Bestattung für Tot- und Fehlgeburten „Das schrecklichste und traurigste in meinem Job.“

Ökumenische Bestattung für Tot- und Fehlgeburten
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In der Friedhofskapelle des katholischen Friedhofs sind an diesem Tag Kerzen aufgestellt - genug, damit alle, die kommen, eine mit nach Hause nehmen können. Eine Harfe-Spielerin sorgt für sanfte Klänge. Es soll nicht still sein. Der Raum strömt Ruhe aus, findet Ute Diepenbrock. Gemeinsam mit Martina Niedermaier und Schwester Ingeborg Wilkes wartet sie an der Eingangstür. Sie haben sich Texte mit tröstlichen Worten und Gebeten zurechtgelegt. Alle Gäste trauern um eine Tot- oder Fehlgeburt oder möchten den Abschied durch ihre Anwesenheit unterstützen. Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geburtsstation sind willkommen.

Auf dem katholischen Friedhof an der Wittener Straße findet am 28. April um 15.30 Uhr eine ökumenische Bestattung für in der Schwangerschaft verstorbene Kinder statt. Diepenbrock, Wilkes und Niedermaier betreuen die Trauerfeier als Seelsorgerinnen des St. Rochus Hospitals und des Evangelischen Krankenhauses Castrop-Rauxel. Wenn das medizinische Personal nicht mehr helfen kann, kümmern sich die Seelsorgerinnen um die Angehörigen. „Wir sind Menschen, die kommen in einer Situation, in der nichts mehr geheilt werden kann, mit Zeit und Offenheit“, sagt Martina Niedermaier. Nach der Andacht in der Kapelle begleiten die Seelsorgerinnen den Bestatter mit dem Kindersarg und die Angehörigen zum Kindergrabfeld.

Ein trauriger, aber liebevoller Abschied

Zum Grabfeld gehört auch ein Denkmal für die „Pilzkinder“. So werden die 31 Castroper Kinder genannt, die kurz nach dem Ersten Weltkrieg an einer Pilzvergiftung starben. „Das ist ein schöner Ort für die Kinder. Da können sie zusammen sein“, findet Schwester Ingeborg. Sie weiß, wie schwer und wie wichtig ein Abschied für Eltern sein kann. Sie erinnert sich an eine Mutter, die sehr unter der Fehlgeburt leiden musste. Im Gespräch mit ihr habe sie festgestellt, dass zu einem Abschied ein fester Ort gehört. Einer, den die Angehörigen jederzeit besuchen können. „Auch Frauen, die das Kind nicht gewollt haben und im ersten Moment vielleicht froh sind, dass es nicht mehr da ist, haben einen Ort, wo sie hinkönnen, wenn sie doch noch trauern wollen.“

Der katholische Friedhof an der Wittener Straße.
Der katholische Friedhof an der Wittener Straße. © Ronny von Wangenheim

Nicht alle Eltern kommen zu der Abschiedsfeier. „Es kam auch schon eine Großmutter, weil die trauenden Eltern es emotional nicht schafften. Sie kam über mehrere Jahre stellvertretend und erst Jahre später dann die trauenden Eltern“, erzählt Diepenbrock. Manchmal kämen Eltern, die ihr Kind vor langer Zeit verloren haben und gar nicht wüssten, wo ihr Kind ist. Und manchmal kommt niemand. Dann begleiten die drei Seelsorgerinnen den Sarg allein zur Grabstelle. Der Sarg ist nicht immer gleich groß, je nachdem, wie viele Kinder es sind und wie groß sie sind. Meistens ist es ein weißer, kleiner Kinder-Sarg, sagt die Seelsorgerin. Um die Beisetzung kümmern die Bestatter sich ehrenamtlich. Manche Kinder bekommen einen Strampelanzug. „Sie bereiten den Sarg für die Kinder sehr liebevoll vor“, verspricht Diepenbrock.

Noch immer ein Tabu-Thema

Dass manche nicht zur Abschiedsfeier kommen, kann Martina Niedermaier verstehen. Manche könnten den Schmerz nicht aushalten, glaubt sie. „Wer nicht gläubig ist, glaubt vielleicht auch nicht daran, dass unsere Veranstaltung Halt geben kann. Sie wollen den Verlust des Kindes schnell hinter sich lassen“, so ihre Vermutung. Dazu kommt, dass obwohl jede sechste Schwangere eine Fehlgeburt erleidet, die Menschen ungern über das Tabu-Thema sprechen. „Es hat auch mit Scham zu tun. Manche schämen sich, dass sie ein Kind verloren haben“, glaubt Diepenbrock.

Schwester Ingeborg hat oft erlebt, dass Eltern möglichst nicht an die Tragödie erinnert werden wollen. „Wir wissen ja gar nicht, was in den Frauen vorgeht. Wenn die sich uns öffnen, können wir sehr dankbar sein.“ Wenn die Ordensschwester von so viel Leid umgeben ist, befreit sie der Gedanke, „dass gerade diese Kinder eine würdevolle Bestattung bekommen.“ Ute Diepenbrock empfindet zwiespältige Gefühle. „Es ist das schrecklichste und traurigste in meinem Job. Aber es ist das Letzte, was wir für die Kinder und die Familien tun können und das gibt mir Trost.“

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