Isabel Auffenberg zur Schließung des Kaffeehauses „Wenn ich das sehe, dann wird mir schlecht“

Isabel Auffenberg zur Schließung: „Wenn ich das sehe, wird mir schlecht“
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„Wir schließen das Kaffeehaus aus Personalproblemen“: Isabel Auffenberg hat in der vergangenen Woche eine Entscheidung bekannt gegeben, die ihr schwer fiel. Die lange reifte im 104-jährigen Familienunternehmen aus Ickern. „Am 30.6. ist Schluss in der Castroper Altstadt.“ Im Interview mit unserer Redaktion schildert sie Beweggründe und warum es so schmerzhaft ist.

Warum schließen Sie das Kaffeehaus nach nun rund eineinhalb Jahren wieder?

Wir können unsere sechs Geschäfte nicht mehr alle bedienen. Wir müssen die Fachkräfte aus dem Kaffeehaus in die anderen Cafés abziehen. Wir sehen das an den Ausbildungszahlen: Die Auszubildenden zur Bäckereifachverkäuferin in der gesamten Branche sind hier in der Umgebung an einer Hand abzuzählen. Und wir sehen ja auch, wie viel an den Berufsschulen passiert. Es kommt nichts mehr nach.

Bilden Sie selbst denn nicht aus?

Im Handwerk haben wir keine Probleme zurzeit. Im Verkauf dagegen haben wir im Moment nur eine Auszubildende im Verkauf, hätten aber vier Stellen frei. Wir haben schon viele Gespräche geführt, mit dem Bürgermeister, mit allen erdenklichen Stellen. Aber es ist kein Ausweg absehbar.

Eine Möglichkeit wäre doch, ungelernte Leute einzustellen.

Wir können auch mit Aushilfen arbeiten, aber eben nicht nur. Wir wollen die Kunden fachgerecht bedienen. Es geht in Verkaufsgesprächen oder am Café-Tisch um Allergien und Unverträglichkeiten. Wir bräuchten aber fürs Kaffeehaus drei oder vier gelernte Leute, also Fachverkäuferinnen und Fachverkäufer.

Warum schließen Sie denn genau da? Wäre nicht auch denkbar, überall Öffnungszeiten zu kürzen, um das Café zu erhalten?

Im Kaffeehaus benötigen wir das meiste Personal. Da kommen wir zudem recht zügig aus dem Mietvertrag raus. Haus-Eigentümer Magnus Heier würde zwar alles tun, damit wir offen halten können. Aber er kann uns auch kein Personal besorgen.

Wir haben ja nun berichtet. Wenn sich doch noch was tun sollte...

... dann würden wir ganz schnell wieder aufmachen. Familie Heier würde uns voll unterstützen, bei einem Umbau sogar noch mal mithelfen. Denn auch darüber haben wir nachgedacht.

Man könnte doch auch Selbstbedienung etablieren. Backregale zur Selbstentnahme sind ja inzwischen vollkommen üblich.

Wir wollen keinen SB-Laden. Wir sind Handwerk. Wir sind Qualität. Und das sind wir mit Stolz. Vielleicht reduzieren wir unser Angebot und arbeiten mit weniger Personal? Auch darüber haben wir nachgedacht, suchen seit Wochen nach Lösungen. Aber das ist schwierig.

Alexander und Isabel Auffenberg in ihrer Backstube an der Vinckestraße in Ickern.
Alexander und Isabel Auffenberg in ihrer Backstube an der Vinckestraße in Ickern. © Tobias Weckenbrock

Aber warum ist die Lage gerade jetzt so problematisch geworden?

Einige Mitarbeiterinnen sind erkrankt, andere sind in Rente gegangen oder stehen kurz davor. Wieder andere wollen lieber Home-Office und eine Vier-Tage-Woche, sie wollen nicht am Wochenende arbeiten – das können wir aber in unserer Branche nicht anbieten.

Ich habe auch Wut in mir, wenn ich höre, dass einige Leute Sozialtransfers einer Arbeit bei uns vorziehen. Wir machen für unsere Mitarbeiter alles. Sie können kostenlos in einem guten Sportstudio trainieren, wir bezahlen sie mindestens nach Tarif. Sie bekommen Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Aber Geld ist für viele kein Grund mehr: Viele wollen keine Überstunden mehr machen. Freizeit ist ihnen heute wichtiger und Wochenendarbeit ist ein Problem. Wir hatten im Kaffeehaus sonntags ohnehin schon immer geschlossen. Der Plan war, aber ab Frühjahr dort auch sonntags zu öffnen.

Und dann ist da noch etwas: Einige Mitarbeiter wollen keinen dauerhaften Kundenkontakt mehr, weil sei von Kunden bedroht oder beschimpft werden. Wirklich, das Kundenverhalten hat sich verändert. Man spürt eine Unzufriedenheit bei den Menschen seit der Corona-Pandemie. Das schlägt sich bei uns auf die Stimmung nieder.

Eine Torte zum Abschied des Leiters Julius Wandelt zeigt die Verbundenheit zur Nachbarschaft, hier in Person von Alexander und Isabel Auffenberg von der Ickerner Bäckerei: „Trotz guter Führung entlassen“, steht darauf.
Eine Torte zum Abschied des Leiters Julius Wandelt zeigt die Verbundenheit zur Nachbarschaft, hier in Person von Alexander und Isabel Auffenberg von der Ickerner Bäckerei: „Trotz guter Führung entlassen“, steht darauf. © Tobias Weckenbrock

Hätte es nicht Leute aus der Insolvenz von Backstube Vieting gegeben?

In ganz Castrop-Rauxel gibt es zurzeit eine gemeldete Fachverkäuferin, die eine Stelle sucht. Es gibt nichts auf dem freien Markt. Man könnte bei Kollegen jemanden abwerben, aber das ist auch schwierig. Als Vieting Ende Januar schloss, waren wir noch voll besetzt. Dort waren auch ungelernte Kräfte tätig, eine Frau arbeitet heute in Waltrop. Jetzt, wo wir Angestellte brauchen, ist irgendwie keiner verfügbar.

Das klingt zermürbend. Kürzlich haben wir Sie noch beim Abschied von Gefängnis-Chef Julius Wandelt getroffen. Sie brachten ihm eine Torte...

Glauben Sie mir: Jeden Tag muss ich Brände löschen. Wir fühlen uns gerade wie die Feuerwehr. Wir haben so viele Baustellen. Und wenn wir in die Zukunft blicken, wenn wir sehen, dass keine Leute nachkommen, wenn Sie sehen, dass Mitarbeiter bald in Ruhestand gehen oder in anderen Branchen arbeiten wollen – dann wird mir nur schlecht.

Manchmal wären Alexander und ich gern einfach irgendwo als Angestellte beschäftigt. Aber wir haben Kinder, Verantwortung für sie und das Familienunternehmen.

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