
Als Kind habe ich ganz fest an Gott geglaubt und immer darauf bestanden, dass meine Eltern mir beim Gute-Nacht-Sagen ein Kreuz auf die Stirn malen. Sie haben dabei jeden Abend gesagt: „Der liebe Gott beschütze dich.“ Ich habe mit den Herren im Himmel damals wie einen Schäfer vorgestellt, der immer auf alle aufpasst.
Die katholische Kirche, in die ich getauft wurde, hat mich damals wenig interessiert. Gottesdienste waren entweder langweilig, es war kalt oder beides. Woran ich aber Spaß hatte, war das Dreikönigssingen. Ein paar Tage vor dem Sammeln wurden wir alljährlich im Pfarrheim vor einen Beamer gesetzt und haben uns angeschaut, wo das Geld denn dieses Jahr hingehen soll: Kongo, Philippinen oder Brasilien. Nach etlichen Stunden „Gloooooria“ hatten wir dann mit allen Gruppen ein paar Tausend Euro zusammen gesungen.
Das passt nicht zusammen
Es muss zu dieser Zeit gewesen sein, als ich anfing, die Kirche zu hinterfragen und immer öfter Nachrichten hörte, die überhaupt nicht im Sinne des Schäfers sein konnten, den ich als Kind im Kopf hatte. Wieso kann ein Bischof in Limburg total viel Geld aus dem Fenster werfen? Wieso gibt er das nicht den Kindern auf den Philippinen? Warum sagt jemand aus der Kirche „eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien“?
Das, was uns im Religionsunterricht über Gott und seine Botschaft vermittelt wurde, wollte so gar nicht zur Kirche passen. Kurz darauf dann habe ich zum ersten Mal bewusst in den Nachrichten von der sexuellen Gewalt in der katholischen Kirche an Kindern und Jugendlichen gehört.
Immer neue Missbrauchsskandale
Aber eben nicht nur einmal, sondern dutzende Male. Immer wieder ploppten neue Skandale aus dem Boden und jedes Mal wurde Aufklärung versprochen. Aber kaum war das hohle Bekenntnis verhallt, wurde wieder eine Vertuschung aufgedeckt. Es war zu dieser Zeit, als auch mein Glauben an Gott immer mehr ins Wanken geriet. Ich wählte den Religionsunterricht ab. Trotzdem ließ ich mich firmen. Aber als wir im Gottesdienst gefragt wurden, ob wir an „die heilige katholische Kirche“ glauben, schwieg ich.
Heute verbindet mich nichts mehr mit der Kirche, ich bezeichne mich als Atheistin. Die veralteten Haltungen in Sachen Gleichberechtigung, Familienbild und die desaströse Aufarbeitung des unendlichen Leides von tausenden Missbrauchsopfern machen es für mich unmöglich, dieser Kirche anzugehören.
Ich werde austreten. Sollte ich Kinder haben, werden sie nicht getauft. Meine Freundin könnte ich in der Kirche ohnehin nicht heiraten. Ich respektiere jeden, der seinen Glauben auslebt, in der Kirche bleiben will, für den sie ein zu Hause ist, aber ich will mit dem christlichen Glauben privat nichts mehr zu tun haben.
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