
© Tobias Weckenbrock
Nach Party mit Neonazis im Haus Oe: „Ihr seid arme, kranke Köpfe!“
Ballermann-Party
Dieser Party-Abend wirkt länger nach als jeder noch so derbe Kater: Neonazis feierten bei einer Ballermann-Party im Castrop-Rauxeler Haus Oestreich mit. Der Bühnen-Gast distanziert sich deutlich.
Auf den Bildern sehen sie noch aus wie beste Kumpels: Dortmunder Neonazis auf einem Selfie mit sechs Personen bei der Ballermann-Party im Haus Oe auf Schwerin, mittendrin Ikke Hüftgold. Der Party-Garant mit Songs wie „Dicke Titten, Kartoffelsalat“ oder „Schon wieder besoffen“ oder „Unten kommt die Gurke rein“ oder „Hackevoll durch die Nacht“ und dem bekanntesten Mitgröhl-Knaller „Johnny Däpp“ war engagiert, sang auf der Bühne – und schäumt nun vor Wut.
Bilder vom Abend, bekannter gemacht durch eine Twitternachricht der Antifaschistischen Linken Bochum (Antifa) am Mittwoch (16.3.), kursieren nun im Internet. Der Ballermann-Star singend und feiernd am Samstag zuvor mit Neonazis, in Räumen einer seit Jahrzehnten etablierten Gaststätte in Castrop-Rauxel: Wie konnte das passieren?
Dass Ikke Hüftgold, mit bürgerlichem Namen Matthias Distel, dieser Abend nun nur noch peinlich ist, wurde Mittwochabend deutlich: Auf seiner Facebookseite wütete er gegen die Neonazis. „Bitte hört euch das alle an“, schrieb er neben einem Video-Statement: „Besonders, die Leute, die rechtes Gedankengut verbreiten. Ihr seid arme, kranke Köpfe! Ich lasse mich für eure braune Sch*** nicht instrumentalisieren!!!! In meinem Kopf und meinem Herz gibt es keine Unterschiede! Und so lebe ich seit 45 Jahren und werde mich weiterhin für jeden einsetzen, der in einer Notlage ist! Egal woher er stammt!“
Er habe am Mittwochabend erfahren, dass er Samstag bei einer Party gewesen sei, „wo Neonazis an Bord waren. Davon distanziere ich mich ganz klar. Über meine Booking-Agentur wurde ich von einer Fahrschule auf einen 30. Geburtstag eingebucht. Es wurden natürlich Bilder gemacht, wie das nach Auftritten üblich ist. Es stellte sich jetzt heraus, dass einige der Leute aus der rechten Szene sind“.
Distel will nun recherchieren, wer genau ihn buchte
Distel, der aus Hessen stammt, weiter: „Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich von euch Arschlöchern da draußen distanziere. Und ich würde gerne alle Worte loswerden, die mir jetzt einfallen, die unter die Gürtellinie gehen, um euch die in die Fresse zu hauen.“ Er werde das ganze genau recherchieren, wer hinter der Party steckte, werde zur Polizei gehen und dort Tacheles reden. „Jeder, der mich kennt, weiß, welche Einstellung ich habe in meinem Leben.“
Der Sänger mit dem Künstlernamen „Ikke Hüftgold“, früher Teil einer Rockband, später Kinderlieder-Autor, singt seit 2009 Partyschlager und ist mit seinen Songs stets auf den einschlägigen Samplern von Aprés Ski und Mallorca-Partys vertreten. Der 45-Jährige lebt in einem 250-Quadratmeter-Loft in Limburg an der Lahn, leitet zwei Unternehmen mit 50 Mitarbeitern: eine Gartenbau-Firma und eine Medienfirma mit Fernseh- und Musik-Studio.
„Arschlöcher haben in unserem Haus nichts verloren“
Das Haus Oe war ähnlich entgeistert wie der Künstler und reagierte ebenfalls deutlich: „Ikke Hüftgold hat via Facebook ein Statement abgegeben“, sagte Haus-Oe-Inhaber Christian Pachholleck am Donnerstag (17.3.). „Dem können wir uns nur anschließen. Arschlöcher haben in unserem Haus nichts verloren.“ Die Party war auch nach seiner Aussage als Geburtstagsfeier zum 30. gebucht. Wer der Party-Organisator war, wollte die Haus-Oestreich-Crew mit dem Verweis auf Datenschutz nicht weiter mitteilen, sich aber ebenso wie Matthias Distel an die Polizei bzw. einen Rechtsanwalt wenden.
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Anfang März sagte Distel einen Auftritt ab, um mit Bussen und Pkw zur polnisch-ukrainischen Grenze zu fahren. Über seine Stiftung „Summerfield Kids Foundation“ erklärten sich nach eigenen Angaben Hunderte Menschen bereit, geflüchtete Ukrainer aufzunehmen: „Wir haben schon über 1000 Betten zugesagt bekommen“, so Distel. Bei Facebook folgen „Ikke Hüftgold“ über 170.000 Menschen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
