Die Lambertuskirche ist für viele Menschen Anlaufstelle für Besinnung und Gebet: Die Kölner Kirchenkrise ist hier noch nicht angekommen.

© Ronny von Wangenheim

Klare Kritik am Kölner Kardinal – aber Katholiken halten zur Kirche

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Wie Kardinal Rainer Maria Woelki in Köln mit dem Missbrauchsskandal umgeht, beschäftigt die Gläubigen in Castrop-Rauxel. Ein Pfarrer übt deutlich Kritik. Das Amtsgericht überrascht mit Zahlen.

Castrop-Rauxel

, 28.02.2021, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wer in die Kirche eintreten will, wendet sich an einen Pfarrer. Wer austreten will, muss zum Amtsgericht. In Köln rennen der Kirche die Gläubigen in Scharen davon. Als das dortige Amtsgericht in der vergangenen Woche die Zahl der Online-Termine auf 1500 pro Monat aufstockte, brach der Server zusammen. Der Grund: Der Umgang des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki mit einem Missbrauchsskandal und seine Weigerung, ein Gutachten zu veröffentlichen.

Der Umgang der Kirche zum einen mit den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs, zum anderen mit den Forderungen der Frauen nach Reformen unter dem Schlagwort Maria 2.0 beschäftigt die Gläubigen, und das nicht nur die katholischen.

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Es ist immer wieder Thema, auch in Castrop-Rauxel. Das bestätigen im Gespräch sowohl Pfarrer Winfried Grohsmann, Leiter des Pastoralverbunds Castrop-Rauxel-Süd, als auch Pfarrer Arno Wittekind von der evangelischen Paulus-Kirchengemeinde. Beide haben eine klare Haltung.

Einen Termin beim Amtsgericht in Castrop-Rauxel, und der ist in Corona-Zeiten verpflichtend, kann man anders als in Köln ohne Probleme bekommen. 30 Euro kostet die Gebühr, dann hat man keine Religionszugehörigkeit mehr und ist damit auch von den Kirchensteuern befreit. „Wir werden nicht gerade überrannt“, sagt Lutz Grimm, Direktor des Amtsgerichts.

2020 traten weniger Menschen aus der Kirche aus als 2019

Er hat durchaus überraschende Zahlen: 2020 gab es deutlich weniger Kirchenaustritte als 2019. Und etwa gleich viele Menschen kehren den beiden Kirchen den Rücken. 2020 traten 154 katholische und 152 evangelische Christen aus. Zusammen also 306 und damit genau 100 weniger als im Jahr 2019.

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Dass vor allem finanzielle Gründe verantwortlich für die Austritte sind, lässt sich den Zahlen nicht entnehmen, so Lutz Grimm. In beiden Jahren gab es im zweiten Quartal die wenigsten Austritte, im vierten Quartal, also vor Jahresende, aber nicht unbedingt die meisten.

Auch die aktuellen Zahlen lassen sich schlecht interpretieren. Im Januar gab es 6 Austritte aus der römisch-katholischen Kirche und 16 aus der evangelischen Kirche. Bis einschließlich 23. Februar drehte sich das Verhältnis: 17 katholische Austritte stehen 4 evangelischen gegenüber.

Arbeit vor Ort ist wichtiger als ein Skandal in Köln

Ende 2020 waren laut Statistik der Stadt Castrop-Rauxel 33 Prozent der rund 75.000 Einwohner katholisch, 28 Prozent evangelisch. Das sind also rund 24.740 und 21.000 Mitglieder. Die „Austritts-Quote“ liegt also bei weniger als 1 Prozent.

Köln ist also weit weg von Castrop-Rauxel. Winfried Grohsmann wie Arno Wittekind verweisen auf die Arbeit vor Ort. Grohsmann erinnert an die gewachsene Tradition, verweist auf starken sozialen Input mit einer starken Caritas und einer starken Diakonie. Wittekind setzt auf eine lebendige Gemeinde, die durch Kinder- und Jugendarbeit von innen heraus wachse und sich erneuere.

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Diskutiert wird trotzdem über Kardinal Woelki. Pfarrer Grohsmann findet da ganz deutliche Worte. „Man kann zurzeit nicht glücklich und stolz sein, dazuzugehören“, sagt er und spricht von einem indiskutablen Verhalten und „Fremdschämen“. Früher und grundsätzlicher hätte er konkretes Handeln zum Thema sexueller Missbrauch in seiner Kirche erwartet. „Das Thema wurde nicht so angepackt, dass jemand zufrieden sein könnte“, sagt er.

Auch für die Evangelische Kirche ist sexueller Missbrauch ein Thema

Jeder Austritt schmerze ihn, so sagt er, stelle ihm die Frage, was er anders hätte machen sollen. Dass sich der Trend, der in Köln so massiv auftritt, in Castrop-Rauxel nicht fortsetze, dass es im vergangenen Jahr sogar weniger Austritte gab, führt er auf die Corona-Krise zurück.

„Man bekommt eine Ahnung, dass man gewisse Dinge nicht alleine schafft.“ Beweis sind für ihn, dass in der Advents- und Weihnachtszeit 7500 Menschen in die Lambertuskirche kamen. „Es ist erstaunlich, wie viele da gekommen sind für ein Gebet oder etwas Besinnung.“

Die evangelische Kirche ist nicht außen vor, wenn es um die aktuelle Krise und der katholischen Kirche in Deutschland geht. „Als der Skandal um den Bischof von Limburg aufkam, sind auch bei uns Menschen aus der Kirche ausgetreten“, sagt Pfarrer Wittekind.

Vereinzelt kämen allerdings auch Menschen, die von der katholischen zur evangelischen Kirche wechseln wollten. Manche von ihnen seien bereits in der Paulus-Kirchengemeinde aktiv. Und ja, über Kardinal Woelki und das nicht veröffentlichte Gutachten werde auch gesprochen – „ohne erhobenen Zeigefinger.“ Denn das Problem des sexuellen Missbrauchs gehe an der evangelischen Kirche ja nicht vorbei.

Arno Wittekind verweist auf die Landessynode im Herbst, bei der es ganz konkret um den Kampf gegen sexuellen Missbrauch ging. Das wird auch in der Paulus-Kirchengemeinde Thema. Aktuell entsteht eine Arbeitsgruppe, die ein Schutzkonzept erarbeiten wird. Dabei ist vor allem die Kinder und Jugendarbeit im Blick.