Ein Mann in einer leuchtend gelben Jacke macht große Schritte entlang der Bahnhofstraße in Castrop-Rauxel. Laut zählt er mit. „45“, sagt Guido Kremer, als er an dem rot-blauen Schild ankommt, das seit Montag (3. März) ein eingeschränktes Halteverbot anzeigt. Die Länge der Zone, in der Fahrzeuge montags bis freitags zwischen 7.30 und 16 Uhr nur noch bis zu drei Minuten lang abgestellt werden dürfen, schätzt er auf 45 Meter. Auch auf der anderen Straßenseite, wo sich das Amtsgericht befindet, fallen von morgens bis nachmittags mehrere Parkplätze weg.
Seinen knapp 7,5 Tonnen schweren Lkw parkt Guido Kremer gern hier in der Nähe des Eurostar Hotels. Andere Bereiche seien nämlich für Autos, aber nicht für Lastwagen vorgesehen. Damit er seine Ruhezeiten ausschöpfen kann, ist der Parkplatz nahe der eigenen Wohnung für den Berufskraftfahrer optimal. Alternativen seien in der Gegend rar. Doch wo er normalerweise seinen Lkw parkt, wurden am Montag (3. März) durch Mitarbeiter des EUV-Stadtbetriebs die Schilder aufgestellt. „Warum genau werden hier Parkplätze geklaut?“, fragt er sich.

Brief an die Stadtverwaltung
Ein „Riesen-Ärgernis“ sind die neuen Schilder auch für Patrick Hesse. Er arbeitet bei LBI Immobilien an der Bahnhofstraße. Gemeinsam mit Nachbarn – der LVM-Versicherung und Bauer B+V – habe LBI Immobilien einen entsprechenden Brief an die Stadtverwaltung gesendet. Firmen und Kunden hätten kaum andere Möglichkeiten, als ihre Fahrzeuge an der Bahnhofstraße abzustellen. „Wenn dieser Parkbereich wegfällt, weiß ich nicht, wo sie parken sollen“, sagt Hesse. An den meisten Tagen seien die benachbarten Straßen Im Sandweg und Neptunstraße schon jetzt „zugeparkt“.

Stadt erklärt Gründe
Doch wieso gibt es überhaupt die neuen eingeschränkten Halteverbotszonen? „Zur Schulwegsicherung im unmittelbaren Einzugsbereich des Ernst-Barlach-Gymnasiums (EBG) haben die Verkehrsabteilung des Ordnungsamtes, die Schulleitung, die Elternvertretung des EBG und die Polizei gemeinsam einige Maßnahmen im Umfeld der Schule vereinbart“, antwortet Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann.
In drei Bereichen sei das eingeschränkte Halteverbot ausgewiesen worden: einmal an der Pallasstraße und in beide Fahrtrichtungen der Bahnhofstraße. Würden Autos eng an eng stehen, passten laut der Sprecherin insgesamt etwa 15 bis 20 Autos in die Bereiche. Das Amtsgericht verfüge über einen eigenen großen Parkplatz, den sowohl Mitarbeiter als auch Besucher nutzen könnten. Durch die Maßnahme werde „ein Angebot geschaffen, dass Eltern ihre Kinder weiterhin zur Schule bringen können, jedoch nicht mehr unmittelbar bis vor die Schule fahren“. Die Standorte seien so gewählt worden, dass ausreichend Parkraum für ankommende Autos vorhanden sei. Rückstaus könnten vermieden werden, weil ohne anschließendes Wenden auf der Straße weitergefahren werden könne. Es handele sich nicht um Elternhaltestellen im eigentlichen Sinne – diese gebe es nur vor Grundschulen – „sondern um eingeschränkte Halteverbotsbereiche, die den Charakter einer Elternhaltestelle haben, aber ohne Markierungen auf dem Boden“.

Orionstraße wird Einbahnstraße
Auch in der Verkehrsführung gibt es eine Änderung: Die Orionstraße ist zur Einbahnstraße geworden. Sie ist laut Hilleringmann „nun nur noch aus nördlicher Richtung, von der Lunastraße aus, befahrbar“. Somit sei das Einbiegen von der Pallasstraße in die Orionstraße für Autos nicht mehr möglich. Für den Radverkehr gebe es dagegen keine Einschränkungen. „Ziel dieser Neuerung ist es, den Begegnungsverkehr in der Orionstraße und Lunastraße zu verringern, damit der Kfz-Verkehr besser abfließen kann und keine gefährlichen Situationen mehr während der Bring- und Abholzeiten entstehen.“

