
© Thomas Schroeter
Weltkulturerbe: Missverständnis um „Beton-Emscher“ in Castrop-Rauxel
Emscher-Umbau
Das Ruhrgebiet soll Weltkulturerbe werden. Daran arbeitet die Region nun zum zweiten Mal, nachdem ein erster Versuch im Jahr 2014 scheiterte. Doch es gibt Streit um die Emscher in Castrop-Rauxel.
Was wäre Castrop-Rauxel und das Ruhrgebiet ohne die Emscher? Dieser kleine, aber besondere Fluss hat die Region über Jahrhunderte geprägt – und nicht immer nur von einer schönen Seite. Kulturgeschichtlich ist der 80 Kilometer lange Fluss prägend, der in Holzwickede entspringt und in Dinslaken in den Rhein mündet prägend.
Die Emschergenossenschaft, ein Zusammenschluss verschiedener Behörden und Gebietskörperschaften, hat Hunderte Millionen Euro in die Aufbesserung des Flusses gesteckt und tut es noch. Darum soll die Emscher auch ein bedeutender Teil der Bewerbung zum Weltkulturerbe Ruhrgebiet sein.
2014 scheiterte man mit dem Versuch, das Ruhrgebiet zum Weltkulturerbe zu machen, daran, dass es groß und uneinheitlich ist, dass es aus vielen einzelnen markanten Gebäuden besteht, aber man die Klammer nicht gut herausarbeiten konnte, die alles miteinander verbindet. So bewertet Castrop-Rauxels Stadtbaurätin Bettina Lenort die Situation damals.
Emscher soll Teil sein einer verbindenden Klammer
„Nun meint man aber, eine Klammer gefunden zu haben in den linearen Strukturen, die dazu beigetragen haben, wie sich das Ruhrgebiet in den vergangenen 200 Jahren entwickelt hat“, so Lenort im Gespräch mit unserer Redaktion: Rhein-Herne-Kanal, Köln-Mindener Eisenbahn, Emschertalbahn nennt sie als Beispiele – und die Emscher.
Um genau die rankt sich nun eine Diskussion in Castrop-Rauxel: Seit Jahren wird der Fluss umgebaut und renaturiert, aber in der Europastadt verläuft die einstige Kloake an vielen Stellen noch immer streng begradigt in einem Betonbett. Das regt viele Menschen auf, die sich einen fröhlich mäandernden Fluss durch eine Auenlandschaft wünschen würden. Die Sorge: Dieser Beton-Verlauf wird manifestiert, wenn man die Emscher als Teil des Weltkulturerbes heraushebt.

Der Wasserkreuz der Emscher mit dem Rhein-Herne-Kanal: aus der Luft betrachtet einer der speziellsten Emscher-Orte in Castrop-Rauxel. Hier wird in den kommenden Jahren auch viel Geld investiert. © Jens Lukas
Bettina Lenort empfindet das als Missverständnis: „Die einzelnen linearen Strukturen werden dann sicher nicht unter Denkmalschutz gestellt, das impliziert der Weltkulturerbe-Status nicht“, sagt sie nun. Die Bürgermeister der beteiligten Kommunen hätten einen „Letter of intent“, also eine Absichtserklärung unterschrieben, dass sie dieses Vorhaben grundsätzlich befürworten und begleiten werden. Aber: „Wir haben es noch nicht einmal auf die Liste der Projekte geschafft, die Deutschland nominieren will. Bis dahin vergehen noch viele Jahre. Es ist nur der erste Schritt, dass wir überhaupt mitmachen würden.“
Kravanja: „Es tät uns gut als Ruhrgebiet“
Bürgermeister Rajko Kravanja steht trotz Kritik hinter den Plänen: „Es täte uns gut als Ruhrgebiet, wenn wir das Thema herausarbeiten.“ Es gehe einzig darum, dass der Fluss in seinem speziellen und sehr eng umbauten Bereich in Ickern (In der Wanne/Danziger Straße) in seiner derzeitigen Form erhalten bleibe.
Kravanja: „Es muss nicht alles so grausam bleiben, wie es ist. An dieser Stelle in Ickern, an der ich selbst groß geworden bin, ist kein ausreichender Platz für eine Auenlandschaft. Der Fluss kann da nur durch diese enge Flucht. Der Zustand dort ist besonders schützenswert, weil er die Emscher zeigt, wie sie über Jahrzehnte durchs Ruhrgebiet geflossen ist.“ Das solle durch entsprechende Hinweistafeln deutlich gemacht werden. „Die Emscher wird frei von der Betonsohlen, der Emscherumbau wird weiter gehen“, so Kravanja.
Krämerkämper: „... der bricht EU-Recht“
Die Politik in Castrop-Rauxel äußerte sich dennoch skeptisch: „Wer sagt, dass man diese Betonschale erhalten will, der bricht Europarecht“, sagte Thomas Krämerkämper von den Grünen im Betriebsausschuss 3 am Donnerstag (11.2.). „Die Schale sollte eigentlich schon seit 2015 entfernt sein: Das Gewässer ist nach EU-Recht zu renaturieren.“
Ausschuss-Chef Oliver Lind (CDU) stimmte ihm da zu. Man müsse das mit der Emschergenossenschaft diskutieren. Bernd Goerke (SPD) dagegen argumentierte wie Kravanja: „Man kann hier keine Retentionsflächen schaffen. Es spricht nichts dagegen, den Menschen später auch zeigen zu wollen, wie die Emscher hier mal ausgesehen hat.“
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
