
Konventionelle oder ökologische Landwirtschaft? Die beiden Landwirte Bernd Einhaus (l.) und Bernd Lienemann nehmen Stellung. © Meike Holz
Kreis RE: Deshalb ist ökologische Landwirtschaft die große Ausnahme
Landwirte im Gespräch
Konventionell oder doch lieber „Bio“? Im Kreis Recklinghausen bewirtschaften fast alle Landwirte ihre Höfe konventionell. Zwei Landwirte sprechen über Bio-Hürden, den Markt - und das Geldverdienen.
Der eine bewirtschaftet seinen Bauernhof ökologisch, der andere konventionell. Die beiden Dorstener Bernd Lienemann und Bernd Einhaus gehen unterschiedliche Wege in der Landwirtschaft. Aber beide wehren sich strikt dagegen, den anderen deswegen zu kritisieren.
Keine Rede vom „guten und vom bösen Bauern“
„Vom guten und vom bösen Bauern zu sprechen, ist einfach falsch. Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist leider in den Köpfen mancher Verbraucher“, betont Öko-Landwirt Bernd Lienemann. „Es handelt sich hier um zwei verschiedene Produktionsverfahren. Und der Verbraucher kann entscheiden, was er kauft - und bestimmt damit den Markt.“ Bernd Einhaus ergänzt: „Natürlich erfülle ich bei meiner konventionellen Bewirtschaftung die vorgegebenen Auflagen, deren Einhaltung streng kontrolliert wird. Als konventioneller Landwirt bin ich kein Umweltsünder.“

Öko-Landwirt Bernd Lienemann: „Die Umstellung unseres Hofes auf ,Bio‘ war ein Bürokratiemonster.“ © Meike Holz
Allerdings sind die Vorgaben für den Bio-Hof von Bernd Lienemann wesentlich höher. Fast dreißig Jahre lang hat der heute 46-Jährige als konventioneller Landwirt gearbeitet, nun hat er die fast dreijährige Umstellung auf „Bio“ hinter sich. „Zunächst habe ich die EU-Bio-Verordnung umgesetzt, das heißt unter anderem: keine chemischen Pflanzenschutzmittel, keine mineralischen Dünger, mehr Auslaufmöglichkeiten für die Tiere. Darüber hinaus geht noch die ,Naturland-Zertifizierung‘ - zum Beispiel mit einer stärkeren Begrenzung der Stickstoff-Düngung. Jetzt bin ich als ,Naturland-Betrieb‘ zertifiziert“, berichtet Lienemann stolz, der auf seinem Hof 20.000 Masthähnchen, 900 Legehennen sowie 85 Hektar Ackerbau mit Gemüse wie Spinat, Erbsen und Möhren hat. Die Umstellung war mit hohem Aufwand verbunden - sowohl beim Umbau der Ställe, als auch auf bürokratischer Ebene, Lienemann spricht von einem „Bürokratiemonster“, zudem sei die Bewirtschaftung, zum Beispiel das Sauberhalten der Felder, ohne Pflanzenschutzmittel arbeitsaufwendiger. Aber: „Unsere Betriebsstruktur passte relativ gut für den Umstieg“, sagt der Landwirt - mit Blick auf den Gemüsebereich, in dem man bereits Erfahrung hatte, den Stallumbau von der Schweinemast auf Geflügel und den Großteil der hofnahen, bewässerungsfähigen Flächen.

