Pizza-Verkauf in Castrop-Rauxel für die Erdbebenopfer Serdal Kiraz spendet seine Einnahmen

Erdbeben: Serdal Kiraz und Sinan Özefe starten spontane Hilfsaktionen
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Die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien ist für Serdal Kiraz mehr als eine Nachricht, die er im Internet liest oder dem Fernsehen sieht. Serdal ist zwar in Deutschland geboren, aber er hat türkische Wurzeln. Sein Jugendfreund ist erst vor einer Woche in die Region der Türkei geflogen, die nun einem Kriegsgebiet gleicht.

„Das herrscht Ausnahmezustand“, sagt Kiraz. Als er von dem Erdbeben erfuhr, versuchte er gleich seinen Freund zu erreichen. Zum Glück gehe es ihm gut.

Am Dienstagmorgen (7.2.) ist von mehr als 5000 Toten die Rede. Serdal Kiraz will helfen. „Es geht nicht nur um die Türkei. Ich will solidarisch sein.“ Deshalb startet er spontan eine Spendenaktion. Die Einnahmen seiner Pizzeria Mamma Mia an der Henrichenburger Straße 70 will er spenden.

Auf Facebook und Instagram macht er die Aktion publik, Die Resonanz ist riesig. Allein 500 Euro kommen am ersten Tag (6.2.) zusammen. Menschen bestellen oder holen etwas zu essen, andere schicken so eine Geldspende. Beträge werden aufgerundet.

Ein Mitarbeiter von Serdal Kiraz erlebt, wie ein Mann eine Pizza für 8 Euro kauft und 30 Euro zahlt. „Er wollte kein Wechselgeld“, sagt Kiraz, Oer-Erkenschwicker und Sohn türkischer Einwanderer von der Schwarzmeerküste, die im Bergbau Arbeit fanden. „Es gibt noch gute Menschen“, meint der Mitarbeiter, der wie seine anderen Kollegen ein Castrop-Rauxeler mit türkischen Wurzeln ist.

Am Dienstag öffnet die Pizzeria wieder um 15.30 Uhr. Kurz bevor wir ab etwa 16.15 Uhr live von vor Ort in einem Stream berichten, kommt uns eine Mutter mit ihrer Tochter entgegen. Sie tragen fünf Kartons: drei Pizzen, zweimal Pizzabrötchen und ein paar Dips dazu. 30 Euro, sagt die Mama Nicole, die in Rauxel lebt, hätte das gekostet. Aber sie habe aufgerundet. „Das ist eine Super-Aktion“, sagt sie. Sie habe früher schon mal hier was zu essen geholt, aber zuletzt länger nicht mehr. Als Serdal Kiraz die Aktionstage bei Facebook bekannt gab, stand für sie fest: Da gehe ich heute hin.

Kunden-Video zeigt zerstörte Autobahn

Seit fast 20 Jahren versorgt Serdal Kiraz an der B235 die Castrop-Rauxeler mit Pizza und Burgern. Eine kleine Margherita kostet 4 Euro, alles sei etwas teurer geworden. „Das Geschäft ist so schwer wie noch nie“, sagt Kiraz, Energiekosten und Preise sind im Einkauf teuer. Aber zwei Tageseinnahmen spendet er trotzdem. Weil es wichtigeres gebe, meint er.

Ein Kunde, der vor der Tür steht, ein 20-Jähriger aus Castrop, isst auch extra hier. Er zeigt uns ein Video auf seinem Smartphone. Es zeigt Bilder aus der Region Gaziantep. Sein Onkel sei dort mit dem Auto unterwegs gewesen. Die Autobahn, eine frisch asphaltierte glatte Straße, ist komplett abgebrochen. Hier ist kein Weiterkommen mehr. Serdal Kiraz sagt: „Es ist viel schlimmer als es die ganzen Fernsehbilder uns zeigen. Unvorstellbar, so schlimm wie im Krieg.“

Nicole und Johanna aus Rauxel haben Pizza und Pizzabrötchen gekauft. Statt 30 Euro zahlten sie fast das Doppelte, um den Erdbebenopfern zu helfen.
Nicole und Johanna aus Rauxel haben Pizza und Pizzabrötchen gekauft. Statt 30 Euro zahlten sie fast das Doppelte, um den Erdbebenopfern zu helfen. © Tobias Weckenbrock

Spontan-Aktion an Autowerkstatt

Es halten links und rechts der B235 immer wieder Autos an. Sie wollen etwas zu essen holen und dabei Gutes tun. So wie die Leute, ein paar Hundert Meter weiter, an der SB-Tankstelle Wartburgstraße. Hier ist die Auto-Werkstatt von Sinan Özefe (25). Der Castrop-Rauxeler hatte eine Blitzidee am Dienstagmorgen: Er bestellte über Kontakte drei Lieferfahrzeuge, teilte seine Idee unter Freunden und Bekannten.

Um 16.30 Uhr geht es an der Tankstelle zu wie im Bienenstock: Autos fahren vor, laden Kartons aus den Kofferräumen aus, stellen sie an die Wand neben der Werkstatt. Es geht Hand in Hand, rund 40 Leute sind hier. Dann sind die Kartons schon in einem der Lieferwagen. „Ich wollte was tun“, sagt Sinan Özefe. Er netzwerkte und fand viele Leute, die Windeln, andere Hygieneartikel, warme Kleidung und andere Dinge vorbeibrachten.

Am Abend fuhren die drei Lieferwagen nach Wuppertal. Dort wurden die Hilfsgüter auf einen 40-Tonner umgeladen. Der macht sich auf den Weg in den Süden der Türkei und den Norden Syriens.

Sinan Özefe stellte eine Hilfsaktion auf die Beine. Spontan und mit großer Resonanz: Morgens initiiert, setzten sich abends drei Lieferwagen in Bewegung. Sie bestückten einen Hilfstransport aus Wuppertal, der direkt in die Türkei und Syrien liefern soll.
Sinan Özefe stellte eine Hilfsaktion auf die Beine. Spontan und mit großer Resonanz: Morgens initiiert, setzten sich abends drei Lieferwagen in Bewegung. Sie bestückten einen Hilfstransport aus Wuppertal, der direkt in die Türkei und Syrien liefern soll. © Tobias Weckenbrock
Hunderte Pakete Hilfsgüter kamen spontan am Dienstag an der Wartburgstraße zusammen.
Hunderte Pakete Hilfsgüter kamen spontan am Dienstag an der Wartburgstraße zusammen. © Tobias Weckenbrock

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