„Unaufrichtig und gewollt herabsetzend“ Bormann-Anwalt Jan Froehlich im Kalender-Streit-Interview

Bormann-Anwalt Jan Froehlich: „Unaufrichtig und gewollt herabsetzend“
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Erst flatterte Post aus Berlin bei Martina Tielker in der Castroper Leselust rein. Sie stammte aus dem Anwaltsbüro von Jan Froehlich und bezog sich auf das Deckblatt, auf dem Teile der Sonnenuhr auf der Halde Schwerin, ein Kunstwerk von Jan Bormann, abgebildet sind. Sie stoppte daraufhin den Verkauf der Kalender. Inzwischen hat sie aber anwaltlichen Rat hinzugeholt und wird in dieser Auseinandersetzung von Urheberrechts-Fachanwalt Josef Schneiders aus Bochum vertreten. Nachdem er seine Argumente ausführlich im Video-Interview darlegte, äußert sich nun Jan Froehlich schriftlich auf unsere Fragen.

Warum glauben Sie, dass §59 und §63 des Urhebergesetzes maßgeblich sind, um einen Rechtsanspruch auf Urhebernennung und einen ebensolchen auf Erteilung einer Erlaubnis für die Nutzung zu formulieren und abzumahnen?

§ 63 UrhG verpflichtet den Nutzer eines Werkes ausdrücklich zur Angabe der Quelle. § 13 UrhG gibt dem Urheber das Recht zu bestimmen, ob und wie er und das Werk genannt wird.

Welche anderen Argumente sprechen für Ihre Seite?

Herr Bormann ist ein in Castrop-Rauxel, im Ruhrgebiet und Nordrhein-Westfalen sowie der Bundesrepublik anerkannter Künstler. Es ist gerade auch ihm gegenüber eine Selbstverständlichkeit, des Weiteren aber auch eine gesetzliche Pflicht, das Urhebergesetz und speziell das Urheberpersönlichkeitsrecht der Namensnennung einzuhalten. Gerade auch der Bundesgerichtshof hat in der Drohnen-Entscheidung die dort streitgegenständlichen beide Werke von Jan Bormann – unter anderem eben gerade auch jetzt abgebildete „Sonnenuhr“ als Kunstinstallationen im Sinne des Urhebergesetzes bezeichnet. Diese rechtliche Wertschätzung durch das höchste deutsche Zivilgericht ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Rechtes des Urhebers, gemäß § 13 UrhG namentlich genannt zu werden.

Warum haben Sie Herrn Bormann nicht geraten, das Thema ohne anwaltliche Zuhilfenahme mit Frau Tielker zu klären?

Frau Tielker hat zum Zeitpunkt des Verkaufes ihres Kalenders bereits den Weihnachts-Kalender des Lions Club 2024 verkauft, auf welchem ordnungsgemäß direkt neben dem Foto der Name des Werkes und der Name des Urhebers gut lesbar vermerkt sind. Darüber hat sich Frau Tielker meiner Ansicht nach bewusst hinweggesetzt. Dabei musste es Frau Tielker als Buchhändlerin bekannt sein, dass jedes urheberrechtlich geschützte Werk einen Titel und den Namen des Autoren ausweisen muss. Aus beidem musste man schließen, dass Frau Tielker das Urheberpersönlichkeitsrecht von Jan Bormann nicht beachten wollte.

Wenn sie bzw. ihr Anwalt nun äußerst, Frau Tielker kenne Herrn Bormann nicht, darf man darauf hinweisen, dass sich ca. 20 Meter entfernt vom dem Laden Leselust ein von Jan Bormann gestalteter Platz und 50 m von dem Laden Leselust eine große Skulptur mit einem Ensemble von Sitzen von Jan Bormann befindet. Zudem hat der WDR am 23.10.2024 aufgrund des Drohnen-Urteils über genau dieses nun fotografierte Werkstück – die „Sonnenuhr“ – und Jan Bormann – der in dem Bericht persönlich interviewt wird – berichtet.

