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Ikke Hüftgold nach Nazi-Selfies exklusiv: „Fühle mich schamlos ausgenutzt“
Haus Oestreich
Ikke Hüftgold singt Partyschlager, gern unter der Gürtellinie, zumindest zweideutig. Aber nach dem Selfie der Nazis ist für Matthias Distel eine Grenze erreicht. Exklusiv nimmt er ausführlich Stellung.
Eigentlich heißt der Mann Matthias Distel. Aber so kennt den Limburger kaum einer. Der 45-Jährige ist prominent in seiner Rolle als „Ikke Hüftgold“: So steht er auf der Bühne, meist im Trainingsanzug und mit Klatschfrisur-Perücke, und singt „Johnny Däpp“ oder „Dicke Titten, Kartoffelsalat“.
Am Samstag tat er das auch in Castrop-Rauxel, im ehrwürdigen Haus Oe. Allerdings vor Gästen, die er hinterher als „Arschlöcher“ bezeichnete: Neonazis, die ein Selfie mit ihm machten und sich dafür abfeierten. Im Telefonat mit unserer Redaktion sagt Matthias Distel nun, was er darüber denkt. Wir zitieren die zentralen Aussagen:
Schon vor der Tür habe ich gedacht: Das wird kein wirklich guter Auftritt. Aber gar nicht, weil ich dachte, dass Rechte dort feiern. Heute sieht ein Nazi ja nicht mehr wie ein Nazi aus, den man sich so vorstellt. Das ist das ganze Übel: Sie versuchen, anders aufzutreten und Politik zu machen. Ich habe mich bei der Polizei in Dortmund informiert, habe auch reichlich Infos von der Polizei bekommen und mich Mittwochabend von diesem Auftritt distanziert, nachdem mir ein Hinweis gegeben wurde wer angeblich hinter dem Booking stünde. Es geht hier um keine Straftat, aber ich fühle mich schamlos ausgenutzt.
Ich werde gebucht, das ist üblich, wie Künstler wie ich das machen. Drei bis fünf Geburtstage und Hochzeiten sind im Jahr dabei, wenn die Leute eben das nötige Kleingeld für mich aufbringen können. Wir kommen dann zu zweit hin, sind eine halbe Stunde vorher da, treten eine halbe Stunde auf, bleiben dann noch eine halbe Stunde für Selfies, Fotos und den ganzen Kram.
„Fahrschule buchte mich“
Man googelt nach den Anfragen keinen Namen. Mich hat eine Fahrschule, die MPU-Beratungen macht, gebucht. Dahinter steht anscheinend jemand mit einer rechten Gesinnung, wie ich jetzt nach dem Gespräch mit dem Polizisten weiß.
Ich habe schon mit so vielen Idioten Fotos gemacht; wer auf den Fotos auftaucht, das suche ich mir ja nicht aus. Wir hatten im „Bierkönig“ auf Mallorca schon mal so einen ähnlichen Vorfall. Ich schaue also eigentlich schon ein bisschen hin, wer da Fotos macht.
Ich habe meinen Mitarbeitern nun gesagt, dass wir die Leute, die mich buchen, genauer unter die Lupe nehmen. Ich bin nicht der erste, dem das passiert. Die Polizei hat mir gesagt, das sei deren Strategie: Die holen sich Leute wie mich, dann posten sie das Foto, machen Propaganda damit, dass selbst Promis sich mit ihnen abgeben... Sie hatten zum Teil „Bierkönig“-Shirts an, das war an sich eine ganz normale Geburtstagsfeier. Es gab keine rechten Parolen, denn dann hätte ich den Auftritt sofort abgebrochen. Es gab für mich keinen Hinweis auf Neonazis.
Ich stehe mitten in der Gesellschaft, bin weder rechts- noch linksextrem. Ich bin ein Weltenbummler, mein halber Freundeskreis hat Migrationshintergrund.
Die Nazis dagegen haben eine unhaltbare Grundsteinstellung, bei denen ist einfach alles schief gelaufen. Die Polizei hat mir gesagt, dass da Leute auf der Veranstaltung waren, deren Gedankengut wohl nicht mehr zu ändern sei. Diese Leute stünden wohl schon länger unter behördlicher Beobachtung.
„Mir war klar, dass ich das gleich klarstellen muss“
Mir wurde Mittwochabend ein Foto zugespielt, von einem Linken, einem Antifa-Mitglied. Dann habe ich einfach mal den Namen Deyda gegoogelt und hab es direkt lesen können, aus welcher Ecke er kommt. Mir war klar, dass ich das gleich klarstellen muss. Aussitzen macht in so einem Fall überhaupt keinen Sinn. Darum hab ich bei Facebook und Instagram klar gesagt, wie ich dazu stehe.
Ich kriege jetzt natürlich viele Nachrichten aufs Handy, ich muss mich mit dem Zeug auch auseinandersetzen. Aber jeder, der sich mit mir beschäftigt oder beschäftigt hat, weiß, was ich für eine Einstellung habe. Ich glaube auch, dass nach dieser Nummer nichts hängen bleibt. Ich lasse schon immer null Zweifel daran, dass ich komplett in der Mitte der Gesellschaft stehe. Ich habe mich übrigens schon öfter mit Neonazis angelegt, zum Beispiel im „Bierkönig“. Du hast sie leider überall sitzen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
