Solarpionier Markus Lieder mit Energieexpertin Anke Hormel im Garten seines komplett mit Photovoltaikanlagen bestückten Reihenhauses in Henrichenburg. Mit dem Solarstrom lädt er auch sein E-Auto. © Thomas Schroeter

Solarpionier nutzt Sonnenstrom für sein E-Auto

Markus Lieder hat sein Reihenhaus zum Sonnenkraftwerk umgebaut

Solarmodule auf das Dach packen, einen schönen Batteriespeicher in den Keller setzen und eine Ladestation in der Garage installieren: Fertig ist die Stromtankstelle für das eigene E-Auto. Markus Lieder aus Castrop-Rauxel zeigt, wie es geht.

Castrop-Rauxel

, 07.06.2018 / Lesedauer: 8 min

Ein paar Daten vorweg

53.861 Elektro-Autos sind derzeit in Deutschland zugelassen, bei einem Fahrzeugbestand von rund 56,5 Millionen Fahrzeugen macht die E-Antriebsart inzwischen also gerade einmal einen Anteil von 0,1 Prozent aus. Die Tendenz ist zwar rasch steigend. Zum Vergleich aber sei Norwegen angeführt: Dort fährt inzwischen fast jedes zweite Auto elektrisch: 47,9 Prozent der norwegischen Autos sind Stromer. Zukunftstraum.

Ob und wann ein solcher Marktanteil hierzulande erreichbar sein kann, ist fraglich. Nicht so schnell, wie es sich die damalige Bundesregierung 2008 gewünscht hatte. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gab damals das Ziel aus, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bringen. Und bis 2030 sollten laut SPD-Mann Gabriel schon zehn Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen rollen. Zukunftsmusik.

Die nötige Infrastruktur muss her

Eine solche Menge an Strom-Autos benötigt aber auch entsprechende Infrastruktur. Also genügend Ladesäulen, an denen die Fahrzeuge in überschaubarer Zeit aufgetankt werden können. Und so manche Experten fürchten zudem, dass das Stromnetz auf Elektroautos in großer Menge nicht vorbereitet sei. Steige die Zahl der batteriebetriebenen Autos über eine bestimmte Zahl (die Unternehmensberatung Oliver Wyman führt da eine E-Auto-Quote von 30 Prozent an, also etwa 17 Millionen Autos), könne das zu Überlastungen führen. Zukunftsprobleme.

Als E-Auto-Fahrer geht es nicht nur um die Verfügbarkeit einer Ladesäule zum nötigen Zeitpunkt. Es geht natürlich auch ums Geld. Und um den Umweltgedanken. Denn ein E-Auto ist in der Anschaffung teuer, verbraucht aber viel weniger Energie als ein Benziner oder Diesel.

Der Strom dazu kommt nicht einfach so aus der Steckdose, sondern muss produziert werden. Auch Elektroautos verpesten heute also die Umwelt, indirekt. Denn sie beziehen ihre Energie aus dem sogenannten Strommix. Der besteht in Deutschland auch aus Strom, der aus Kohlekraftwerken stammt.

Jetzt fängt die Geschichte richtig an

Und genau an dieser Stelle kommen wir nun zu Markus Lieder und seiner Familie, die in Henrichenburg ein Reihenhaus bewohnt. Lieder ist Chemikant bei Rütgers, hat drei Kinder und eine große Vision: stromtechnisch möglichst unabhängig sein. Selbst mit seinem E-Auto vor der Tür als Familienkutsche, einem Nissan Leaf. Und so hat Lieder angefangen, die Sache mit dem Strom selbst in die Hand zu nehmen. Er wurde zu einem Pionier in Sachen „Sonne in den Tank“.

Lieder erzählt das so: „2005 haben wir hier das Haus gebaut, 2014 hatten wir dann einen Bausparvertrag fällig und haben überlegt, was wir mit dem Geld sinnvoll tun könnten.“ Und so nahm die Solar-Leidenschaft ihren Anfang.

