Miese Wahlbeteiligung in Castrop-Rauxel – aber die Stichwahl brauchen wir

© Nina Dittgen

Miese Wahlbeteiligung in Castrop-Rauxel – aber die Stichwahl brauchen wir

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Die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl um das Bürgermeister-Amt war miserabel. Wer sie aber abschaffen will, macht es sich zu leicht – und befördert die Hinterzimmer-Demokratie. Ein Kommentar.

Castrop-Rauxel

, 28.09.2020, 20:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Auf diese Stichwahl hatten die Castrop-Rauxeler keine Lust – und das haben sie allen auch gezeigt: Weniger als 30 Prozent konnten sich noch mal zur Wahl aufraffen, um Bürgermeister Rajko Kravanja am Sonntag im Amt zu bestätigen. Zu groß war Kravanjas Vorsprung aus dem ersten Wahlgang, zu gering die Chancen, dass sich daran noch was ändern sollte.

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Doch deshalb nun eine Abschaffung der Stichwahl zu fordern, ist verfehlt. Das Problem wäre nicht die Wahl selbst, sondern das, was vorher passiert.

Nehmen wir das Beispiel Castrop-Rauxel: Im Glauben, dass Rajko Kravanja im ersten Wahlgang zwar die meisten Stimmen, aber keine absolute Mehrheit holen würde, stellten CDU und FDP eigene Kandidaten auf. Die Grünen taten sich mit zwei weiteren kleineren Parteien zusammen, entschieden sich aber nicht zwischen SPD und CDU. Gewinner waren die Wählerinnen und Wähler, die aus fünf Kandidaten ihren Lieblingsbürgermeister aussuchen konnten.

Keine Stichwahl = andere Kandidaten

Es wäre naiv, anzunehmen, dass ohne die Aussicht auf eine Stichwahl die gleichen fünf Kandidaten angetreten wären. Hinterzimmer-Gespräche wären bis zu einer Festlegung auf einen gemeinsamen Kandidaten vorangetrieben worden. Gespräche, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommen hätte.

Am Ende wäre den Castrop-Rauxelern wahrscheinlich neben Kravanja und neben Mario Rommel ein gemeinsamer Kandidat von vier oder fünf Parteien präsentiert worden, der während des ganzen Wahlkampfes auf einer Kompromiss-Linie hätte manövrieren, der sich hätte verbiegen müssen. Im Sinne einer funktionierenden Demokratie wäre das nicht gewesen.

Noch eher als in Castrop-Rauxel erschließt sich der Sinn einer Stichwahl in Lünen (wo der Sieger den ersten Wahlgang als Zweiter abgeschlossen hatte) oder in Dortmund, wo die Woche vor der Stichwahl die spannendste des ganzen Wahlkampfes war.

Gefahren haben sich in Frankreich gezeigt

Am Ende sei noch auf eine Gefahr einer Wahl ohne Stechen hingewiesen, die sich Anfang des Jahrtausends fast in unserem Nachbarland ereignet hätte: Bei der französischen Präsidentschaftswahl 2002 fehlten dem Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen im ersten Wahlgang gerade einmal drei Prozentpunkte, um mehr Stimmen als jeder andere Bewerber zu holen.

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Das Feld der anderen Kandidaten war so zersplittert, dass 19 Prozent für Rang 1 reichten, Le Pen kam auf 16. Man stelle sich vor, wie nah Le Pen ohne Stichwahl an der Präsidentschaft gewesen wäre... In der Stichwahl unterlag er mit 18 zu 82 Prozent, weil sich alle Demokraten hinter Chirac vereinigten.

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