Wir treffen ihn an einem ungünstigen Tag. Doch Jürgen Wollny sagt direkt: „Mit diesem Vorfall hat meine Entscheidung gar nichts zu tun.“ Der 73-jährige Ickerner schließt sein Lokal an der Langen Straße. Dort betreibt er seit zehn Jahren einen Trödel, in dem er Regale an Verkäufer vermietet. Am Samstag (14.1.) ist offiziell Schluss für ihn. Am Dienstag (17.1.) plant er einen Ausverkauf.
Das Lokal liegt an diesem Montagmorgen direkt an der Absperrung der Polizei, nicht weit von der Wohnung des Terrorverdächtigen entfernt. Er steht in der Tür, schaut sich das Geschehen an und erzählt: Seit einigen Monaten sei seine Entscheidung fix. Der Vermieter Andreas Trappe habe die Kündigung schon vor Wochen erhalten.
Indoor-Trödel hat treue Verkäufer
Bei Jürgen Wollny wurde vor zwei Jahren Krebs diagnostiziert. Es sei Zeit für ihn, Schluss zu machen. Auch wenn er viele „seiner“ Verkäufer, die in seinen Regalen ihren Trödel und Kram anbieten, nicht missen möchte. Eine Frau zum Beispiel, die vom ersten bis zum letzten Tag Regale hatte und ihm die Treue gehalten habe. „Sie ist 85 Jahre alt“, sagt Wollny und wird ein bisschen rührselig bei diesem Thema.
Er lebte 35 Jahre in der Schweiz, erzählt er, sein Lebensweg habe ihn dann aber nach Castrop-Rauxel geführt. Heute wohnt er in Ickern, und das werde auch so bleiben. Nur der tägliche Weg ins benachbarte Habinghorst, ins Eck-Lokal mit den vielen Schaufenstern und dem freien Blick auf die Lange Straße, den wird er künftig nicht mehr auf sich nehmen.

Das liege auch an einer Entwicklung des Umfelds, die er so beschreibt: „Manchmal kommen mehrere Leute auf einmal in den Laden. Wenn man sie sieht, ist man froh, dass man eine Theke zwischen sich und denen hat. Sie rufen ‚Du da‘, öffnen Vitrinen, klauen schneller etwas, als man gucken kann, oder wollen verhandeln“, so Wollny. „Es macht keinen Spaß mehr.“
Polizei fahre hier häufig an seinem Lokal vorbei. Anzeige zu erstatten, nütze aber nichts: „Das sind Bagatellfälle, heißt es dann ohnehin. Wenn man einen Täter fasst, sperrt die Polizei ihn ein paar Stunden weg, dann kommt er wieder raus. Das ist die Realität.“
Diebstahlsicherung ausgetrickst
Er habe seinen Verkäufern eine Diebstahlsicherung angeboten: Kunststoff-Hörnchen, wie man sie aus Bekleidungsgeschäften wie C&A kennt, die sich nur mit speziellen Vorrichtungen öffnen lassen. Aber einige Artikel lassen sich eben nicht sichern. Und wenn nur die Verpackung gesichert ist, werde sie einfach aufgerissen. Oft genug passiert. Er als Ladenbetreiber wisse ohnehin nicht genau, was in den Regalen stehe. Die Verkäufer fragten ihn dann oft erst Tage oder Wochen später.
Jens Kusemann (43) lebt fast nebenan, er ist ein Kind der Langen Straße. Sie kennen sich gut, Wollny und Kusemann, und sind einer Meinung: Es gehe bergab. Ab Dienstag ist es wieder ein Laden weniger.

Am Samstag (14.1.) öffnet der Laden an der Langen Straße / Ecke Georgstraße zum letzten Mal regulär. Dienstag (17.1.) ist ein Reste-Ausverkauf geplant.
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