Erste Photovoltaik auf dem Süddach

Die Lieders ließen sich auf die gen Süden weisende Dachhälfte eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) bauen, maßen ihre Elektrogeräte im Haus aus und tauschten so manches Gerät nach und nach gegen sparsamere Varianten aus. Markus Lieder schaltete Steckerleisten vor Geräte, die im Standby-Betrieb Strom ziehen, rüstete die Beleuchtung an vielen Stellen auf LEDs um. „Da waren wir schon konsequent“, erinnert sich Lieder.

Auch die Gartenhütte und der Fahrradunterstand sind im Lieder-Garten mit Solarpanelen bestückt. Und auf der Terrasse steht noch eine mobile PV-Anlage. © Thomas Schroeter

Die Süddach-Anlage reichte Lieder schnell nicht mehr. Also versuchte er es mit einer kleinen PV-Anlage auf dem Norddach, experimentierte mit einem Windrad und eigenem Batteriespeicher (den er auch noch selber baute) aus Bleisäure-Batterien. Kommt er denn vom Fach, oder warum kann Markus Lieder so gut mit technischen Anlagen umgehen? „Ich wollte früher mal Elektroinstallateur werden, habe dann aber die Ausbildung als Industriemechaniker bei Rütgers bekommen. Da bin ich auch schon seit über 25 Jahren, habe in der Abendschule noch meinen Chemikanten gemacht. Aber das Thema Elektro hat mich immer beschäftigt, ich habe immer geschraubt und getan“, so Lieder.

Was machen denn andere Leute?

Das Windrad war kein Erfolg, die kleine Norddachanlage aber wurde erweitert. Lieders Überlegung: „Vormittags wird in der Familie relativ viel Strom verbraucht, wir benötigten also noch recht viel Fremdstrom.“ Also las er sich weiter in das Thema ein, suchte nach Vorbildern im Internet und stieß auf Leute, die ihre Norddächer auch mit PV-Anlagen bebaut haben. Das machen zu lassen, wäre dem Henrichenburger zu teuer geworden. Also stürzte er sich noch tiefer ins Thema und beschloss: „Das probiere ich einfach selber.“

Lieder schreitet selbst zur Tat

Und da Lieder gern macht, tat er es genau so. Die Norddach-Anlage baute er komplett selbst aufs Dach, installierte einen Wechselrichter dazu (ließ das alles aber natürlich von einer Fachfirma offiziell abnehmen). Die kleine PV-Anlage, die zuvor auf dem Dach war, wanderte in den Garten auf den Schuppen, der im Hause Lieder den Keller ersetzt.

Jedes Fitzelchen Dachfläche produziert bei den Lieders also Strom. Und selbst auf der Terrasse wird noch die Sonne angezapft. Dort hat Lieder eine mobile PV-Anlage stehen, deren Strom er ebenfalls ins Netz einspeisen kann.

Viel Spaß mit viel eigenem Strom

Klingt nach einem aufwenigen Hobby. Das sieht Lieder anders. Für ihn ist das mit viel Spaß verbunden. Das behauptet er, man hört es aber auch aus jedem Wort heraus. Er spricht mit einer Leidenschaft von seiner Anlage, die andere Menschen nicht einmal für ihre Frau entwickeln können. All das ist zugleich mit dem Ehrgeiz verbunden, möglichst viel Strom selbst zu produzieren.

Zudem hat er das Hobby inzwischen ein wenig professionalisiert. Er fragte bei seinem Arbeitgeber nach, ob er nebenbei ein bisschen als Selbstständiger in Sachen PV-Technik tätig werden dürfe. Der hatte nichts dagegen, und so betreibt Lieder nebenher inzwischen einen kleinen Onlineshop - und hat auch schon die ersten Aufträge für Kunden realisiert.

Batterien als Stromspeicher

Kein Wunder, denn der Mann schwärmt für sein PV-Ding, wirft mit technischen Details aus dem Handgelenk um sich. Die Bleisäurebatterien im Dachgeschoss sind Vergangenheit, sie sind längst durch modernere Bleigelbatterien als Zwischenspeicher für den eigenen Strom ersetzt worden. „Die werden auch in Wohnwagen verwendet“, erklärt er. „Sie gasen nicht aus.“ Standard auf dem PV-Markt aber sind heute die Lithium-Batterien. Früher noch sehr teuer, haben die sich durch rapide gefallene Preise als das Standard-Speichermedium durchgesetzt.

