
© Dilchert
Zwei Kinder, zwei Kitas: Familie Dilchert und ihr Ärger mit der Platzvergabe
Kinderbetreuung
Mara Dilchert (4) war bisher in einer Kita in Merklinde. Die schließt. Nun geht sie ab Sommer zur Frohlinder Ökoinsel; da, wo die Familie wohnt. Schwester Frida (1) aber hat anderswo einen Platz.
Es war vermutlich die in dieser Woche am häufigsten via WhatsApp verschickte Nachricht unter den Eltern junger Familien in Castrop-Rauxel: „Habt ihr schon eine Zusage?“ Seit Montag (17.1.) werden wieder die Plätze für das neue Kita-Jahr ab August 2022 vergeben. 575 Zusagen gingen am Montag raus. Die Eltern hunderter Kinder schauten gebannt auf ihr E-Mail-Postfach. Ohne Ärger geht es wieder nicht vonstatten. Wie jedes Jahr.
So gibt es wieder bei Facebook die Diskussion darüber, ob man nun klagen solle oder wie man sonst an einen Betreuungsplatz komme: Die Mutter eines im Sommer 5-jährigen Mädchens zum Beispiel habe wieder keine Zusage erhalten, beklagt sie. Aber sie müsse doch vor dem Schuleintritt schon eine Zeit in einer größeren Kindergruppe verbracht haben, meinen Kommentatoren.
Anders geht es Familie Dilchert aus Frohlinde: Mara (4) geht schon länger in die Rasselbande in Merklinde. Nun soll im Sommer auch Frida (1) in eine Kita gehen. Weil aber die Rasselbande Merklinde Richtung Holzstraße im nördlichen Teil von Castrop verlässt, sollte sie wie ihre Schwester in die Frohlinder Ökoinsel. Dort erhielt nun Mara einen Platz. Frida dagegen hat einen Platz in der Rasselbande.
„Ich muss dann meine Stunden reduzieren“
„Ich muss dann meine Arbeitsstunden reduzieren“, sagt Laura Dilchert, die Mutter. Sie müsse ja dann quer durch die Stadt fahren, jeden Morgen und jeden Mittag, um beide Kinder einzusammeln. Ganz zu schweigen von Elternabenden und Sommerfesten oder nachmittäglichen Laternenumzügen in zwei Einrichtungen. Sie verliert Geld im Job und verbringt viel Zeit auf den Straßen der Stadt.
„Bei der Stadt nimmt sich keiner etwas davon an“, ärgert sich Laura Dilchert. Die Kita-Leiterin der Ökoinsel hingegen habe mehrfach um Entschuldigung gebeten: „Da hätte Frida einen Platz bekommen“, so Dilchert.
Der Knackpunkt: Laura und Jan Dilchert bewarben sich für Frida vorsichtshalber in drei Kitas. Das ist möglich und wohl auch erwünscht. Das Programm Kita-Navigator berücksichtigt offenbar aber diesen Faktor in seinem Vergabe-Algorithmus: Wer nur eine Kita angibt, wird auf diesen Platz höher priorisiert als jemand, der noch zwei Alternativen hat. Allerdings tun das nicht viele Eltern, weil sie so ihre Chance, überhaupt einen Betreuungsplatz zu bekommen, erhöhen wollen.
Drei Kinder, die nach dem Algorithmus zunächst hinter Frida gelistet gewesen sein sollen, hatten nach Informationen unserer Redaktion nur eine Wunsch-Kita, nämlich die Ökoinsel, angegeben. So rutschte Frida aus dem Ranking der Plätze 1 bis 6 heraus. Sie wurde bei der Rasselbande angenommen.
Die Stadt bestätigt am Freitagnachmittag diese Sachlage: „Eine niedrige Priorisierung auf unteren Rängen in Einrichtungen kann dazu führen, dass ein Kind eine Platzzusage in einer anderen Einrichtung erhält, in der die Priorisierung möglicherweise auf Platz 1 liegt“, sagt Sprecherin Maresa Hilleringmann. Alle Platzzusagen basierten auf Vormerkungen durch die Eltern und deren „Wunscheinrichtungen“.
Rasselbande-Schließung kommt erschwerend hinzu
In den vergangenen Jahren lief die Vergabe nie reibungslos. Denn es fehlen Betreuungsplätze in den Einrichtungen, um alle Eltern zu versorgen. Für den Süden der Stadt kommt die ungünstige Schließung der Rasselbande im Bürgerzentrum Marienschule noch erschwerend hinzu. Die Verwaltung versucht dies stets mit Tagesmüttern zu kompensieren und kündigte spezielle Lösungen für Merklinde an.
Eigentlich soll die Software Kita-Navigator bei der Platzvergabe helfen: Sie wurde 2017 eingeführt, um die Koordination unter den 37 Kindertagesstätten zu verbessen. Sozialdezernentin Regina Kleff sagte damals, dass „dadurch das Verfahren optimiert würde“. „Für uns entfällt das Abgleichen der Meldelisten, was sehr umständlich war“, so Kleff im Februar 2017.
Im September 2017 wurde die Plattform freigeschaltet. Dort präsentieren sich seither die Kitas nach einem einheitlichen Schema. Eltern registrieren sich, bewerben sich für ihre Kinder bis zu einem Stichtag im Frühwinter für das nächste Kita-Jahr um Plätze in einer bis drei Einrichtungen. Kinder, die schon Geschwister in der Kita haben, werden bevorzugt, der Wohnort spielt eine Rolle, auch ob die Eltern arbeiten oder alleinerziehend sind. 2020 aber, ein Beispiel, gingen 167 Kinder trotz der da schon 41 Einrichtungen erst einmal leer aus. Erst spät fand man mit den Eltern jeweils einzeln abgestimmte Regelungen.
Ein bisschen Hoffnung bleibt noch: Eltern, die eine Zusage haben, müssen nun Betreuungsverträge mit den Einrichtungen schließen. „Da ist immer noch etwas Bewegung drin ist“, so Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann.
Warten auf die Betreuungsverträge?
Das tut jetzt auch Familie Dilchert. Wobei sie nicht tatenlos bleibt: Mit der Leiterin der Ökoinsel habe man schon gesprochen. Ihr tue das zwar total Leid, sie könne aber nichts tun, wenn die anderen Kinder mit Zusagen nun den Vertrag dort unterschreiben, sagte sie laut Laura Dilchert.
Dennoch: „Wir zahlen ja Kita-Gebühren an die Stadt“, meint die enttäuschte Mutter und findet, dass man miteinander sprechen müsse. Das Jugendamt verwies in einer E-Mail zunächst auf einen möglichen Software-Fehler, nahm das dann im Laufe der Woche in einem Telefonat zurück und bestätigte letztlich, dass es an der Dreifach-Bewerbung gelegen habe.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
