Ein Fadenkreuz und das Wort „Nazi-Zone“, „1312“ oder „III.“: im Emscherland auf der Grenze zwischen Recklinghausen und Castrop-Rauxel wurde eine Infotafel beschmiert. Den Parolen nach, wohl von Rechtsextremen. Doch was bedeuten die rechten Codes?
Manche der Schmierereien sind auch für den Laien schnell als rechtsextrem zu erkennen – etwa das Wort „Nazi-Zone“ mit dem Fadenkreuz direkt daneben. Die extremen Rechten verfolgen bereits seit den 1990er Jahren die Strategie, „national befreiten Zonen“ zu schaffen und unter andersdenkenden Angst zu verbreiten: „Es genügen einschlägiges Auftreten oder auch nur Graffitis, Aufkleber und Plakate, die an prägnanten Orten angebracht sind, um Bedrohungspotential freizusetzen“, erklärt die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung die mögliche Motivation hinter den Schmierereien. 2000 wurde „National befreiten Zone“ sogar zum Unwort des Jahres gekürt. Im vergangenen Jahr wurde auch der Bahnhof in Dortmund-Bövinghausen mit den Worten „Nazi Zone“ und „NS Zone“ besprüht.
Hass auf Polizei und die Antifa
Andere Parolen auf der beschmierten Tafel enthalten Abkürzungen und sind nicht so leicht zu entziffern. Am wohl einfachsten fällt den meisten Laien wohl noch die Deutung der Codes „ACAB“ und „1312“, die beides das Gleiche meinen. Denn die Zahlen entsprechen der Position der Buchstaben im Alphabet (A=1, C=3, A=1, B=2) und meinen den Spruch „All Cops are Bastards“. Die wohl gängigste, freie Übersetzung lautet in etwa „Alle Bullen sind Schweine“. Doch es gibt auch andere, in denen nicht der einzelne Polizist beleidigt, sondern das System der Polizei kritisiert wird. „Bastard“ leitet sich dann von dem Begriff „bastardized“ (auf deutsch etwa „verfälscht“) ab.

Neben der Polizei ist auch die Antifa (Antifaschistische Aktion) erklärter Gegner der extremen Rechten. Der Verfassungschutz schreibt: „Der Begriff Antifaschismus ist umstritten, eine einheitliche Definition kaum möglich. Für die einen ist Antifaschismus ein demokratisches Grundprinzip, für die anderen ein linksextremistischer Kampfbegriff.“ Letztes ist auch die Sichtweise der Rechtsextremen auf der anderen Seite des Spektrums. Die Worte „AFA jagen“ und „FCK AFA“ - wobei „FCK“ für „Fuck“ steht - richten sich gegen die Antifa, die hier mit „AFA“ abgekürzt wird. Ähnlich wie bei ACAB und 1312 lässt sich auf AFA codieren. Ist 161 zu lesen, ist meist die Antifa gemeint, bei 1161 wiederum eher „Attack Antifa“.
III. Weg – radikaler als die NPD
Bleiben neben den Schriftzug RWE – der den Stickern auf der Rückseite der Infotafel nach zu urteilen wohl auf den Fußballverein Rot Weiss Essen verweist und ohnehin in einer anderen Farbe mit einem anderen Stift geschrieben worden sein dürfte – noch zwei Codes. Beide stehen ganz oben über dem Luftbild der Emscher-Terrassen auf der Tafel. Dort ist „NRJ“ zu lesen und „III.“, wobei unter den drei Strichen ein Halbkreis verläuft, sowas man es leicht für einen Smiley halten könnte.

