
Sandra Berendes behauptet sich in einer Männerdomäne und zeigt das mit dem pinkfarbenen Firmenzug. Sie handelt mit verschiedenen Baustoffen. © Ronny von Wangenheim
Kohlenhändlerin in Castrop-Rauxel ohne Kohle: Verzweifelte Kunden rufen an
Kohle
Die Urgroßmutter gründete den Kohlenhandel. Jetzt hat Sandra Berendes in ihrem Betrieb in Castrop-Rauxel den Schlussstrich gezogen, obwohl die Nachfrage sehr groß ist.
Emma Berendes, die Urgroßmutter, gründete 1928 ihren Kohlenhandel. Der Mann war in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges umgekommen, die Witwe sorgte für den Familienunterhalt. „Sie war noch mit Pferden unterwegs und lieferte die Kohlen aus“, erzählt Sandra Berendes (40). Sie hat die Familientradition fortgesetzt. „In vierter Generation“, sagt sie, „ich bin die, die mit der Kohle abschließt. Leider.“
In ihrem Baustoffhandel am Rapensweg 221 in Castrop-Rauxel steht noch eine kleine Menge mit Briketts. „Nicht mal Briketts bekommen wir mehr“, sagt sie. Den Handel mit Steinkohle hat sie nach der letzten Saison aufgegeben. Kunden gebe es noch, aber keine gescheite Kohle zu einigermaßen vernünftigen Preisen. „Die Preise beim Großhändler sind fast dreifach so hoch wie vor einem Jahr.“
„Privatkunden rufen verzweifelt an“, erzählt sie. „Es gibt noch viele Zechenhäuser, in denen mit Kohle geheizt wird.“ Aus Castrop-Rauxel hatte sie „ein paar hundert Kunden“, Kohle hat sie aber in Säcken oder als Schüttgut auch nach Essen, Bottrop oder sogar Hamm geliefert. Daneben haben aber auch Gartenbaubetriebe von ihr Kohle bezogen, die sie mit einem Spezialfahrzeug anlieferte. „Sie heizen damit ihre Gewächshäuser“, sagt Sandra Berendes.
Englische Kohle war lange eine gute Alternative
Auch Klinkerwerke gehörten zu den Kunden. Und bis in die 1990er-Jahre seien viele öffentliche Gebäude noch mit Kohle beheizt worden – Schulen oder Gefängnisse bekamen Kohle aus dem Familienbetrieb. Der damals noch in Essen war. Sandra Berendes ging dann 2016 nach Castrop-Rauxel, weil sie hier ein geeignetes Gelände fand. Selbstbewusst hat sie in der von Männern dominierten Branche ein Zeichen gesetzt: Den Schriftzug mit ihrem Namen hat sie auf pinken Untergrund auf Firmenschilder und Lastwagen gesetzt.
Leicht ist Sandra Berendes der Schritt nicht gefallen, mit dem Kohlenhandel abzuschließen. Schließlich gibt sie damit ein Standbein auf. Doch es sei immer schwerer geworden. Nachdem die letzte Zeche in Deutschland keine Steinkohle mehr geliefert hatte, kam Kohle nur noch aus dem Ausland. Kohle aus Polen und Russland habe keine gute Qualität, sagt sie. Englische Kohle sei eine gute Alternative gewesen. Doch dort behielten sie ihre Kohle jetzt lieber im eigenen Land.
Der Brexit, immer weiter steigende Preise, schlechter werdende Qualität, Lieferschwierigkeiten, zuletzt noch der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen – es kam eins zum anderen. Sandra Berendes setzt jetzt auf ihr zweites Standbein, das sie vorausschauend vor erst drei Jahren ausgebaut hat: Speditionen, Baustoffe und Natursteine.
Tonnenweise Baustoffe und tütenweise Spielsand
Steine, Kies, Sand, das alles lagert auf ihrem Betriebsgelände in Ickern. Sie beliefert Großkunden mit 100 Tonnen. Es kommen aber auch Castrop-Rauxeler vorbei, die in ein paar Tüten Spielsand für die Kinder mitnehmen. Noch gibt es auch ein paar Briketts. Sandra Berendes sagt, dass sie versuche, Briketts, Holz- oder Braunkohle im Angebot zu behalten. Gerade jetzt setzen viele Menschen zusätzlich zur Heizung auf Kaminöfen.
Nur mit der Steinkohle sei definitiv Schluss. „Wir haben nie was anderes gemacht“, sagt sie und Bedauern klingt mit: „Mein Großvater hätte sich nicht vorstellen können, dass wir einmal nicht mehr mit Kohle handeln.“ Und Uroma Emma Berendes sicher auch nicht.