Im Bürgerbüro in Castrop-Rauxel gab es am Donnerstagmorgen keinen einzigen Termin zur Beantragung eines Personalausweises. © Goldhahn
Terminvergabe
„Beschissene Situation“ im Bürgerbüro: Mitarbeiter sollen mehr arbeiten
Im Castrop-Rauxeler Bürgerbüro sind weiterhin keine Termine zu bekommen. Um den Service zu verbessern, sollen neue Mitarbeiter helfen – und unpopuläre Maßnahmen greifen.
Weiterhin ist es schwierig bis unmöglich, im Castrop-Rauxeler Bürgerbüro zeitnah einen Termin zu bekommen. Ein Test unserer Redaktion am Donnerstagvormittag (17.6.) scheiterte komplett: Einen Termin für die Beantragung eines neuen Personalausweises konnte das System überhaupt nicht anbieten – weder in den nächsten Wochen, noch Ende des Jahres, noch irgendwann: „Keine freien Termine gefunden“, erschien als lapidare Meldung. Das gleiche Ergebnis erbrachte die Suche nach anderen Dienstleistungen wie etwa die Beglaubigung eines Dokuments.
Dass auch die Verantwortlichen der Stadtverwaltung mit der Situation im Bürgerbüro überhaupt nicht glücklich sind, wurde am Mittwochabend (16.6.) überdeutlich. Der 1. Beigeordnete der Stadt, Michael Eckhardt, in dessen Zuständigkeit das Bürgerbüro fällt, fand deutliche Worte: Die Lage sei „schlecht, beschissen, suboptimal“, ließ Eckhardt die Mitglieder des „Betriebsausschusses 1“ wissen. Und stellte klar: „Wir sind damit nicht zufrieden!“
Der 1. Beigeordnete Michael Eckhardt erklärte, die Situation im Bürgerbüro sei „beschissen“. © Stadt
Bei der Suche nach Ursachen steht für Eckhardt Corona eindeutig an Nummer 1. Vor der Pandemie habe man einen Standard mit einer vierwöchigen Wartezeit auf einen Termin erreicht. „Damit konnten wir leben.“ Während der Zeit der Beschränkungen hätten dann auch nur wenige Leute Termine vereinbaren wollen.
Lage eskalierte mit einsetzenden Lockerungen
Eskaliert sei die Lage aber dann, als die Lockerungen begannen – auch weil man aufgrund der Corona-Verordnungen niemanden ohne Termin ins Rathaus lassen dürfe und damit beispielsweise die offenen Öffnungszeiten weggefallen seien, wie Ordnungsamts-Chef Thomas Roehl ergänzte.
„Geradezu einen Run auf Personalausweise und Reisepässe“, attestierte Eckhardt. Und eben weil es kaum möglich ist, online an Termine zu kommen, sei auch die Service-Hotline überlastet, die die Stadt in Zusammenarbeit mit der Stadt Bochum betreibt.
Diese habe in der Vergangenheit sehr dabei geholfen, dass wenigstens dringende Notfälle wie die Beantragung polizeilicher Führungszeugnisse schnell bearbeitet werden konnten. Nun sei aber auch das nur eingeschränkt möglich. „Bis zu 1000 Anrufe täglich“ habe es bei der städtischen Durchwahl 106-2333 gegeben gegeben, im gesamten Mai 12.000, sagte Eckhardt.
Rund jeder siebte Termin fällt ohne Absage aus
Allerdings gebe es auch ein Ärgernis, für das die Stadtverwaltung nichts könne: Runde jeder siebte Termin im Bürgerbüro falle nämlich aus, ohne dass die Menschen ihn vorher abgesagt hätten. Damit blieben Kapazitäten ungenutzt, die andere dringend bräuchten.
Als Entschuldigung wollte Eckhardt all diese Gründe selbst aber nur bedingt gelten lassen: In aller Offenheit gestand er, dass Castrop-Rauxel im Kreis-Vergleich „ziemlich hintendran“ sei: „Es gibt großen Handlungsbedarf, wir stehen blamabel da.“ Denn das Bürgerbüro sei „personell hervorragend besetzt“ und die Mitarbeiter seien auch im Schnitt der Städte des Kreises „ordentlich bezahlt“.
Eckhardt und Ordnungsamts-Chef Thomas Roehl kündigten aber auch weitere Veränderungen an, mit denen die Verwaltung das Problem endlich in den Griff bekommen möchte: Zwei zusätzliche Mitarbeiter seien bereits ins Team des Bürgerbüros geholt worden. Eine Mitarbeiterin mache „den ganzen Tag nichts anderes, als Leuten hinterher zu telefonieren, die sich beschweren“, und zu versuchen, kurzfristig Termine für sie zu finden.
Weitere Verstärkung am 1. Juli
Ein weiterer Mitarbeiter verstärke das Team „spätestens am 1. Juli“. Außerdem werde die Anmeldung von Ausländern künftig über die Ausländerbehörde laufen, um das Bürgerbüro zu entlasten. Und es soll ein „Schnellschalter“ eingerichtet werden.
Mit dem bestehenden Team werde man an diesem Freitag reden, kündigte Eckhardt an. Ziel sei es einerseits zu überlegen, ob man Organisationsabläufe verbessern kann, aber es soll auch ans Eingemachte gehen. Eckhardt schloss längere Arbeitszeiten und Überstunden für die Mitarbeiter nicht aus. Er setze da zunächst auf Freiwilligkeit. „Anordnen geht auch, wäre aber ultima ratio“, sagte Eckhardt. Es sei besser, die Mitarbeiter mitzunehmen: „Wir sind hier nicht bei der Bundeswehr.“
Bettinger: Die Geduld ist ein bisschen am Ende
Die Ausschuss-Mitglieder lobten zwar die Ideen Eckhardts, sparten aber nicht mit Kritik: So sagte Grünen-Politiker Bert Wagener, von der „Mitmachverwaltung“, die Bürgermeister Rajko Kravanja gerne ausrufe, könne hier keine Rede sein. Der Entwicklung zum „Offenen Rathaus“ sei die Entwicklung im Bürgerbüro „genau entgegengesetzt“. Michael Schneider von der CDU sprach gar von „hochgradigem Versagen“. Und FDP-Vertreter Nils Bettinger erklärte, die „Geduld sei „ein bisschen am Ende“: „Ich finde, Sie müssten da schneller agieren.“
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