Unter dem Dach des kleinen Reihenhauses verbirgt sich die Steuerungstechnik der Solarstromanlage. Denn einen Keller gibt es nicht. © Thomas Schroeter

Im Idealfall sitzen die Speicherbatterien auch nicht auf dem warmen Dachboden, sondern im kühlen Keller. Denn Wärme mögen die Batterien nicht so gern. Da die Lieders aber keinen Keller haben, musste der Hausherr im Dachboden tätig werden. Er hat dafür gesorgt, dass der Raum möglichst kühl bleibt.

Ihm kommt zugute, dass die PV-Panele auf dem Dach für eine Beschattung der Dachfläche sorgen. Idealer aber wäre für die Batterien der kühle Keller und für möglichst hohen Sonnenertrag eine möglichst große PV-Anlage auf einem Süddach. „Die Norddach-Anlage produziert morgens zwischen 8 und 11 Uhr Strom, danach kommt nicht mehr wirklich viel“, gibt Lieder zu.

Und jetzt muss noch das E-Auto her

So. PV-Anlage steht, Strom wird produziert, im Haus verwendet und in Batterien gespeichert. Abends und nachts können die Lieders daraus einen großen Teil ihres Strombedarfs decken. 8440 Kilowattstunden (kWh) Strom produziert das kleine Reihenmittelhaus in Henrichenburg im Jahr. 2200 davon verbrauchen die Lieders, den Rest speisen sie gegen eine Vergütung von knapp 13 Cent ins öffentliche Netz ein. Sie müssen dafür in Zeiten, wo PV-Anlage und Batterie keine Leistung bieten, auf Strom aus dem Netz zurückgreifen. Früher musste man 4500 Kilowattstunden einkaufen, heute sind es heute nur noch 1500. Und das, und so kommen wir zum nächsten Schritt, trotz des neuen E-Autos.

2016 kaufte sich Markus Lieder nämlich den Nissan Leaf Tekna. Ein E-Auto mit genug Platz für die fünfköpfige Familie, einem Akku von 30 kWh und einer Reichweite von bis zu 250 Kilometern mit einer Stromladung. Vor dem Reihenhaus wurde also die private Stromtankstelle installiert. Gespeist natürlich in erster Linie von der PV-Anlage auf dem Dach.

Das Auto tankt vor dem Haus Solarstrom

Da Lieder für den Weg zu Rütgers kein Auto braucht, kann er den Nissan tagsüber zum Laden an sein Solarnetz anschließen. Vorteil: Er muss wenig Strom aus der Batterie und noch weniger aus dem Netz holen. Ergebnis: Für 10.500 Kilometer, die die Lieders 2017 mit dem Nissan gefahren sind, musste man gut 1800 kWh Strom laden. Das hätte man quasi komplett mit dem eigenen Strom bestreiten können, müsste der Wagen nicht bei weiteren Fahrten anderswo aufgetankt werden.

Vor dem Haus steht der Nissan Leaf, den Markus Lieder an der eigenen Stromtankstelle an der Hauswand beladen kann. © Thomas Schroeter

„Das ging natürlich bei der ersten weiten Fahrt sofort fast schief. Irgendwann standen wir auf der Landstraße mitten im Wald und die Stromanzeige zeigte Null an. Zum Glück haben wir es noch ins nächste Dorf geschafft, wo wir den Wagen allerdings an einer normalen Steckdose langsam laden mussten“, erinnert sich der 37-Jährige an den Beginn seiner E-Auto-Karriere.

Inzwischen ist das Handling mit den Reichweiten und dem rechtzeitigen Nachtanken kein Ding mehr, zumal das Ladestellen-Netz immer dichter wird. Und so rechnet der zufriedene E-Pionier vor, was er an Unkosten für das E-Auto-Tanken im Jahr hat: 162 Euro hat er 2017 für Autostrom ausgegeben. Ein vergleichbarer Benziner hätte 1139 Euro für Kraftstoff verschlungen.