In meinen Augen ist die Darstellung der angeblichen mangelnden Kenntnis von Frau Tielker nicht nur offenkundig unzutreffend, sondern die aktuelle Darstellung von ihr und ihrem Anwalt beinhaltet außerdem einen Ausdruck der absichtsvollen Geringschätzung. Nach dem Urhebergesetz kommt es nicht auf die persönliche Kenntnis von einem Werk und dem Urheber durch einzelne Personen an, sondern nur darauf, ob ein Werk und der Künstler bekannt ist. Denn ansonsten wäre jedermann – trotz der Parallelwertung in der Laiensphäre „Unkenntnis schützt vor Strafe nicht“ – frei, zu entscheiden, ob man ein Werk ohne Titel und Name des Urheber zeigen kann. Jeder aufmerksame, gebildete und vor allem zivilisierte Erwachsene weiß, dass dies nicht möglich ist.

Die in der Leugnung der Kenntnis von Werk und Künstler enthaltene ostentative Geringschätzung seitens von Frau Tielker und Rechtsanwalt Schneiders ist eine gewollte öffentliche Beleidigung und Herabsetzung. Die – angebliche – mangelnde Kenntnis ist rechtlich ohne jede Bedeutung und daher persönlich umso gewollt verletzender.

Das Werk meines Mandanten als „Beiwerk“ zu bezeichnen, zeigt lediglich neben der bewusst unzutreffenden Darstellung des Bildes ein weiteres Mal, wie unaufrichtig und gewollt herabsetzend Frau Tielker und Rechtsanwalt Schneiders argumentieren. Das Kunstwerk steht im Vordergrund des Bildes, prägt die Perspektive des ganzen Bildes und ist das zentrale Motiv des Bildes. Jeder aufmerksame und – ich wiederhole es – zivilisierte Mensch erkennt dies.

Im Kalender-Streit vertritt Rechtsanwalt Josef Schneiders Martina Tielker und Peter Hoffmann gegen die Abmahnung von Jan Froehlich. Auf der Rückseite des Titelblatts ist nun ein Urheber-Vermerk auf einem Aufkleber angebracht.
Im Kalender-Streit vertritt Rechtsanwalt Josef Schneiders Martina Tielker und Peter Hoffmann gegen die Abmahnung von Jan Froehlich. Auf der Rückseite des Titelblatts ist nun ein Urheber-Vermerk auf einem Aufkleber angebracht. © Tobias Weckenbrock

Warum haben Sie nach Ihrer Abmahnung die Streitpartei mehrfach und wiederholt angerufen, auch weit vor Ablauf der Fristsetzung, die Sie selbst schriftlich verbrieft hatten?

Nachdem ich aus den oben genannten Gründen gezwungen war, sie abzumahnen, wollte ich sicherstellen, dass meine Abmahnung beachtet, die Urheberpersönlichkeitsrechte umgesetzt und eine vergleichsweise Lösung erörtert werden kann. Frau Tielker bat dann aufgrund meines Anrufes darum, die Kalender weiter verkaufen zu können, wozu ich ihr einen Vorschlag unterbreitete.

Frau Tielker hat nachträglich einen mit Ihnen inhaltlich vereinbarten Urhebervermerk als Aufkleber angebracht. Warum ist das Thema damit für Sie nicht ausgeräumt?

Weil der Aufkleber nicht den Vorgaben meines Mandanten gemäß dem Urhebergesetz entspricht. Von einem Wegfall einer Wiederholungsgefahr durch eine bloße Beseitigung kann unter keinem Gesichtspunkt eine Rede sein, da eine Rechtsverletzung zu der Gefahr einer Wiederholung zur Folge hat. Eine Wiederholungsgefahr kann nur durch eine ernsthaft gemeinte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Dies verweigert Frau Tielker und setzt den Verkauf fort.

Jeder Verkauf setzt eine ordnungsgemäße Namensnennung des Werkes und des Urhebers voraus. Diese liegt nicht vor. Soweit eine dem Urheberrecht entsprechende Nennung des Titels und des Urhebers nicht gegeben ist, darf mein Mandant die Nutzung untersagen. Darum geht es und das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Werden Sie wegen des Weiterverkaufs der Kalender Anklage erheben und den Prozess vor Gericht suchen?

