Krisenstab Energie“ erste Maßnahmen. Kälteres Wasser im Hallenbad und kein warmes Wasser mehr im Rathaus – so haben die Bemühungen der Stadt begonnen, Energie zu sparen.
Ein paar Monate später eskalierte die Lage dann. Noch härtere Einschnitte müssen in den Augen von Stadt und Politik her, um die Spar-Ziele zu erfüllen.
Turnhallen werden zum Teil zeitweise auf frostige 10 Grad heruntergekühlt, das Hallenbad ist mindestens bis 19. Januar komplett zu. Die Vorschläge sorgten für eine der größten Demonstrationen, die Castrop-Rauxel in den vergangenen Jahren gesehen hat. Etwa 400 Eltern und Kinder machten ihrem Unmut vor und während der Ratssitzung Ende November Luft. Beschlossen wurden die Maßnahmen trotzdem, die Politiker hatten zwar Verständnis, sahen aber keine andere Lösung.
Guter Tag für die Demokratie
Reporter Tobias Weckenbrock war damals vor Ort, und auch wenn die Demonstranten ihr Ziel nicht erreichen konnten, kommentierte er: „Ich als Journalist bin ungern einer der wenigen nicht unmittelbar an Entscheidungen beteiligten Teilnehmer, die unabhängig Öffentlichkeit schaffen. Hut ab, dass Sie ihre Freizeit im Saal verbracht haben.“
Die aktuelle Auswirkung der Ukraine-Krise ist der Bau der Notunterkunft für Flüchtlinge, die Mitte Dezember eröffnet hat. Hier können etwas mehr als 1000 Menschen übergangsweise leben.
Streit um das Bürgerbudget
Auch wenn der Krieg in der Ukraine die Lokalpolitik in Bann gehalten hat, gab es auch einige Castrop-Rauxel exklusive Debatten. Da wäre zum Beispiel das Ende von Castropolis in diesem Sommer. Der FDP-Politiker Nils Bettinger hatte das Projekt ehrenamtlich während Corona aus der Taufe gehoben.
Ursprünglich sollt es nur ein digitaler Marktplatz für Händler während der Pandemie sein, dann wurde das Angebot aber ausgeweitet. Doch die Unterstützung aus der Stadtverwaltung bröckelte. Als dann Castropolis trotz reichlich vorhandener Mittel beim Bürgerbudget leer ausging, schmiss Bettinger frustriert hin.

Auch die Neubau-Pläne für das „Rathaus der Bürgerschaft“ hat 2022 nicht überlebt. Es war eine der möglichen Optionen für den neuen Stadtmittelpunkt. Rathaus, Stadt- und Europahalle, Europaplatz und die Tiefgarage müssen nämlich saniert werden. Bisher steht vor allem fest, dass es teuer wird, nicht weniger als 100 Millionen Euro wird die Sanierung kosten.
Wie viel Dampf in der Diskussion um den Stadtmittelpunkt ist, zeigte der Eklat im Rat Ende September. Nach Unstimmigkeiten verließen die Fraktionsmitglieder von CDU, FDP, FWI, die Partei und Linke den Ratssaal. Das letzte Wort in Sachen Stadtmittelpunkt ist noch nicht gesprochen.
Fazit: Das Jahr 2022 war in Castrop-Rauxeler Politik turbulent. Während in einigen Fragen wie der Ukraine-Krise Einigkeit gezeigt wurde, scheinen die Gräben zwischen den Parteien untereinander, aber auch zwischen Politik und Verwaltung tiefer denn je. Wie die Lokalpolitik die aktuellen großen und kleinen Krisen bewältigt, wird 2023 spannend bleiben.
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