Für die Verbraucherzentrale ist er ein Vorzeige-Mann

Kein Wunder, dass dieser begeisterte PV-E-Auto-Henrichenburger für die örtliche Verbraucherzentrale ein Vorzeige-Mann ist. Anke Hormel, Diplom-Ingenieurin und Energieberaterin des Teams an der Mühlengasse 4, sagt: „Wer vom Benziner oder Diesel auf ein E-Auto umsteigt, sollte sich auch Gedanken über eine eigene Solarstromanlage machen. Und andersrum: Wer eine PV-Anlage installiert, sollte sich überlegen, ob er nicht eine Anlage nimmt, die zukünftig kompatibel mit einer E-Auto-Stromtankstelle ist.“

Lieder ist dabei „wirklich der Pionier der Pioniere. Der macht ja alles selbst“, so Anke Hormel. Das muss man aber nicht. Es gibt viele Fachfirmen, die das alles übernehmen, dass man auch als kompletter Laie auf PV-Technik und E-Autoversorgung umrüsten kann.

Was hilft: Südausrichtung und ein kühler Keller

Ideal ist es, wenn man eine große Süd-Dachfläche zur Verfügung hat. Wenn man die mit einer modernen PV-Anlage ausstatte, dann noch die passende Infrastruktur mit Batteriespeicher im kühlen Keller und Ladestation am Haus oder in der Garage versehe und alle Komponenten intelligent steuere, könne man einen Solarstromanteil von rund 70 Prozent im E-Auto erreichen. Erste Eindrücke von den Möglichkeiten vermittelt Interessenten dabei der Solarrechner der Verbraucherzentrale.

Anke Hormel sagt: „Es hat sich gezeigt dass sich 2017 die Zulassungszahlen für E-Autos nahezu verdoppelt haben. Jeder spricht davon. Dazu kommt der Dieselskandal. Viele Leute machen sich also Gedanken über das Thema.“ Erst dann, wenn man das E-Auto auch mit Strom aus sauberer Energie, möglichst vom eigenen Dach, auftanke, so Hormel, „führt das aber auch dazu, dass das Auto selbst physisch mit weniger fossiler Energie fährt und nicht nur rechnerisch sauber unterwegs ist.“

Die 5 Tipps der Verbraucherzentrale

1. Solaranlage: Die Solaranlage sollte großzügig ausfallen, wenn Budget und Dachfläche es hergeben. Minimum sollte 1 Kilowatt Nennleistung pro 1000 Kilowattstunden bisheriger Jahresstromverbrauch sein. Bis zur Größe von 10 Kilowatt Leistung der Anlage gilt: je größer, desto besser.

2. Unabhängigkeit: Sonnenstrom direkt im Haushalt zu verbrauchen, spart Stromkosten und lohnt sich mehr als die Einspeisung von Strom ins Netz. Das gilt auch für die Stromnutzung für das E-Auto. Und: Je weniger Netzstrom Sie zukaufen, desto unabhängiger werden Sie. Und desto mehr Geld sparen Sie.

3. Batteriespeicher: Ein Speicher ist kein Muss, schafft aber mehr Sonnenstrom in den Tank. Ohne ihn steht die saubere Energie vom Dach nur bei Tageslicht zur Verfügung - ist das Auto zu der Zeit unterwegs, muss es später mit teurem Netzstrom laden.

4. Ladestation: 11 oder 22 Kilowatt Leistung - das ist eine zentrale Frage. Für beide Varianten fließen in NRW Fördermittel. Schneller geht das Laden mit 22 kW, mehr Solarstrom in den Tank bringt aber die kleinere Variante. Was möglich ist, hängt auch vom Stromnetz ab.

5. E-Auto: Wie weit Sie regelmäßig mit dem E-Auto fahren und wie viel Strom das gewählte Modell verbraucht, entscheidet mit über die Mindestgröße der Solarstromanlage. Durchschnittlich ist mit einem Verbrauch von 15 bis 24 Kilowattstunden pro 100 Kilometern zu rechnen. Ein Smart etwa verbraucht 13 kW, der neue Tesla Model 3 14,1 kW, ein VW E-Up! nur 11,7 kW und das Tesla-Spitzenmodell S P90D 23,3 kW.

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