Die Augen sind glasig und leicht rot unterlaufen, das Lächeln ist noch da, strahlt aber längst nicht mehr so wie noch vor über einem Jahr: „Natürlich belastet mich das sehr, ich habe seit zwei Wochen kaum geschlafen“, sagt Susanne Rosenberger.
Die vergangenen Monate haben Spuren hinterlassen bei der Geschäftsführerin der „Pflegedienst & Tagespflege S. Rosenberger GmbH“. Bange hat sie immer wieder auf die Finanzen, auf Ausgaben und Einnahmen in ihrem Unternehmen geblickt. Und dann vor knapp zwei Wochen die Entscheidung getroffen, dass es so nicht weitergehen kann und wird. Und beschlossen, proaktiv und offen damit umzugehen.
Womit genau? Damit, dass ihr Unternehmen, das einen ambulanten Pflegedienst in Ickern sowie Tagespflegen am Parkbad Nord und in Habinghorst betreibt, in, wie Rosenberger es ausdrückt, „finanzielle Schieflage“ geraten ist. Ihr droht die Zahlungsunfähigkeit. Deshalb hat Rosenberger nun ein sogenanntes „Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung“ eingeleitet.
Verfahren läuft drei Monate
Das läuft anders ab als ein Regelinsolvenzverfahren. Susanne Rosenberger wird die Sanierung ihres Unternehmens selbst vorbereiten. Das heißt: Sie behält die Kontrolle über den Geschäftsbetrieb und muss diese nicht an einen Insolvenzverwalter abgeben. Sie hat aber vom Amtsgericht Dortmund einen vorläufig bestellten Sachwalter an die Hand bekommen, der alles kontrolliert und überwacht. Und sie hat sich Experten an die Hand geholt, die sie bei der Sanierung unterstützen: einmal insolvenzrechtlich und einmal dabei, das erforderliche Sanierungs- und Restrukturierungskonzept zu erstellen.
Drei Monate läuft das Verfahren jetzt. Wie Rosenberger im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt, habe sie es vor etwa zwei Wochen beim Amtsgericht Dortmund beantragt. Die Behörde habe dann alle erforderliche Unterlagen sowie die positive Fortführungsprognose geprüft, um festzustellen, ob ihr Unternehmen sanierungsfähig ist. Und das ist es.
„Alle bekommen ihr Geld“
Susanne Rosenberger ist wichtig zu betonen: „Alle bekommen ihr Geld, hier wird keiner stehengelassen.“ Und auch: „Der laufende Geschäftsbetrieb und sämtliche Pflegeverträge werden aufrechterhalten. Alle Versorgungen der häuslichen Pflege oder in den Tagespflegen werden unverändert fortgeführt.“ Für die über 200 Patientinnen und Patienten im ambulanten Pflegedienst und auch die knapp 30 Besucherinnen und Besucher der beiden Tagespflegen ändere sich nichts.
In den nächsten drei Monaten, so sei es beim „Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung“ geregelt, zahlt nun die Agentur für Arbeit die Gehälter ihrer 64 Mitarbeitenden. „Das schafft erstmal Entlastung“, zeigt sich Rosenberger erleichtert. Denn es seien vor allem die Gehälter gewesen, die „uns den Genickbruch gaben“.
Deutlich höhere Personalkosten
Genauer meint sie das Tariftreuegesetz in der Pflege, das zum September 2022 in Kraft trat. Ihr Unternehmen habe die Löhne an den Caritas-Tarif angepasst, sodass eine examinierte Pflegefachkraft durchschnittlich nunmehr zwischen 3500 und 4000 Euro monatlich verdiene. Das habe zu etwa 25 bis 30 Prozent höheren Personalkosten geführt. „Das Gesetz ist auch absolut richtig und vertretbar“, sagt Susanne Rosenberger. „Aber es gibt keine vernünftige Refinanzierung durch die Krankenkassen“, kritisiert sie. Bislang seien die Kosten von dieser Seite lediglich um zwischen elf und 13 Prozent angepasst worden. „Es ist doch klar, dass so eine Unterfinanzierung entsteht.“
Und das macht Susanne Rosenberger nicht nur „tief traurig“, sondern vor allem „auch wütend. Weil die Politik versagt hat. Sie hat uns im Stich gelassen. In der Corona-Zeit waren wir die Helden. Aber jetzt wurden wir einfach fallengelassen.“ Sie nennt noch ein weiteres eindrückliches Beispiel dafür: In der im Mai dieses Jahres eröffneten Tagespflege an der Josefstraße in Habinghorst arbeite ihr Unternehmen zurzeit „quasi umsonst“, weil man seither auf den Versorgungsvertrag der Bundesknappschaft Bochum warte, um die Leistungen dieser Tagespflege überhaupt abrechnen zu können. Die Kosten aber müsse das Unternehmen natürlich schon jetzt tragen.
Sorgenvoller Blick in die Zukunft
Auch wenn Susanne Rosenberger bezüglich der Sanierung ihres Unternehmens optimistisch ist, blickt sie dennoch besorgt in die Zukunft in der Pflege. „Schon jetzt sind viele Betriebe in der Bredouille, spätestens seit der Corona-Pandemie. Und dann kam ja kurze Zeit später auch noch die Inflation. Das ganze Problem ist eigentlich gar nicht mehr aufzufangen“, weiß sie.

Die Geschäftsführerin ist sicher, dass in der nächsten Zeit viele Pflegebetriebe kapitulieren werden müssen. „Und deswegen bin ich überzeugt davon, dass diese Unterfinanzierung in der Pflege einfach breiter in die Öffentlichkeit getragen werden muss“, sagt sie. Es müssten schnell Lösungen von der Politik gefunden werden, fordert sie. „Im Grunde brauchen wir jetzt diese 30 Prozent mehr“, sagt sie. Auch die Prognose, dass es bis 2030 mehr als 30 Prozent mehr Pflegebedürftige geben wird, gebe wenig Anlass zur Hoffnung.
Für ihren ambulanten Pflegedienst und die Tagespflegen in Castrop-Rauxel will sie sich diese aber nicht nehmen lassen. Zwei Stellschrauben, an denen sie und ihr Team drehen wollen, um wirtschaftlicher agieren zu können, hat Rosenberger in den Gesprächen mit ihren Sanierungsexperten bereits ausmachen können: So will sie den eigenen Fuhrpark reduzieren, ebenso wie die Fixkosten des Unternehmens. „Und wir müssen natürlich auch gucken, dass die Erlöse bei den Patienten stimmen“, sagt sie. Welche Erhöhungen das für die Kundinnen und Kunden schlussendlich bedeutet, kann Susanne Rosenberger zurzeit noch nicht sagen.
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