Ickerner Häftling blickt auf die Zeit nach Entlassung
Sorgen und Hoffnungen
Marcin Plucinski fuhr ohne Führerschein und wurde erwischt. Er nahm Bus und Bahn ohne Fahrschein. Er zahlte seine Strafmandate für die Vergehen nicht – und sitzt nun in der Justizvollzugsanstalt Meisenhof in Ickern. Jedoch nur noch kurz. Mit uns sprach der handwerklich begabte 35-Jährige über die Herausforderungen der Freiheit.
In der Justizvollzugsanstalt werden Sträflinge im offenen Vollzug vorbereitet auf die Zeit nach der Haft. Für Marcin Plucinski ist der 19. September sein „großer Tag“ – dann wird er in die Freiheit entlassen. Ein Tag der Freude? Er könne den Tag kaum erwarten, sagt der ernsthaft wirkenden Mann, als wir ihn an seinem Arbeitsplatz besuchen. Andererseits mache er sich aber große Sorgen um seine Zukunft. „Ich habe richtig Panik, wenn ich daran denke, wie es mit mir weitergehen soll.“
Bei unserem Treffen erzählt Plucinski aus der Zeit vor der Haft. Drei Ausbildungen habe er in Polen absolviert, sagt er. Innerhalb von fünf Jahren habe er den Beruf des Trockenbauers, des Kfz-Mechanikers sowie des Lackierers und Pulver-Beschichters erlernt.
Sorge um Arbeit und Wohnung raubt den Schlaf
Wieder straffällig zu werden, davor habe er keine Angst, meint er – er sei sich sicher, dass das nicht passiere. Vielmehr raube ihm eine ganz andere Sorge den Schlaf: die um seine Existenz da draußen. Findet er einen Arbeitsplatz? Eine Wohnung?
Warum er im Knast gelandet ist, ist schnell erzählt: „Ich konnte meine Strafzettel nicht bezahlen“, erzählt Plucinski. „Ich bin kein schlechter Mensch.“ Gern würde er alles ungeschehen machen und andere junge Leute vor gedankenlosen Dummheiten warnen – so wie seine eigenen: Ohne Führerschein sei er gefahren. Dann wurde er dabei erwischt, als er ohne Fahrschein in Bus und Bahn unterwegs war. Dafür hat er gebüßt.
„Ich wünsche mir so sehr, dass ich hier in Castrop-Rauxel ein neues Leben beginnen kann“, sagt er – mit Inbrunst. „Ich habe ja jetzt meine Strafe abgesessen. Nun bin ich darauf angewiesen, dass mir ein Arbeitgeber eine neue Chance gibt.“
Fleißig und ein echter Künstler
Im Knast bewies er, dass er fleißig ist und überdies ein echter Künstler. „Er hat’s nicht nur handwerklich drauf“, sagt Anstaltsleiter Julius Wandelt. Für die Comedy-Reihe Kultur im Knast porträtiert Plucinski die Künstler auf Holz. Er versteht es, Menschen mit einem Lötkolben auf einer Holzplatte zu verewigen. Die Kabarettistinnen Lioba Albus und Esther Münch machten einen überwältigten Eindruck, als sie die Kunstwerke von Plucinski überreicht bekamen.
Der 35-Jährige erzählt, wie begeistert Kunden in Polen waren, als er bei einer Trockenbaufirma beschäftigt war: „Wir haben eine Wohnung mit allem Drum und Dran renoviert: Fliesen legen, neue Fenster, Wände aus Rigipsplatten. Und als i-Tüpfelchen habe ich im Schlafzimmer eine Wand mit den Schattenumrissen des Paares bemalt.“ Aber auch sein Job in einer Kfz-Werkstatt sei super gewesen: Er spritzte als Pulver-Beschichter Graffiti-Motive auf Motorräder.
Erst mal ein Platz im Obdachlosenheim
„Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient“, sagt Julius Wandelt. Er hofft für den Polen, dass ein Arbeitgeber und ein Wohnungseigentümer in Castrop-Rauxel ihm eine solche ermöglichen. Für die Zeit nach seiner Entlassung sei erst mal ein Platz im Obdachlosenheim reserviert. Kein optimaler Einstieg, aber ohne Job kann Plucinski sich nichts eigenes leisten. Nur: Ohne Wohnung ist es schwierig, einen Job zu finden, meint Wandelt. Ein einzelnes kleines Zimmer, sagt Plucinski, würde für den Anfang schon reichen.
Er ist allein. Sich ohne Kontakte ein neues Leben aufzubauen, sei natürlich nicht einfach, sagt JVA-Chef Wandelt. Darum setzt er sich für ihn ein: Wenn es Wohnungs- oder Stellenangebote gibt, will er sie für den JVA-Insassen entgegen nehmen. In Freiheit steht er dann wieder auf eigenen Beinen. Marcin Plucinski denkt mit Vorfreude daran – aber auch mit Sorge; zumindest aber mit großem Respekt.
Handwerklich macht Plucinski nach eigener Aussage alles. Auch Dachdecker wäre eine Option. Angebote (auch für Wohnungen) an Julius Wandelt, Anstaltsleiter der JVA, Tel. (02305) 98 31 00, E-Mail: julius.wandelt@
jva-castrop-rauxel.nrw.de