Dem Landgericht Bochum liegt ein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung vor.

Martina Tielker (links) und Kerstin Fröhlich von Sterndruck Media präsentierten Mitte Oktober freudestrahlend den Castrop-Kalender für 2025. Da war die Stimmung noch gut. Dann kam die Abmahnung.
Martina Tielker (links) und Kerstin Fröhlich von Sterndruck Media präsentierten Mitte Oktober freudestrahlend den Castrop-Kalender für 2025. Da war die Stimmung noch gut. Dann kam die Abmahnung. © Tewe Schefer

Wie kommen Sie zur Berechnung der mit der Unterlassung verbundenen rund 200 Euro für den „Geschädigten“ und 1300 Euro für Sie, also dessen Rechtsvertreter?

Der Schadensersatz von Herrn Bormann entspricht den im Drohnen-Urteil für Herrn Bormann angesetzten Tarifen, die auch der Bundesgerichtshof nicht beanstandet hat. Üblicherweise setzt man als Gegenstandswert einen Betrag pro verwendeten Bild an, hier geht es bei einer Auflage von 250 Kalendern um 250 Bilder. Ungeachtet dessen habe ich inzwischen 7 lange Mails von Rechtsanwalt Schneider erhalten, der zeitliche Aufwand ist nicht nur ganz erheblich, sondern kaum kostendeckend.

Rechtsanwalt Schneiders – der in seinen Schriftsätzen äußerst umfangreich zur Panorama-Freiheit, aber kaum dem Namensnennungsrecht Stellung nimmt – hat in seiner ersten Abmahnung den Gegenstandswert auf 50.000 Euro – das 2,5-fache des ursprünglichen Gegenstandswertes – erhöht, um massiven wirtschaftlichen Druck auf meinen Mandanten auszuüben. Rechtsanwalt Schneiders will 2.452,00 € von meinem Mandanten und nennt dazu noch nicht einmal einen einzigen, diesen Wert nachvollziehbar rechtfertigenden Grund. Wenn er meint, die Kosten lägen im dreistelligen Bereich, so versucht er meines Erachtens auch insofern, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.

Das Verhalten der Gegenseite, die persönliche Kenntnis des Werkes und des Urhebers zu leugnen und dies jetzt sogar öffentlich zu wiederholen, zielt auf die offenkundig gewollte öffentliche Beleidigung meines Mandanten.

Meinem Kenntnisstand nach haben Sie auch Herrn Hoffmann als Fotograf mit einer Unterlassungserklärung angeschrieben. Gibt es weitere abgemahnte Personen/Institutionen in dieser Sache oder mit dem Hintergrund der Nutzung von Fotos der Sonnenuhr von Künstler Jan Bormann?

Ich habe sogar versucht, den Fotograf, Peter Hoffmann, persönlich zu erreichen. Er lehnte aber ein Gespräch mit mir gemäß der Aussage seiner Mitarbeiterin ab, und verwies auf Rechtsanwalt Schneiders, weshalb eine weitere Abmahnung notwendig wurde. Abmahnungen – d.h. die Aufforderung zur Beseitigung und die Abgabe einer Unterlassungserklärung – haben Frau Tielker und Peter Hoffmann erhalten.

Der Kalender Castrop-Rauxel 2025 zeigt die Sonnenuhr von Jan Bormann. Der Künstler hat eine Abmahnung ausgesprochen, da anfangs weder auf den Titel des Kunstwerks noch auf ihn als Urheber hingewiesen wurde. Die Aufnahme vom Sonnenuntergang auf Schwerin machte Peter Hoffmann.
Der Kalender Castrop-Rauxel 2025 zeigt die Sonnenuhr von Jan Bormann. Der Künstler hat eine Abmahnung ausgesprochen, da anfangs weder auf den Titel des Kunstwerks noch auf ihn als Urheber hingewiesen wurde. Die Aufnahme vom Sonnenuntergang auf Schwerin machte Peter Hoffmann. © Montage von Wangenheim/Schefer