Pallasstraße: Frustrierte Anwohner
Zurück zum Mann mit der leuchtend gelben Jacke. Er geht um eine Straßenecke und biegt in die Pallasstraße ab. Dort trifft er auf Anwohner, die mit der neuen eingeschränkten Halteverbotszone auf ihrer Straße überhaupt nicht einverstanden sind. Sowohl Erdal Sögüt als auch sein Nachbar Achim von Agris bestätigen, dass es bereits vorher zu wenige Parkmöglichkeiten gegeben habe. Die neuen Schilder verschärften die Situation. Beide Anwohner geben zudem an, nichts von dieser konkreten Maßnahme gewusst zu haben, ehe die Schilder aufgestellt wurden.
Er habe sich bereits beim Ordnungsamt erkundigt, ob es möglich wäre, Ausnahmeregelungen für Anwohner – zum Beispiel durch einen entsprechenden Parkausweis – einzuführen, sagt Sögüt. Dies sei ihm gegenüber verneint worden. Er sei frustriert. Vielleicht werde er seinen Lkw zukünftig bei seinem Arbeitgeber abstellen müssen, überlegt derweil Guido Kremer. Achim von Agris sagt, er sei meistens mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, müsse Besucher nun aber vorwarnen, dass die Parkplatzsuche noch schwieriger werde.

Immer wieder Verkehrschaos
Im Januar berichtete unsere Redaktion über das allmorgendliche Verkehrschaos am Gymnasium. „Morgens zwischen 7.45 Uhr und kurz nach 8 Uhr herrscht vor unserer Schule ein Verkehrschaos, hervorgerufen durch zahlreiche Elterntaxis“, sagte Silja Senge, stellvertretende Schulleiterin. „Inzwischen werden bis zu 40 Prozent der Schüler mit dem Auto zur Schule gebracht“, bestätigte Randolf Sterna, Schulpflegschaftsvorsitzender. „Wir setzen auf die Erkenntnis seitens der Eltern, dass sie viel schneller sind, wenn sie nur kurz rechts ranfahren, das Kind aussteigen lassen und dann weiterfahren können, als sich in das Verkehrschaos der Lunastraße zu begeben“, sagte Senge über Elternhaltestellen, die damals zunächst probeweise eingeführt werden sollten.
Zu diesem Zeitpunkt gab es auch Überlegungen, die Lunastraße zu einer Schulstraße zu machen. Das hätte laut Senge bedeutet, „dass morgens der Verkehr für 45 Minuten zwischen 7.30 und 8.15 aus der Lunastraße herausgehalten wird, und auch nachmittags zu den Abholzeiten“. Da die Abholzeiten durch den Ganztag unterschiedlich seien, könnte das aber für Anwohner zu einem großen Problem werden. Denn auf einer Schulstraße dürften sich nur Fußgänger oder Radfahrer bewegen.
Raser und Staus
Erdal Sörgüt kennt vergleichbare Haltezonen von der Wilhelmschule, die sein Sohn besucht. Diese würden seiner Beobachtung nach längst nicht von jedem Eltern-Taxi genutzt. Viele Kinder würden stattdessen möglichst nah am Eingang abgesetzt. „Manche würden sie am liebsten bis ins Gebäude fahren.“ Er selbst begleite seinen Sohn gern zu Fuß zur Schule – wegen des hohen Verkehrsaufkommens. Seine Tochter fahre zur Fridtjof-Nansen-Realschule normalerweise mit dem Bus. „Die Kinder sollen ja auch selbstständig werden“, sagt er. Und die Besucher des Gymnasiums seien schließlich keine Grundschüler mehr.
Probleme im Verkehr an der Pallasstraße bestehen laut Sörgüt nicht nur durch Verkehrsstaus, sondern auch durch Raser. Auch sein Nachbar Achim von Agris beobachtet regelmäßig viel zu schnell fahrende Autos. Beide erinnern sich gut daran, dass hier am 6. Dezember 2024 ein Mercedes mit einer Laterne kollidierte. Der Fahrer blieb unverletzt, doch der Wagen hatte einen Totalschaden. Schon seit Jahren denke er, dass hier eine Tempo-30-Zone helfen könnte, sagt von Agris. Eine Problemstelle im Verkehrsfluss sieht Sörgüt in der Kreuzung Pallasstraße / Bahnhofstraße. Ein Ansatz wäre vielleicht, dort einen Kreisverkehr einzurichten. Beim Telefonat mit dem Ordnungsamt habe er diesen Vorschlag eingebracht.