1954 finden am 4. Juli zwei wichtige Ereignisse statt. Während das erste die ganze Welt vor Radio und Fernsehgeräte zieht, ist das zweite zugegebenermaßen nur für Castrop-Rauxel relevant. Es geht natürlich um das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Bern und das Castroper Pferderennen. Deutschland gewinnt das Finale gegen die favorisierten Ungarn 3:2 nach 0:2 Rückstand – das „Wunder von Bern“ wird ein gesellschaftlich prägender Moment im Nachkriegsdeutschland.

Für den Endspiel-Tag in Bern war aber nun aber auch das Castroper Pferderennen angesetzt. Im lokalen Bewusstsein konnte dieses Event durchaus mit einem möglichen Weltmeistertitel der Nationalmannschaft mithalten. Beide Ereignisse mussten irgendwie unter einen Hut gebracht werden, waren sich die Veranstalter sicher. Einfach einen Live-Ticker auf dem Handy laufen lassen, das ging damals noch nicht. Und die Lösung? Kurzerhand stellt der Rennverein sein Programm um.
Fernsehübertragung
Das Spiel wird über Lautsprecher auf der Rennbahn übertragen. Aber nicht nur das. Es werden sogar „Fernsehapparaturen“ aufgestellt, damit die Gäste wirklich nichts verpassen. Fernseher waren damals noch ziemlich teuer und nur wenige Haushalte hatten ein eigenes Gerät. Gesponsort wurden die Fernseher auf der Rennbahn von der Firma „Loskill“. Die Ruhr Nachrichten schreiben 1954: „Damit beide ‚Großveranstaltungen‘, das Endspiel und die – Castroper Rennen – den lokalpatriotischen Stolz verstehe man doch endlich einmal richtig – von den Castrop-Rauxelern miterlebt werden können, werden die Pausen zwischen den drei letzten Rennen verlängert.“ Mit dem neuen Zeitplan gab es dann keine Überschneidungen mehr und keiner musste sich zwischen dem heimatlichen Rennen und dem geschichtlichen Großereignis entscheiden.

4000 Besucher auf der Rennbahn
Nach der ersten Halbzeit steht es zwischen Deutschland und Ungarn in Bern 2:2. In der Pause steigt ca. 510 Kilometer Luftlinie nördlich von Bern das große Rennen um den Preis der Stadt Castrop-Rauxel. R. Gollik gewinnt das Rennen um die Länge eines Pferdekopfes. Kaum ist das Rennen entschieden, geht es in Bern für die Fußball-Nationalmannschaft weiter.
Im Artikel von 1954 heißt es: „Dann waren wieder Augen und Ohren der Rennbahnbesucher nur den Empfangsgeräten vorbehalten. Selbst die Vierbeiner in den Boxen wurden von ihren Betreuern verlassen.“ 4000 Leute sind damals auf der Rennbahn dabei: „Als gar 6 Minuten vor dem Spielschluß das siegreiche dritte Tor für Deutschland fiel, dran ein befreiter Jubelschrei über den Platz.“ Hüte werden durch die Luft geschmissen, Hände geschüttelt. Beim Abpfiff spielt die Werkskapelle der Zeche Graf Schwerin unter Dirigent Kutschker das Deutschlandlied. Die restlichen Rennen werden dementsprechend bei bester Laune abgehalten.
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