
Selim Korkutan, Sprecher der Grünen Jugend, würde einen öffentlichen Muezzin-Ruf in Castrop-Rauxel befürworten. © Tobias Weckenbrock
Muezzin-Ruf-Berichte: „Konzept der Integration funktioniert so nicht ganz“
Stellungnahmen
Unsere Berichte und ein Kommentar über den Muezzin-Ruf haben in Castrop-Rauxel zu weiteren Meinungsäußerungen geführt. Die Rede ist von Integration, Assimilation, einem Geben und Nehmen.
Am Freitag (14.10.) wurde erstmals ein Gebetsruf des Muezzin in einer großen Moschee in Köln-Ehrenfeld nach draußen übertragen. Dazu hatte die Ditib-Gemeinde Lautsprecher aufgehängt, den Schall aber abgeschirmt. Das Aufgreifen der Fragestellung, wie Moschee-Gemeinden und Muslime in Castrop-Rauxel das Thema sehen, sorgt nun für eine Debatte.
In unserem Bericht kamen zwei Muslime aus zwei Gemeinden in Castrop-Rauxel und die Stadtverwaltung zu Wort. Unisono hieß es: nicht geplant, nicht beantragt. Adil Tamouh aus Habinghorst sagte, er sei sogar dagegen. „Brauchen wir nicht“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.
In Köln ging die Initiative wohl von Oberbürgermeisterin Henriette Reker aus, berichtete ein Gemeindevertreter „Focus online“. Sie hatte demnach gesagt, die Stadtbevölkerung sei nun so weit, das zu akzeptieren, was man als Glockengeläut in der Kirche in Deutschland seit jeher kennt: einen Ruf zum Gebet in der Moschee, in erster Linie zum für den Islam wichtigen Freitagsgebet.
„Zeitung meint Assimilation“
Machen es die Muslime in Castrop-Rauxel besser, weil sie auf den öffentlichen Gebetsruf verzichten, der in der Nachbarschaft als störend empfunden werden könnte? „Wenn die Zeitung von gelungener Integration spricht, meint sie eine Assimilation in die abendländisch-christliche Kultur“, meint Selim Korkutan, selbst Muslim und Sprecher der Grünen Jugend, für die er eine Stellungnahme formulierte.
„Das Konzept der Integration funktioniert so nicht ganz“, meint Korkutan. „Integration meint ein Geben und Nehmen. Oder besser gesagt: Eine Gesellschaft, in der man von ‚gelungener Integration‘ spricht, meint: Die Kulturen lernen voneinander, interessieren sich füreinander und verstehen sich untereinander.“
Auch wenn der Muezzin-Ruf anfangs irritieren könne, werde es bald niemanden mehr stören. „Wie zum Beispiel in Düren“. Dort rufe der Muezzin die Muslime dreimal täglich zum Gebet, so Korkutan. „Die Bevölkerung Dürens stört das nicht mehr.“
„Moscheen sind immer voll“
Gebe es in Deutschland den Muezzin-Ruf, sei das ein gebotenes Zeichen von Respekt: gegenüber Muslimen, „die einen großen Bestandteil unserer Gesellschaft darstellen“. Moscheen seien immer voll, zum Freitagsgebet sogar überfüllt. „Es ist ein Zeichen des Respekts ihre Religionsfreiheit und dem Recht zur freien Religionsausübung (Artikel 4; Grundgesetz) zu gewährleisten und zu unterstützen.“ Man müsse nicht mit dem Finger auf Länder zeigen, die weniger tolerant, menschlich und demokratisch seien.
Auch Leser Jürgen Beineke sieht das so: „Gelungene Integration würde sowohl das Glockengeläut von St. Lambertus als auch den öffentlichen Muezzin-Ruf akzeptieren“, meint er in einer Zuschrift.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
