
© Katharina Roß
Kurios: Emschergenossenschaft führt Beton-Emscher-Debatte ad absurdum
Unesco-Weltkulturerbe
Soll man die Emscher in ihrem Beton-Bett erhalten oder nicht? Darüber wird in Castrop-Rauxel debattiert. Nun stellt eine Information der Emschergenossenschaft alles auf den Kopf.
Eine leicht schrille Debatte, ein lauter Aufschrei aus Ickern und angrenzenden nördlichen Stadtteilen, ein reines Missverständnis, wie Bürgermeister Kravanja beteuert: Rund um die Emscher hat sich eine Diskussion darum entwickelt, ob sie an einer Stelle im Stadtgebiet in einer Beton-Sohle verlaufen soll, wie man sie für die kanalisierte und begradigte Emscher als üblich empfindet.
Es geht darum, die Emscher als Bestandteil einer Bewerbung um das Ruhrgebiet als Unesco-Weltkulturerbe einzubringen. Als eine Art Ost-West-Achse verbindet sie die Region und ist Sinnbild für das industrialisierte Ruhrgebiet.
Seit Jahren wird sie allerdings umgebaut: Wo sie ganz gerade fließt, wird sie renaturiert, also in ein natürliches Bett gelegt. Sie soll wieder werden, wie sie vor dem industriellen Zeitalter war.
Emscher wurde seit 1904 kanalisiert
Nun geht aus einem Konzept hervor, dass man sich bei der Bewerbung ums Weltkulturerbe vorstellen könnte, einen Teil der Emscher als „offenes Museum“ zu erhalten: im Beton-Bett, das ihren Zustand über rund 110 Jahre für die Nachwelt dokumentiere. Ab 1904 wurde der Fluss zu einem Kanal umgebaut. Den Erhalt wollen in Ickern, Habinghorst und Henrichenburg aber viele Menschen nicht, wie sich im Februar zeigte.
Als sie sich beschwerten und ein offenes Schreiben über den Stadtteilverein Mein Ickern lancierten, als sie einige Kommunalpolitiker anstifteten, diesen Plan zu hinterfragen und gegebenenfalls zu kippen, da tat sich etwas. Man wolle die Emscher natürlich weiter renaturieren und nur an einer eng begrenzten Stelle im Stadtgebiet den derzeitigen Zustand erhalten, dort auch Schilder aufstellen und so die Geschichte zementieren.
Es ging um ein Beton-Bett und Beton-Sohlen. Angeblich. Denn die Emschergenossenschaft erklärt nun: Es gibt im Hauptlauf der Emscher in Castrop-Rauxel überhaupt keine Beton-Schalen. Sprecher Ilias Abawi sagte unserer Redaktion: „Die Emscher hat aufgrund ihrer Breite am Hauptlauf – vom Dortmunder Nordwesten bis Dinslaken – kein V-Profil, sondern tatsächlich ein natürliches Bett. Teilweise sind mit Steinschüttungen, sogenannten Wasserbausteinen, die Folgen von Bergsenkungen reguliert worden, um die Sohle wieder anzuheben.“
Kanalisiert worden sei der Emscher-Hauptlauf vor allem durch die begradigte Anlage von Deichstrecken. An vielen Stellen gebe es zudem Steinplatten an der unteren Seite der Berme, hin zum Gewässer, damit das Abwasser schneller abfließt. Abawi: „Die Sohle dagegen ist nicht betoniert.“

Betonsohlschalen beim Einbau in einen Zufluss der Emscher – allerdings in Gelsenkirchen. Es handelt sich um den Hüller Bach. © Emschergenossenschaft
Ein V-Profil als Schale gebe es nur an Zuflüssen der Emscher. Abawi zeigt eine historische Aufnahme vom Hüller Bach: Der allerdings fließt durch Gelsenkirchen.
Worum ging es nun wirklich?
Warum dann die ganze Diskussion? „Ich denke mal, dass es bei der Weltkulturerbe-Sache nur um die Begradigung der Emscher mit Berme ging, nicht um etwaige Betonsohlschalen“, glaube Ilias Abawi. „Dass es diese gar nicht gibt, ist in der anschließenden Debatte dann untergegangen.“
Übrigens werden in Bottrop bald 200 Meter der Berne, ein Nebenlauf der Emscher, unter Denkmalschutz gestellt. „Mit Betonsohlschalen und mit Unterstützung der Öffentlichkeit…“, sagt Ilias Abawi. In Castrop-Rauxel beschloss der Stadtrat, dass man die Bewerbung weiter verfolge. Allerdings ohne den Passus: „Im Gegensatz zum restlichen Hauptlauf wird der Zustand der Emscher im alten Betonbett besonders als Zeugnis der Vergangenheit hervorgehoben.“
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
