Massenschlägereien in Essen und Castrop-Rauxel Polizei nahm Personalien von 462 Beteiligten auf

Massenschlägereien: Polizei nahm Personalien von 462 Beteiligten auf
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Kontrolliert wurden 462 Personen und 76 Autos. Dabei wurden 161 Gegenstände sichergestellt. Darunter waren unter anderem 43 Messer und eine Maschinenpistole. Es gab zwei vorläufige Festnahmen, 41 kurzfristige Ingewahrsamnahmen, Hunderte Platzverweise und Bereichsbetretungsverbote. 9000 Euro Bargeld wurde sichergestellt. 37 Strafanzeigen wurden bis heute gefertigt. „Das kann aber noch mehr werden.“ Diese Zahlen und Bilanz nannte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwochmorgen im Innenausschuss des Landtages NRW.

Über 700 Polizeibeamte seien seit Dienstag (13.6.2023), als in Castrop-Rauxel ein Streit unter Kindern zu einer Familien-Fehde auswuchs, im Einsatz gewesen.

Wie kann so etwas passieren? „Da kann ich noch keine abschließende Beurteilung abgeben“, so Reul in der Sondersitzung, die nur zwei Tagesordnungspunkte hatten. „Die Zusammensetzung der Gruppen ist noch nicht abschließend geklärt, aber eine libanesisch-türkischstämmige Gruppe und Syrer sind beteiligt“, sagte Reul.

Es habe eine enorme Mobilisierung über digitale Medien und Chatgruppen stattgefunden. „Wir haben es mit einer Pulverfassmentalität und einem Konflikt zu tun, der auf den Straßen deutscher Großstädte nichts zu suchen hat. Nicht alles findet als organisierte Kriminalität in den Hinterzimmern statt, aber es gehört zur Clankriminalität dazu.“

„Die neue Konfliktpartei der Syrer“

Die Vorfälle seien Anlass genug, auch andere Strukturen unter dem Phänomen im Blick haben müssen, auch „die neue Konfliktpartei der Syrer“, so Reul: „Es könnte Sinn machen, sie genauso eng zu überwachen wie die anderen Clans. Wir müssen unsere Schlüsse daraus ziehen.“

Das Landeskriminalamt werde alles genau analysieren und zusammen mit den Kreispolizeibehörden Ansätze entwickeln. Reul: „Wer Familienstreits mit Waffen beenden will, der wird damit rechnen können, dass die Polizei das ganz schnell beendet. Wir treten dieser Gewalt klar entgegen. Die Nulltoleranz-Strategie wird hier durchgezogen.“

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen kommt am 21.6.2023 zu einer Sondersitzung des Innenausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags.
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen kommt am 21.6.2023 zu einer Sondersitzung des Innenausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags. © dpa

Hinweise auf Verbindungen von Castrop-Rauxel, wo sich auch am Freitag eine Menschenansammlung mit über 100 Personen entwickelte, entstanden, als mehrere Fahrzeuge über Autobahnen nach Essen flüchteten. Die Polizei verfolgte sie bis dorthin und habe sie kontrolliert. Auch in Gelsenkirchen habe es Personenansammlungen gegeben. „Das sieht für mich nicht nach Zufall aus, zumal es auch Aufrufe ‚Kommt nach Essen‘ im Internet gab“, so Reul.

Am Samstag habe es wieder Hinweise auf eine Fortsetzung gegeben. „Es sollten sich 80 bewaffnete Syrer von Gelsenkirchen in Richtung Essen bewegen. In Essen wurde die Präsenz hochgefahren. Es wurden mehrere Fahrzeuge mit syrischen und libanesischen Insassen kontrolliert. Es wurden wieder Baseballschläger gefunden.“

Der 23-jährige Syrer, so Reul, der von Messerstichen im Bauchraum verletzt wurde, sei zurzeit außer Lebensgefahr.

Daraufhin entbrannte eine lebhafte Debatte. Die CDU-Politiker im Innenausschuss verteidigten die Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden gegen Angriffe aus Reihen der SPD, die Reul vorwarf, zu wenig getan zu haben. „Ihre Politik der tausend Nadelstiche hat offensichtlich nicht verfangen“, sagte Christina Kampmann (SPD). „Wo sind wir unter einem CDU-geführten Innenministerium gelandet?“, frage die Oppositions-Sprecherin.

Die SPD habe jahrzehntelang die Augen dagegen verschlossen, lautete die Gegenrede von Landtagsmitglied Gregor Golland. Erst die CDU habe Entschlossenheit im Kampf gegen die Clankriminalität gezeigt. Das habe zur Folge, dass Innenminister Reul in Umfragen der beliebteste Regierungsvertreter in NRW sei und die SPD bei 20 Prozent liege, weil sie „die Probleme der normalen Arbeiter im Ruhrgebiet nicht ernst nehmen. Machen Sie so weiter, dann liegen sie bald unter 20 Prozent. Wir haben das Problem benannt und wurden aus der Opposition dafür angefeindet“. Die Mehrheit der hier lebenden Ausländer seien anständig, die wollten das auch nicht, sagte er.

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