„III.“ dürfte allerdings eher für die rechtsextreme Kleinpartei „Dritter Weg“ stehen, deren Logo die römische Zahl 3, also „III“ oder „III.“ zeigt. Die Partei wurde 2013 gegründet und versteht sich laut Bundeszentrale für politische Bildung „als radikale Alternative zur NPD“. Das Programm sei stark völkisch, neonazistisch und nationalrevolutionär geprägt. Die Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Laut dem Baden-Württembergischen Verfassungsschutz gab es bundesweit 2023 etwa 800 Anhänger. Einer der vier Landesverbände liegt in NRW, hier soll es rund 40 Anhänger geben. Im aktuellen Rechtsextremismus-Bericht schreibt der Verfassungsschutz: „Ihren Fokus legte die Partei 2023 verstärkt auf die Nachwuchswerbung. Dafür wurde die ‚Nationalrevolutionäre Jugend‘ (NRJ), die Jugendorganisation der Partei ‚Der III. Weg‘, strukturell weiter ausgebaut.“
Damit dürfte auch klar sein, wofür das „NRJ“ auf der Infotafel im Emscherland steht. Weiter heißt es im Verfassungsschutzbericht: „Die Kontaktanbahnung erfolgt dabei sowohl bei tatsächlichen Treffen als auch niederschwelliger über diverse soziale Medien. Insbesondere TikTok wird zunehmend für die Verbreitung von Propagandaclips der NRJ und von ‚Der III. Weg‘ genutzt.“
Die Polizei ermittelt
Die Emschergenossenschaft erklärte auf Anfrage der Redaktion, die Schmierereien im Emscherland anzeigen zu wollen. Im vergangenen Juni wurde in Castrop-Rauxel bereits eine Hauswand mit der Nazi-Parole „Deutschland erwache“ besprüht. Zum Wahltag im Februar wurde die Bergmann-Statue im Ickerner Kreisverkehr in eine Nazi-Kluft mit Hakenkreuz-Binde und Lederjacke gehüllt. Nach beiden Taten ermittelte anschließend der Staatsschutz, der für die Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität zuständig ist. Auch im aktuellen Fall sei wohl wieder der Staatsschutz zuständig, erklärte die Pressesprecherin der Polizei im Kreis Recklinghausen, Pia Weßling.
„Die in Nordrhein-Westfalen erfassten Straftaten im Phänomenbereich PMK-rechts stiegen mit einem Gesamtaufkommen von 5.641 Straftaten im Vergleich zum Vorjahr stark an. 2023 erfasste die Polizei 3.549 Straftaten“, heißt es im Verfassungsschutz Bericht NRW 2024 zum Thema Rechtsextremismus: „Propagandadelikte und Volksverhetzungen machen mit 78 Prozent den überwiegenden Anteil der Straftaten im Phänomenbereich PMK-rechts aus.“ Auffällig sei der starke Anstieg der Tatverdächtigen in der Altersgruppe der 14 bis 17-Jährigen, der sich um 187 Prozent auf 287 Verdächtige erhöht hat.
Schmierereien werden entfernt
Ilias Abawi, Pressesprecher von Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV), deren Infotafel die rechtsextremen Schmierereien trafen, erklärt: „Es passiert nicht häufig, aber es war auch nicht das erste Mal.“ Es werde „alles Mögliche“ auf Gegenstände der Emschergenossenschaft geschrieben, geritzt oder gesprüht. Erst am Montag sei er über eine islamfeindliche Schmiererei auf einer Rohrleitung in Dorsten informiert worden. Eine Häufung habe der EGLV-Pressesprecher aber nicht wahrgenommen. „In der Regel zeigen wir jeden Vandalismus an.“ Sei die Anzeige aufgenommen, beseitige man nun zeitnah die Schmierereien. Dabei sei es egal, ob es eine Nazi-Parole oder eine gut gemeinte Liebesbotschaft geschrieben wird, eine Anzeige gebe es immer, da Schäden und Kosten entstehen.

Trotzdem erklärt Abawi, dass sich der Wasserverband „überdeutlich gegen Demokratiefeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus“ stelle – und verweist auf die eigene NS-Vergangenheit, die Emschergenossenschaft und Lippeverband durch Historiker der Ruhr-Universität Bochum aufarbeiten lassen haben.