Gerhard Kischkat verzweifelt langsam, so schreibt er in einer Mail an die Redaktion. Der Betreff seiner Mail: „Hilfe“. Es geht um den Verkehr auf der Horststraße in Ickern. „Wenn ich es drauf anlegen würde, dann hätte ich hier einen Unfall pro Woche“, sagt der 65-Jährige. „Hier wird keine Rücksicht genommen.“
Dabei wohnt Gerhard Kischkat eigentlich gerne in seiner Doppelhaushälfte in etwas abgeschiedener Lage in einem kleinen Arm der Horststraße zwischen der Emscher-Brücke und der Brücke über die A2. Doch genau das wird zum Problem, denn niemand achte hier auf das geltende Rechts-vor-links, wenn Gerhard Kischkat von der kleinen Seitenstraße auf die größere Horststraße abbiegen will.
Das zeigte sich auch bei einem Besuch an der Horststraße. Dutzende Autos sind zu schnell unterwegs und ignorierten das Verkehrsschild sowie die schwer einzusehende Rechts-vor-links-Situation. In einer halben Stunde bremste nur ein einziger Autofahrer regelkonform ab, in den anderen Fällen wäre es wohl zum Unfall gekommen.
Schon zwei Unfälle
Zweimal hat es für Gerhard Kischkat an genau dieser Stelle tatsächlich schon gekracht. Einer der Fahrer habe ihn ganz entgeistert angeschaut und gesagt: „Hier kommt doch sonst nie jemand raus.“ Glücklicherweise waren es beide Male nur leichte Blechschäden. Trotzdem verzichtet der 65-Jährige deshalb inzwischen meist auf sein Vorfahrtsrecht und lässt den Autos, die eigentlich von links kommen, den Vortritt, statt einen Unfall zu riskieren. Trotzdem gerate er immer mal wieder mit anderen Verkehrsteilnehmenden aneinander, sowohl mit Auto- als auch Radfahrern.

Ein weiteres Problem: Kaum jemand halte sich an die Tempo-30-Beschränkung auf der Horststraße, die von vielen als schnelle Verbindung von Waltrop auf die Recklinghäuser Straße genutzt werde. Obwohl außerorts, gelte hier etwas überraschend die Geschwindigkeitsbeschränkung. Viele Schilder gebe es jedoch nicht und auch geblitzt werde hier eigentlich nie.
Paradoxerweise sei die Raserei – und damit auch das Ignorieren der Rechts-vor-links-Situation – mehr geworden, seit auf der wenige Meter entfernten Emscher-Brücke vier Betonabsperrungen stehen, die verhindern sollen, dass zu schwere Fahrzeuge die marode Brücke passieren. So kann die Brücke außerdem immer nur aus einer Richtung befahren werden: und genau da liege für viele Autofahrer das Problem. Sie drückten extra nochmal aufs Gas, um die Brücke eher als der gegenüber zu erreichen. Auch hier würden Autofahrer wieder ihr Unwissen über die Verkehrsregeln unter Beweis stellen, denn aus Richtung Norden kommend haben sie auf der Brücke ohnehin Vorrang, wie ein Schild an der Brücke zeigt.
Eineinhalb Jahre warten
Doch Gerhard Kischkat hat nicht nur ein Problem, sondern auch eine mögliche Lösung anzubieten: Gleich neben dem kleinen Arm der Horststraße führt parallel auch eine Baustraße der Emschergenossenschaft zu seinem Haus. Diese Straße hat zwei große Vorteile. Die letzten Meter vor der Horststraße sind nicht ganz so steil, sodass es hier leichter ist, mit dem Auto zu halten. Außerdem ist die Horststraße von hier aus besser einsehbar.
Doch die Baustraße hat einen noch größeren Nachteil. Denn sie kann aktuell gar nicht genutzt werden – noch versperrt eine Leitplanke den Zugang zur Horststraße. Dabei dürfte sie eigentlich schon genutzt werden.
„Am 10.02.2022 wurde mir die Info mitgeteilt, der Gestattungsvertrag seitens Emschergenossenschaft, Stadt Castrop-Rauxel und EUV sei unterschrieben“, schreibt Gerhard Kischkat. Das bestätigte auch der EUV auf Anfrage der Redaktion.
Aber Kischkat kritisiert: „Eine Umsetzung innerhalb von eineinhalb Jahren ist bis heute nicht erfolgt! Wir gehen jetzt in das dritte Jahr.“ Darauf antwortet der EUV wiederum: „Aufgrund der Vielzahl der Aufgaben im Bereich der kommunalen Infrastruktur, die fortwährend priorisiert werden müssen, und aufgrund der personellen Kapazitäten ist eine Umsetzung noch nicht erfolgt, ist aber für das erste Quartal des kommenden Jahres vorgesehen.“
Lastwagen auf maroder Brücke
Wenige Meter weiter sieht Gerhard Kischkat das nächste Problem, nämlich auf der Emscher-Brücke. Ein betrunkener Fahrer war im Mai mit seinem Auto gegen die Betonabsperrung gekracht. Seitdem steht eine der Barrieren um rund zwei Meter verschoben. Der Abstand zwischen den beiden Betonabsperrungen ist nun weniger eng. „Das verführt zur schnelleren Fahrweise“, sagt Gerhard Kischkat. Und die erhöhte Geschwindigkeit führe wiederum dazu, die Vorfahrtsregel an seiner Seitenstraße noch stärker zu missachten.

Doch es gibt durch die Verschiebung der Betonabsperrung noch ein zweites, schwerwiegendes Problem. Gerhard Kischkat konnte beobachten, wie verbotenerweise auch Lastwagen mit einem Gewicht von „mindestens 7,5 Tonnen“ über die marode Brücke fuhren. Eigentlich sind auf dem Bauwerk über die Emscher maximal 3,5 Tonnen erlaubt, wie eine Brückenprüfung schon 2016 ergab. Von allen Brücken in Castrop-Rauxel schnitt die Emscher-Brücke in Ickern damals am schlechtesten ab.
Auch hier hat der 65-Jährige eine Lösungsidee. Im August meldete er sich damit in Bürgermeisterbüro. Die Betonabsperrung müsste entweder zurück an die alte Position gerückt werden oder aber – laut Gerhard Kischkat noch besser – versetzt auf beiden Seiten, um das Tempo der Autos zu verlangsamen. Zweimal habe ihm das Bürgermeisterbüro mitgeteilt, dass es zeitnah eine Antwort auf seinen Vorschlag inklusive Skizze bekommen würde, zuletzt an 28.11. Getan habe sich aber seit August nichts. Die Stadt Castrop-Rauxel bestätigte diesen Mailwechsel und auch hier sei für das erste Quartal 2023 das Versetzen der Betonbarrieren vorgesehen.
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