Rechtsanwalt Schneiders zum Kalender-Streit „Das findet überhaupt keinen Rückhalt im Gesetz“

Josef Kalender-Streit: „Das findet überhaupt keinen Rückhalt im Gesetz“
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Der Wand-Kalender-Streit um die Abbildung des Kunstwerks von Jan Bormann, die Sonnenuhr auf der Halde Graf Schwerin, wird inzwischen von zwei Rechtsanwälten weitergeführt. Der Berliner Anwalt Jan Froehlich hatte im Auftrag von Bormann eine Abmahnung an die Castroper Leselust und den Fotografen Peter Hoffmann ausgesprochen. Hoffmann und Tielker nahmen sich in Josef Schneiders aus Bochum einen Urheberrechtsexperten als rechtlichen Vertreter zu Hilfe. Der war am Donnerstagvormittag in der Leselust und beantwortete uns im Interview Fragen zum Fall Sonnenuhr.

Herr Schneiders, vielleicht können Sie einmal die Argumente darlegen, warum Sie es für rechtlich in Ordnung halten, den Wandkalender mit der Abbildung auf dem Deckblatt hier zu verkaufen.

Die fragliche Abbildung ist geschaffen worden von einem Dritten, einem Fotografen. Er hat diese Bilder Frau Tielker angeboten. Sie hat aus dieser Sammlung die Bilder ausgesucht für ihren Kalender. Das streitbefangene Bild ist das Bild, von dem ich heute weiß, dass es die Abbildung der Halde und der Sonnenuhr ist. Diese Aufnahme an sich ist per se zulässig, denn dieses Werk steht öffentlich, ist im öffentlichen Raum fotografiert worden und da gilt der Grundsatz der Panoramafreiheit nach Urheberrechtsgesetz.

Das heißt: Ich darf alles fotografieren, was ich öffentlich sehe, ohne dass ich mir Hilfsmittel wie Leitern oder dergleichen suche. Es gibt in der jüngsten Vergangenheit ein Urteil betreffend dieser Sonnenuhr vom Bundesgerichtshof. Der sagt, der Vertrieb, das Foto ist nicht zulässig, konkret, weil eine Drohne eingesetzt wurde. Das ist der Grund, warum der Verlag, der dieses Reisebuch publiziert hat, verurteilt wurde, es zu unterlassen. Nicht, weil das Bild als solches verboten ist, sondern durch die Anspruchnahme von Hilfsmitteln, sprich der Drohne.

In der Vergangenheit hat es ähnliche Entscheidungen gegeben, z.B. zum verhüllten Reichstag. Dort gilt die gleiche Vorschrift, die an die Abbildung ist erlaubt, aber nur dann, wenn das Werk bleibend ist. Die Verhüllung war aber temporär, das heißt, wie eine Ausstellung. Dann gilt das Privileg der Panoramafreiheit nicht. Vergleichbar auch der Eiffelturm in Paris: Der ist im Augenblick phasenweise mit besonderen Lichteffekten illuminiert. Ich darf tagsüber den Eiffelturm fotografieren, so oft ich will, kann das Bild auch verkaufen, aber ich darf das nicht bei Einspielung der Lichteffekte.

Wir haben hier also die Erlaubnis des Fotografierens unter dem Aspekt der Panoramafreiheit.

Ohne Wenn und Aber. Die Frage ist, ob man den Urheber eines Kunstwerkes, das abgebildet wird, nennen muss oder nicht.

Wie schätzen Sie das ein?

Die Gegenseite beruft sich auf den Paragrafen 63 Urheberrechtsgesetz und sagt, du musst den Urheber nennen. Es ist grundsätzlich richtig, was die Gegenseite sagt, aber es gibt Schranken. Frau Tielker hat die Fotos gesehen, ohne zu wissen, wer der Urheber ist und ohne zu wissen, was das Werk aus Sicht des Urhebers genau zeigt. Sie kennt das Werk nicht. Sie ist nie dagewesen. Sie hat sich das Foto angeguckt und es hat ihr gefallen.

Sie hat es in den Kalender aufgenommen. Das heißt, der Vorwurf der Gegenseite, du missachtest die Rechte von Herrn Bormann vorsätzlich und beleidigst ihn damit, ist völlig aus der Luft gegriffen. Was ich nicht weiß, kann ich nicht zum Gegenstand einer Beleidigung machen.

Spielt da eine Rolle, wie das Kunstwerk abgebildet ist oder ob es überhaupt abgebildet ist? Sie argumentieren auch damit, dass hier eine Reiterin vor einem Sonnenuntergang abgebildet ist und nicht eine Sonnenuhr.

Das ist in der Tat so. Ich habe mir das Bild angeguckt. Ich bin nie da oben gewesen, obwohl ich eine Zeit lang hier gewohnt habe. Ich sehe ein Bild einer Reiterin vor einem interessanten Lichtspiel von Wolken und Sonne. Und diese Säulen, die ich da sehe, sind Beiwerk. Sie sind nicht Gegenstand des Ziels des Fotografen. Der Fotograf hat die Reiterin gesehen, hat das Lichtspiel gesehen und war zufällig in dem Areal dieser Sonnenuhr. Wenn ich das Bild sehe, kann ich aus den Säulen nicht erkennen, dass es sich um eine Sonnenuhr handelt.

Ich erkenne aus diesem Bild nicht die künstlerische Leistung von Herrn Bormann. Ich will seine Leistung gar nicht schmälern.

