Der Austritt von Ursula Mintrop-Werkle aus der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen stellt die Partei und mit ihr auch die Koalition in Castrop-Rauxel vor Probleme. Vier Sitzungen soll der Stadtrat eigentlich bis zum Ende der Ratsperiode vor der Kommunalwahl 2025 noch haben, erklärt Bürgermeister Rajko Kravanja. Doch es gibt ein Mehrheits-Problem.
Zwar besteht faktisch noch eine Koalitions-Mehrheit mit der Stimme des Ratsvorsitzenden Kravanja von 27 zu 26. Aber in den Fachausschüssen, oft besetzt mit 19 Personen, ist das nun schwieriger. Es könnte sein, dass die Koalition dort trotz geschlossener Reihen von SPD und Grünen bei Abstimmungen keine Mehrheit mehr zusammen bekommt. Zwar werden Abstimmungen in der Regel erst mit der Ratsmehrheit rechtsgültig, da die Fachausschüsse nur vorberaten und vorbeschließen. Aber dennoch kann man nun eigene Vorhaben nicht mehr ganz so glatt durchbringen wie bisher.
Bürgermeister Kravanja dazu im Gespräch mit unserer Redaktion: „Formal nimmt Frau Mintrop-Werkle ihre Ausschüsse auch mit.“ Anders als Notburga Henke, die 2021 im Zuge einer verweigerten Maskenpflicht und von Corona-Uneinigkeiten aus der grünen Fraktion ausgeschlossen wurde. „Sie hat damals alle Ämter in den Ausschüssen niedergelegt, behielt aber ihr Ratsmandat“, so der Vorsitzende.
Eine Option sei nun, dass der Rat für die letzten geplanten vier Ratssitzungen „rein theoretisch noch mal alle Ausschüsse auflösen und ein neues Spiegelbild des Rates bei der Besetzung der Ausschüsse bilden könnte“, erklärt Kravanja. Die Ausschüsse sollten schließlich eigentlich ein Spiegelbild des Rates sein, sodass es keine Zufallsmehrheiten im Ausschuss gebe, die dann später im Rat zurückgeholt werden könnten. Doch das, so der Bürgermeister, sei „rein theoretisch“. Der Aufwand wäre groß, der Besetzungsschlüssel ist relativ komplex.

„Die rot-grüne Koalition verfügt weiterhin über eine Mehrheit im Rat der Stadt. Deshalb wird sie auch ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen“, sagt SPD-Fraktions-Chef Daniel Molloisch als Reaktion auf den Austritt von Mintrop-Werkle. Es wirkt nicht so, als peile man an, das Ausschuss-Thema neu aufzurollen. Er finde, man arbeite „mit Unterbrechungen seit 20 Jahren mit den Grünen zusammen. Das zeigt, dass wir uns in der Koalition gegenseitig vertrauen“.
Er könne für sich und die SPD sagen, „dass ich mit ganz vielen Mitgliedern aus der Grünen Fraktion sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet habe und auch aktuell zusammenarbeite“. Die Kritik von Mintrop-Werkle, das Vorankommen der Koalition bei Umwelt-Themen sei nicht weit genug, lässt Molloisch nicht gelten. „Wir müssen uns daran messen, was wir uns als Koalition für diese Wahlperiode vorgenommen haben.“ Bei der Energiewende habe man mit den Stadtwerken die Ziele erreicht (Ausbau Windenergie, Freiflächenphotovoltaik). Beim Klimawandel habe man wichtige Anpassungen an aktuelle und zukünftige Erfordernisse geschafft, Stichwort Schwamm-Stadt-Konzept und Beratung für Starkregen-Ereignisse. Die Verkehrswende werde mit den ersten Fahrrad-Straßen in Planung und bald 100 Ladesäulen im Stadtgebiet für E-Autos umgesetzt.
Einladung von Kemna und Liedschulte
Mintrop-Werkle hatte für ihr letztes Jahr im Stadtrat (bei der Wahl 2025 will sie nicht wieder antreten) angekündigt, sich weiter für die Bereiche Umwelt- und Klimaschutz, Energie- und Verkehrswende einzusetzen. Dafür müsse sie nicht Teil der Fraktion der Grünen sein.
Stattdessen erhielt sie am Montag (4.11.2024) eine öffentliche Einladung: Die beiden Ratsherren von „Die Partei“, Andreas Kemna und Marcus Liedschulte, schrieben einen offenen Brief. „Wir haben ein Angebot für dich, das du eigentlich unmöglich ablehnen kannst: Komm doch in unsere Fraktion“, hieß es, inklusive absoluter Freiheit von Fraktionszwang oder -disziplin „und obendrein noch einen Platz im Ausschuss für Klima und Umweltschutz“.
Kemna weiter: „Deine Fachkompetenzen im Bereich Realsatire würden richtig gut in unser Portfolio passen (...) Wir erkannten schon damals dein Potenzial, das du in deiner bisherigen Fraktion mit all ihren Spaßbremsen nie wirklich ausleben konntest. Nun endlich hast du erkannt, dass eine Koalition eben auch Kompro-Mist ist.“

Ursula Mintrop-Werkle zog 2020 über die Liste der Grünen erstmals in den Stadtrat ein. Seit 2014 engagiert sich die Obercastroperin bei den Grünen. Erst war sie Sachkundige Bürgerin im Betriebsausschuss 1. 2017, nach ihrem Ruhestand, nahm sie sich noch mehr vor und zog nach der Kommunalwahl 2020 durch ein gutes Ergebnis der Grünen in den Stadtrat ein. Neben dem B1-Ausschuss (Kultur, Ordnung, Ausländerwesen und Feuerwehr) besetzt sie seither Sitze auch im B3-Ausschuss (Bauen, Verkehr und Sport) und im Ausschuss für Klima- und Umweltschutz.
Am 29.10.2024 verkündete sie ihren Austritt aus der Grünen Fraktion aufgrund eines „massiven Vertrauensbruchs“, wie sie schrieb. Auf Nachfrage sagte sie, der Vertrauensbruch der SPD habe darin bestanden, eigenmächtige Veränderungen an gemeinsamen Beschlüssen von SPD und Grünen durchgeführt zu haben. Welche Veränderungen es waren, wolle sie zum aktuellen Zeitpunkt nicht benennen. Auch SPD-Fraktionschef Molloisch und die Grünen-Spitze konnten oder wollten auf Nachfrage nicht benennen, welche Beschlüsse und Änderungen sie meint.