Das Architekturbüro Reicher Haase Assoziierte beschäftigte sich intensiv mit der Frage, was man aus dem Stadtmittelpunkt machen kann. Dieser Plan ist eine Option: die Errichtung eines "Rathauses der Bürgerschaft" neben der Europahalle.

Das Architekturbüro Reicher Haase Assoziierte beschäftigte sich intensiv mit der Frage, was man aus dem Stadtmittelpunkt machen kann. Dieser Plan ist eine Option: die Errichtung eines "Rathauses der Bürgerschaft" neben der Europahalle. © RHA

Millionen-Pläne für Castrop-Rauxeler Rathaus der Bürgerschaft konkreter

rnRathaus-Sanierung

Wenn ein Begründungsschreiben der Stadtverwaltung 17 Seiten hat, ist das ein Zeichen für die Größe des Projektes. Politiker haben das nun auf dem Tisch. Es geht um Hunderte Millionen Euro.

Castrop-Rauxel

, 31.08.2022, 12:32 Uhr / Lesedauer: 3 min

Im Jahr 2029 soll es fertig sein. Wenn es überhaupt gebaut wird. Es könnte die Stadt bis dahin rund 20 Millionen Euro kosten und den Steuerzahler weitere 8 Millionen Euro öffentliche Fördermittel. Es könnte aber auch 33,8 Millionen Euro kosten. Und eigentlich, wenn man es genauer betrachtet, geht es um noch viel mehr Geld.

Die Rede ist vom „Rathaus der Bürgerschaft“ und vom Stadtmittelpunkt Castrop-Rauxel. Es ist eine Idee, die aus der Not heraus geboren wurde: Denn wenn man den Berechnungen von Gutachtern Glauben schenken darf, steht bald eine Sanierung des Rathaus-Komplexes mitsamt der Stadt- und der Europahalle von 114,5 Millionen Euro an. Die Kosten für den Neubau kämen noch dazu. Bilanziell geht es für die kommenden 25 Jahre um eine Größenordnung von bis zu 180 oder sogar 260 Millionen Euro.

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Die Zahlen wirken wie aus einer anderen Welt. Eine Stadt mit 74.000 Einwohnern kann solche Beträge für ihr Rathaus und das, was zum Komplex gehört, wohl schlicht nicht aufbringen. Eine Stadt mit einem „Paket“ aus der industriellen Zeit und dem Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte. Eine Stadt mit einem Schuldenberg.

Der Plan von der 100.000-Einwohner-Stadt

Aber es gibt ja diesen Stadtmittelpunkt, in den 1960er-Jahren geplant und 1971 erbaut, für eine auf 100.000 Einwohner anwachsende Bindestrich-Stadt im Ruhrgebiet, die aus einem Nord- und einem Südteil besteht, mit der A42 mitten hindurch. Und der Stadtmittelpunkt ist marode. Seit Jahren stockt die Sanierung, weil die Stadt nur noch das nötigste Geld ausgibt, um zu reparieren, was wirklich kaputt geht. Aber der Bedarf wäre viel größer. Manch einer empfiehlt die Abrissbirne.

Aber der Komplex wurde erst kürzlich ausgezeichnet als ein „Big Beautiful Building“. Unzweifelhaft ein architektonisches Kunstwerk. Nicht jeder findet das schön, aber markant ist es allemal und vor dem Abriss als Baudenkmal gesetzlich geschützt.

Was also tun? Es gibt zunächst zwei Optionen:

In der einen Variante würde das Rathaus von Grund auf saniert. In der Zeit müsste die Stadt Ausweichmöglichkeiten für die Mitarbeiter schaffen und natürlich auch alternative Anlaufstellen für die Bürgerinnen und Bürger. Die Gutachter würden diese Variante bevorzugen, weil der Wert des Rathauses hinterher höher wäre und die Stadt insgesamt besser dastehen würde.

Das große Aber: Die hohen Kosten von mehr als 100 Millionen Euro, die die Stadt wie geschildert kaum oder gar nicht stemmen kann.

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Stefan Brenk, Bereichsleiter Kämmerei im Rathaus Castrop-Rauxel, erklärt, warum man sich für die Null-Variante mit Neubau stark macht.

Stefan Brenk, Bereichsleiter Kämmerei im Rathaus Castrop-Rauxel, erklärt, warum man sich für die Null-Variante mit Neubau stark macht. © Tobias Weckenbrock

Für diese Variante gibt es verschiedene Optionen, wie man den Betrieb parallel aufrecht erhielte:

  • Man könnte ein „Rathaus der Bürgerschaft“ neu bauen, so Platz schaffen im Altbau für eine Teilsanierung, die dann von Block zu Block weiter ziehen könnte. Der Neubau könnte auf dem südlichen Zipfel, auf der Wiese neben der Europahalle, entstehen. In der Ensemble-Planung von Architekt Arne Jacobsen war hier ohnehin noch eine Leerstelle (18 Millionen Baukosten, davon evtl. 8 Millionen Euro Fördergeld).
  • Man könnte Container mieten, um Teile der Belegschaft vorübergehend auszugliedern (Mietkosten rund 5 Millionen Euro), und im und am Gebäude selbst ein „Rathaus der Bürgerschaft“ nach neuem Konzept errichten.
  • Man könnte die Service-Dienstleistungen für die Bürger in die Altstadt verlagern. Das City Center Castrop, der alte Hertie-Komplex, könnte sich dazu anbieten. Dort stehen 3500 Quadratmeter Bürofläche und Parkhaus-Stellplätze leer. Die Stadt favorisiert aber eher das Dieze im Erin-Park. (Mietkosten für beide Modelle nicht beziffert)

Die zweite Variante wäre die sogenannte Null-Variante. Das heißt konkret: Es würde weiterhin nur das saniert, was wirklich akut anfällt. Tropft es durch die Decke, wird das Loch geflickt. Aber nicht das ganze Dach erneuert. Das Rathaus würde damit an Wert verlieren, Räume wären weniger komfortabler, der energetische Zustand schlechter.

Aber es würde weniger Geld kosten. Konkret rechnet die Stadt mit 30 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren plus den Kosten für einen Neubau, der auch dann fällig würde. Dieser wird wohl mit 28 Millionen Euro zu Buche schlagen, von denen das Land 8 Millionen aus einem Fördertopf übernähme.

Verwaltung folgt Empfehlung der Gutachter nicht

Die Verwaltung empfiehlt die sogenannte Null-Variante, abweichend vom Ergebnis der Gutachter. Und zwar hauptsächlich wegen der hohen Kosten der Grund-Sanierung.

Entscheiden muss das am Ende die Politik . Der Haupt- und Finanzausschuss hörte am Dienstag (30.8.) Vorträge darüber. Am Donnerstag (1.9.) im Stadtrat könnte das Thema auch aufkommen. Entschieden werden soll es aber erst bei einer Sonder-Ratssitzung am 29. September (17 Uhr).