Landwirt Bernd Einhaus: „Für die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung fehlt der Markt, die Abnahme.“ © Meike Holz
Bei Bernd Einhaus sieht das etwas anders aus. Der 55-Jährige hat einen Milchviehbetrieb mit 240 Milchkühen, mit Mais- und Grasflächen als Grundlage für seine Viehwirtschaft. „In diesem Bereich ist ,Bio‘ die absolute Ausnahme“, erläutert Einhaus. „Zum einen sind die Flächen in unserer Region im Vergleich zum Viehbestand relativ knapp. Als ökologischer Betrieb müsste ich aber den Tierbestand für die gleiche Fläche halbieren. Zum anderen muss ich einen Abnehmer für die Milch finden. Das ist schwierig, der Biobereich ist ein abgegrenzter Markt, da kommt man schlecht unter.“ Bernd Lienemann bestätigt aus seiner Erfahrung: „Sie brauchen bei den Bio-Produkten erst Verträge mit Abnehmern. Danach können Sie anfangen. Das ist nicht so einfach.“ Bernd Einhaus erläutert das am Beispiel der Milch: „Ich kann nicht sagen: Ich mache jetzt Bio, stelle einen Milchautomaten an die Straße und dann kommen die Leute und kaufen, sondern ich muss eine Molkerei für die Milchverarbeitung finden. Da fehlt der Markt, die Abnahme, daran scheitert es.“
„Wir wollen nicht die Welt retten“
Für beide Landwirte steht fest: Auch Bio muss sich lohnen. „Wir haben Spaß an unserem Beruf, sonst würden wir ihn nicht machen. Aber der Grundgedanke ist natürlich auch, Geld damit zu verdienen. Wir wollen nicht die Welt retten, sondern unser Familien ernähren, den Betrieb auch für die Zukunft erhalten“, stellt Bernd Lienemann klar.
Dem 46-Jährigen gelingt das aktuell mit seinem Bio-Hof. Und auch wenn Bernd Lienemann betont, dass ökologische und konventionelle Vorgaben jeweils im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben stattfinden und ihre Berechtigung haben, sieht er bei der Bio-Produktionsweise ökologische Vorteile: „Der Boden bleibt eher in seiner Ursprungsweise erhalten. Das Vorgehen ist natürlicher, für den Boden auf Dauer wohl etwas besser. Und der Boden ist unser Kapital - das wir im optimalen Zustand erhalten und an unsere Kinder weitergeben wollen.“
Von 922 Betrieben wirtschaften 12 ökologisch
Dennoch ist Bernd Lienemann mit seiner ökologischen Bewirtschaftung bislang im Kreis Recklinghausen die große Ausnahme. „Wir haben in unserem Verbandsgebiet mit dem Kreis Recklinghausen, Bottrop und Gelsenkirchen insgesamt 922 landwirtschaftliche Betriebe - von denen bislang 12 ökologisch wirtschaften. Bio-Landwirtschaft ist bei uns bislang eine Nische“, sagt Regina Böckenhoff. Auch für die Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Recklinghausen ist die Ursache hier der Markt: „Die Landwirte sind Unternehmer und richten sich nach der Nachfrage. Wenn der Markt größer wäre, würden auch mehr Landwirte umsteigen.“ Bernd Lienemann weist in diesem Zusammenhang auf den Gegensatz zwischen politischen Zielvorgaben und Realität hin: „Die EU möchte bis zu 30 Prozent ökologische Betriebe - aber dafür ist der Absatz nicht da.“
Bernd Einhaus sieht zudem ein anderes Problem, wenn durchgehend ökologisch bewirtschaftet würde: „Durch die Umstellung auf ,Bio‘ hat man wegen fehlender Pflanzenschutzmittel und Düngemöglichkeiten nur etwa die Hälfte des Ertrags. Das wird durch den höheren Preis zwar ausgeglichen - aber wenn weltweit alle ,Bio‘ machen, werden die Menschen aufgrund der geringeren Menge an Lebensmitteln nicht mehr satt.“
Landwirt: „Bio“ ist nicht gleich „Bio“
- Was heißt „Bio“? Bernd Lienemann erklärt, dass es hier verschiedene Siegel und Standards gibt: „Wer die EU-Bio-Kriterien erfüllt, bekommt das EU-Bio-Siegel. Diese Ware kommt oft nicht aus Deutschland, sondern aus EU-Billiglohnländern. Höherwertiger sind die Produkte, die über die EU-Kriterien hinaus die Vorgaben von Verbänden wie Naturland, Bioland oder Demeter erfüllen. Diese Verbandswaren entsprechen dem höchsten Level, haben auch jeweils ein eigenes Siegel.“
- Bernd Lienemann gehört zu den Landwirten, deren Produkte komplett Naturland-zertifiziert sind.
Geboren 1962 in Dortmund, aufgewachsen in Recklinghausen, wo er auch heute mit seiner Familie lebt. Zwischenzeitlich verschlug es ihn zum Studium und zur Promotion nach Köln und Bochum. Dabei standen Germanistik und Philosophie im Mittelpunkt. Als Freund des Schreibens und mit viel Neugierde auf Menschen und ihre Geschichten fühlt er sich im Journalismus am richtigen Platz.