Größere und kleinere Steine liegen in einem Vorgarten. Und ein ganzer Wirtschaftszweig jubiliert.

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Im Schotterhandel müssen ständig die Champagner-Korken knallen

rnKolumne „Wohn(t)räume“

Wohnen ist ein Lebensgefühl. In dieser Kolumne beschäftigt sich unser Autor regelmäßig mit „Wohn(t)räumen“. Heute geht es um die wild wuchernden und mächtig umstrittenen Schotter-Vorgärten

Ruhrgebiet

, 29.10.2021, 14:55 Uhr / Lesedauer: 2 min

Noch ein Kommentar, eine Glosse, eine Kolumne zu Schottergärten? Muss das denn sein? So wird mancher Leser fragen. Dazu kann man doch nur zwei Meinungen haben: „Absolut grauenvoll“ oder „total praktisch“. Und diese beiden Meinungen sind mehr als einmal verbreitet worden.

Und trotzdem MUSS ich hier auf diese Vorgartenentwicklung eingehen. Denn die zentrale Frage, die sich doch eigentlich stellt, wenn man diese Ungärten sieht, ist Folgende: Wie laut müssen eigentlich bei den Schotterfirmen in den vergangenen Jahren die Champagner-Korken knallen?

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Die Hersteller, Zwischenhändler und Baumärkte müssen doch vor unverhofft in den Schoß gefallenem Glücks gar nicht wissen, wohin mit dem Geld, das sie für ihre Steinchen auf einmal bekommen. Was früher lediglich als unterste Lage für Pflasterflächen benutzt wurde, ist heute ein Designprodukt.

In-Produkte eines verrückten Marktes

Thüringer Schiefer, Canadian Slate, Basaltsplitt oder auch Taunus-Kies sollen quasi der Dernier Cri in Sachen Schutt, sorry Schotter im Beet sein. Und auch die Sorte Bianco Vena, so las ich, „erfreut sich mittlerweile immer größerer Beliebtheit bei der Bedeckung von Beeten“. Ein 20-Kilo-Säckchen kostet knapp 27 Euro.

Wenn ich meine Oma väterlicherseits zitieren darf: „So macht man aus Sche... also Gold.“ Wahrscheinlich ist die explodierte Schotter-Nachfrage und der vermutlich galoppierende Preis durch das ganze Heer an Naturzukippern in unseren Siedlungen auch nicht ganz unschuldig an der zunehmenden Inflation. Das sollten die Volkswirte mal in den Blick nehmen, statt sich um Benzin und Diesel Sorgen zu machen.

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Das Tolle ist ja zudem, dass die Kieshändler jetzt auf ihren Seiten im Internet auch noch kräftig Gartentipps liefern. Wo man früher technische Angaben zur Verdichtung des Zeugs fand, liest man heute Rubriken wie „Herbst 2021 - An alle Gartenfreunde“.

Beschwerliche Gartenarbeit vermeiden

Da finden sich dann auch Hinweise wie dieser (Originalzitat): „Um beschwerliche und oft auch lästige Gartenarbeit zu vermeiden, empfehlen wir Ihnen das Beet zuerst mit einem Unkrautvlies zu belegen. Hierdurch kann kein Unkraut durch den Schiefer wachsen und Sie können sich täglich an Ihrem dekorativen Beet erfreuen.“

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Und die Schotter-Kies-Basalt-Mogule sitzen derweil wahrscheinlich in ihren Marmor-Villen und zählen die Geldscheine, die die neue deutsche Vorgärtner-Fraktion ihnen gleich mit Schubkarren anliefert. Ich verstehe jetzt auch endlich, warum sich die Begriffe Kies und Schotter als Synonyme für viel Geld manifestiert haben.

Zur Kolumne

In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag so ausmacht.
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