Als ehemaliger Bürgermeister kennt er Netzwerke und ihre Bedeutung. Johannes Beisenherz, selbst ein Tierfreund und Hundebesitzer, sollte nach seiner Ablösung an der Stadtspitze den skandalumwobenen Tierschutzverein Castrop-Rauxel in ruhigere Fahrwasser lenken. Mit neuem Vorstand schaffte man es offenbar, zumindest den bilanziellen Verlust deutlich einzuschränken. Für 2023 erwartet der der Vorsitzende sogar eine schwarze Null. Aber der Wirbel: Er ist geblieben.
Derzeit laufen Ermittlungen des Kreis-Veterinäramtes. Worum es dabei geht, sagt unserer Redaktion niemand. Weder diejenigen, die immer wieder Beschwerden vorbringen, noch der Kreis Recklinghausen. Sprecherin Svenja Küchmeister sagt: „Unter anderem geht es mit dem Tierschutzverein und der Kreisverwaltung als Beteiligten um Ordnungswidrigkeitsverfahren.“ Und: „Uns liegen mehrere Beschwerden vor. Das Veterinäramt geht diesen nach. Es ist in regelmäßigem Austausch mit dem Tierheim und führt dort auch Kontrollen durch.“
Aber Küchmeister wird dann auch klar: „Da es momentan laufende Verfahren gibt, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider keine detaillierteren Antworten geben. Dafür bitte ich um Verständnis.“ Es sind also mehrere Verfahren, über die Johannes Beisenherz, der Vorsitzende, aber sagt: „Es ist ein laufendes Verfahren, zu dem ich aktuell nichts sage.“ Der Tierheim-Bestand sei nicht gefährdet, ergänzt er auf Nachfrage.
Doch damit nicht genug. Es gibt viel Ärger im Hintergrund darüber, dass die Stadt Herten mit ihrer kommunalen Aufgabe der Versorgung von Fundtieren und beschlagnahmten Tieren nun vom Tierheim in Recklinghausen nach Castrop-Rauxel gewechselt ist. Das bringt dem Tierschutzverein rund 55.000 Euro im Jahr ein. Die Stadt Herten soll in Recklinghausen zuletzt 66.000 Euro gezahlt haben, Forderungen bei der Verhandlung neuer Verträge lagen zuletzt aber wohl deutlich über dem alten Betrag. Von 120.000 Euro oder sogar 200.000 Euro ist die Rede.

Darum schrieb die Stadt Herten den Auftrag aus. Dabei gab es auch Gespräche zwischen Oliver Lind und Johannes Beisenherz: Lind ist seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik in Castrop-Rauxel aktiv, Ratsherr und Ausschussvorsitzender im Bereich Bauen und Stadtentwicklung. Seit einigen Jahren ist der CDU-Mann Kämmerer in Herten. Sie kennen und schätzen sich. Aber in Castrop-Rauxel gibt es auch Menschen mit Tierschutz-Interessen, die mit Lind nicht gut auskommen.
Castrop-Rauxel jedenfalls bewarb sich und bekam den Zuschlag. Nun ist neben Waltrop mit rund 10.000 Euro auch Herten unter den „Kunden“. Der seit Jahren defizitäre Tierschutzverein, der immer sehr abhängig ist von Einzelspenden und vor allem Erbschaften Verstorberner, die ihr Vermögen dem Tierschutz übermachen, ist damit saniert und könnte 2023 erstmals wieder eine schwarze Null schreiben.

Dieser nach außen als vor allem wirtschaftlich lukrative Lösung vermarktete neue Vertrag mit Herten löste aber schwere Verstimmungen aus. Dem größeren Tierheim in Recklinghausen fehlt diese Summe aus Herten nun.
Das Tierheim in Deininghausen, das im Sommer wie viele andere in der Region wegen Überfüllung praktisch geschlossen war, habe in Zwischenzeit viele Tiere vermitteln können, sagt Johannes Beisenherz, und habe nun ausreichend Kapazitäten auch für Hertener Fundtiere.
Doch anderswo sieht man das kritisch: Es gibt im Ruhrgebiet eine Arbeitsgemeinschaft der Tierschutzvereine. Ein loser Zusammenschluss, der sich etwa alle vier Wochen montags trifft. Die Entscheidungen in Castrop-Rauxel führten kürzlich zum Ausschluss aus dieser AG nach einstimmigem Beschluss der anwesenden Vereinsvorstände. Grund: Es gebe einen Kodex, nach dem sich Tierschutzvereine nicht untereinander Konkurrenz machten und keine Kommunen abwerben würden. Eine Art „Gentlemens‘ Agreement“. „Es wird Stimmung gegen uns gemacht, vor allem aus Recklinghausen. Die anderen Vereine laufen da hinterher“, sagt Johannes Beisenherz. „Der Kodex ist aus dem Mittelalter. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man sich bewirbt und Verträge aushandelt“, meint er.
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