
Mit Bus oder Bahn sollte es für den Geflüchteten nach Castrop-Rauxel gehen. Dabei lag bei ihm wohl ein Verdacht auf Tuberkulose-Infektion vor. © Mario Venzlaff / Pixabay
Land schickte Geflüchteten mit Tuberkulose-Verdacht nach Castrop-Rauxel
Flüchtlinge
Ob Geflüchtete krank oder gar ansteckend sind, wird normalerweise überprüft. Das Land schafft das zurzeit aber wohl nicht. Ein Mann mit TBC-Verdacht sollte allein nach Castrop-Rauxel fahren.
Wann werden Geflüchtete auf Infektionskrankheiten untersucht? Seit zwei Jahren spielt das Thema Infektionsschutz in unserem Leben eine so große Rolle wie lange nicht. Da verwundert eine Nachricht aus dem Landesministerium umso mehr, die auf eine Anfrage der Castrop-Rauxeler Landtagsabgeordneten Lisa Kapteinat (SPD) bekannt wurde.
Wie die WAZ am Montag zuerst berichtete wurde ein Flüchtling aus der Ukraine, der in einer Landesnotunterkunft war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Castrop-Rauxel geschickt, obwohl ein Verdacht auf eine offene Tuberkulose-Infektion vorlag. Die Stadt habe die Aufforderung erhalten, ihn darauf zu untersuchen. Die bestätigte diesen Fall.
Kapteinat: „Hochriskant“
Am Ende soll der Mann aus der Ukraine selbst erst gar nicht in Castrop-Rauxel angekommen sein, berichtete Lisa Kapteinat am Montag im Gespräch mit unserer Redaktion. Aber allein die Tatsache, dass er mit dem ÖPNV auf eigene Faust nach Castrop-Rauxel fahren sollte, halte sie für „hochriskant“.
Wie ansteckend ist Tuberulose?
- Eine Tuberkulose wird durch Bakterien ausgelöst.
- Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung heißt es, die Erreger befielen überwiegend die Lunge und lösten als erstes Zeichen unter anderem Husten aus, könnten aber auch andere Organe befallen.
- In Deutschland ging die Zahl der Tuberkulose-Fälle in den letzten Jahrzehnten stetig zurück. In Osteuropa sind aber bis zu zehnfach erhöhte Inzidenzen bekannt.
- Als hochansteckend gilt TBC nicht: Meist werden Erreger ausgehustet und dann über Aerosole übertragen.
In den Landesunterkünften gibt es offenbar bei der Gesundheitsuntersuchung (Röntgen, Blut- und Hauttests) zwar das Ziel, die „Geflüchteten erst nach Erhalt des Untersuchungsergebnisses weiterzuleiten“. Aber das gelinge zurzeit aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht, heißt es in einem einem Schreiben der Bezirksregierung an die Kommunen, das unserer Redaktion vorliegt. Gesundheits- und Integrationsministerium hätten sich darauf geeinigt, dass der Pflicht, die Geflüchteten „unverzüglich“ auf TBC zu untersuchen, auch dann Genüge getan werde, wenn sie schon in eine Kommune geschickt wurden und dort innerhalb von 14 Tagen getestet würden.
„Die NRW-Regierung lässt Verantwortungsgefühl vermissen und die Kommunen völlig im Stich“, findet Lisa Kapteinat, die im Integrationsausschuss sitzt und vergangene Woche bei einer Sitzung dabei war. „Eine solche infizierte Person in den ÖPNV zu schicken, ist doch eine Katastrophe.“ Gerade angesichts der Corona-Pandemie, in der unsere Gesellschaft viel über Infektionsschutz gelernt habe, sei das nicht zu verantworten, meint sie. „Das hat am Ende auch mit gesellschaftlicher Akzeptanz zu tun.“
2900 von 215.000 Menschen in Landes-Obhut
Seit dem 24. Februar, dem neuerlichen Einmarsch Russlands in die Ukraine, sind in NRW bis zum 11. September 214.772 Personen in diesem Zusammenhang als Geflüchtete eingereist. Stand 13. September befanden sich 2900 aus der Ukraine geflüchtete Personen in Einrichtungen des Landes. Die anderen sind schon in Obhut der Kommunen oder privat untergekommen. „Warum strukturiert man das nicht besser von Seiten des Landes?“, fragt sich Kapteinat. Im von den Grünen geführten Ministerium müsse man Verantwortung übernehmen.
Das Land ist noch mit dem Aufbau von neuen Strukturen beschäftigt. In Haltern, Dorsten, Herne, Selm-Bork und Castrop-Rauxel sind und werden in dieser Zeit weitere Kapazitäten aufgebaut. In Habinghorst soll eine Notunterkunft mit bis zu 1020 Plätzen eigentlich am 1.11. an den Start gehen. Aus einem neuen Schreiben geht nun hervor, dass der Start schon für den 1.10. geplant ist.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