Sie haben dennoch mit Frau Tielker vereinbart, dass ein Aufkleber nachträglich hinter dem Deckblatt angebracht wird, auf dem der Urheber genannt ist. Warum? Und ist das dann ein Eingeständnis eines schuldhaften Handelns?

Das ist einfach der Aspekt der anwaltlichen Fürsorge. Ich muss, wenn ich Anwalt bin, alles tun, um zu verhindern, dass vermeidbarer Schaden entsteht. Wir müssen davon ausgehen, jedenfalls nach Erkenntnis heute, dass der Gegenanwalt relativ rigide vorgeht und alles tut, um Schaden bei unserer Mandantin zu verursachen.

Im Streit um einen Wandkalender: Buchhändlerin Martina Tielker und Künstler Jan Bormann.
Im Streit um einen Wandkalender: Buchhändlerin Martina Tielker und Künstler Jan Bormann. © Wangenheim / Weckenbrock / Hoffmann (Montage)

Woran machen Sie das fest?

Die Abmahnung ist so, dass er für Herrn Bormann 200 Euro geltend macht und für sich 1300 Euro. Der Schaden, den er durch die Nichtnennung beanstandet, ist deutlich geringer als sein eigenes Honorar. Ich will das jetzt nicht weiter interpretieren. Tatsache ist aber, dass Frau Tielker zu keinem Zeitpunkt bis zur Abmahnung wusste, was sich dahinter verbirgt. Nach der Abmahnung hat sie den Kalender sofort aus dem Verkehr genommen, hat den Aufkleber drauf gemacht, den übrigens der Gegenanwalt textlich vorgegeben hatte, und hat dann den Kalender, nachdem ich es schriftlich angekündigt habe, mit dem Aufkleber weiterverkauft.

Die Gegenseite macht jetzt geltend, sie könne verbieten, dass der Kalender verkauft würde. Das aber findet überhaupt keinen Rückhalt im Gesetz. Insofern kann sie es nicht verbieten. Rechtsanwalt Froehlich kann den Kalenderverkauf nicht verbieten; selbst wenn man seiner Rechtsausführung folgt, was ich so nicht tue.

Glauben Sie, dass das noch vor Gericht landen wird? Oder sind Sie jetzt in Ihrer Argumentation so weit fertig, dass Sie glauben, das wird fallengelassen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht ausschließen kann, dass der Gegenanwalt Gerichte in Anspruch nimmt. Es wird dann allerdings, zumindest meiner jetzigen Einschätzung nach, nur noch darum gehen, wie viel er bekommt oder ob nicht. Er erwartet jetzt von noch eine Unterlassungserklärung. Eine solche ist im Wettbewerbsrecht Gang und Gäbe. Die Frage ist, ob er hier einen Anspruch hat. Die Wiederholungsgefahr fällt weg dadurch, dass der Kalender nur noch mit diesem Streifen, mit diesem Aufkleber vertrieben wird. Das ist unabhängig von der rechtlichen Würdigung.

Ich muss jetzt mit meiner Mandantin klären, ob wir ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine solche Erklärung abgeben. Verbunden mit der Weitererklärung, dass wir das rein aus Kosteninteresse tun, um die gerichtliche Basis unmöglich zu machen, und dass wir ihm gleich mit draufschreiben, wir hielten das für rechtswidrig, für sittenwidrig. Wir sind auch der Meinung, er hat keinen Anspruch auf Geld.

Der Kalender-Streit sorgte nun für einen Besuch von Rechtsanwalt Josef Schneiders in der Castroper Leselust bei Martina Tielker. Sie zeigt die Rückseite des Titelblatts mit dem nachträglich aufgebrachten Urheber-Vermerk und Aufkleber.
Der Kalender-Streit sorgte nun für einen Besuch von Rechtsanwalt Josef Schneiders in der Castroper Leselust bei Martina Tielker. Sie zeigt die Rückseite des Titelblatts mit dem nachträglich aufgebrachten Urheber-Vermerk und Aufkleber. © Tobias Weckenbrock

Könnte es sein, dass sogar der Urheber, der diese Rechte geltend gemacht hat, die Kosten tragen muss?

Wir werden keine Kosten tragen für die Gegenseite. Das ist zumindest meine Empfehlung heute. Wenn die glauben, sie hätten Ansprüche, haben sie ein Problem. Wir können darüber diskutieren, ob für die Kalender, die vor der Abmahnung gelaufen sind, ein Kostenerstattungsanspruch da ist. Darüber können Gerichte so und so entscheiden. Wir sind der Meinung: Nein, weil wir nichts wussten. Wer der Urheber war, ist nicht erheblich. Und selbst wenn Anspruch da wäre, läge er im zweistelligen, maximal dreistelligen Bereich. Das mögen die Gerichte dann entscheiden, wenn es soweit kommt.

Ab der Abmahnung oder der Wiederaufnahme des Verkaufs sind keine Ansprüche da, weil der Name draufsteht, weil das Produkt legal fotografiert wurde. Das Produkt darf nach Panoramafreiheitsaspekten frei verkauft werden.

Anmerkung der Redaktion: Auch der Berliner Anwaltskanzlei von Jan Froehlich, der Jan Bormann in dieser Sache vertritt, haben wir einen Fragenkatalog vorgelegt. Der Anwalt bestätigte den Eingang der Fragen am Donnerstag und kündigte an, sie am Freitag zu beantworten.