Im Keller, irgendwo in einer Umzugskiste beim Ehepaar Bange, liegen Christbaumkugeln. Unbenutzt. Jana Bange hat sie vor einem Jahr Anfang Januar gekauft, voller Vorfreude, dass sie und ihr Mann Sebastian das nächste Weihnachtsfest im eigenen Heim in Castrop-Rauxel feiern werden. Das stand fest. Hundertprozentig, hätten sie damals gesagt. Sie hätten auch Osterdeko kaufen können. Denn April 2024 war der anvisierte Termin zum Einzug in ihr eigenes Haus, vielleicht sogar eher, so die Bauherren.
Dann kam der 10. Januar 2024. Und die Nachricht von der Insolvenz des Bauunternehmens Tecklenburg, der in Merklinde an der B 235 das Baugebiet Mariengärten vermarktete. Erste Hoffnungen zerstoben in der Folge. Die sechs Hauskäufer für Reihenhäuser und Doppelhaushälften mussten umplanen, erfuhren schnell, dass sie auf sich selbst gestellt seien. Eine Katastrophe.
Februar 2025: Jana und Sebastian Bange (beide 30) öffnen die Tür zu ihrem Haus. Bilder an den Wänden im Flur, Deko – der erste Blick verrät bereits, hier haben sich zwei Menschen ein schönes Zuhause geschaffen. Wenige Wochen leben sie jetzt in ihrem Haus, das offiziell an der Bischof-Rettler-Straße 31 liegt. Darauf weisen Schilder an der Wittener Straße (B235) an Bauzäunen hin. Schilder, die sie zwingend anschaffend mussten, um einziehen können. Nur eins von vielen Problemen. Dazu später mehr.

Wie es ihnen geht? Die Frage ist leicht beantwortet. Die Freude, endlich im eigenen Haus zu wohnen, spürt man im Gespräch. Ein dreiviertel Jahr später und viele Euros mehr ist es geworden. Anstrengend war es. Und deshalb sagt Jana Bange auch: „Das steckt noch in den Knochen.“ Sebastian Bange überlegt kurz, als ob noch einmal das vergangene Jahr gedanklich vorüberziehen würde: „Aber ich bin viel stolzer auf unser Eigenheim.“
Vielleicht braucht es solchen Optimismus, und auch Pragmatismus, um eine solche schwere Zeit zu überstehen. Anders als bei anderen Bauprojekten von Tecklenburg war nach der Insolvenz klar, hier passiert nichts mehr. Die Käufer können das Bauvorhaben in Eigeninitiative fortführen, hieß es im Mai 2024 vom Insolvenzverwalter. Im permanenten Ausnahmezustand sei man, hatte Jana Bange im vergangenen Herbst gesagt.
„So vieles hat neu angestanden, hat Zeit und Geld gekostet“, sagt Jana Bange. Bei ihnen lag zum Glück schon die Fußbodenheizung und der Estrich. „Veredelter Rohbau nennt man das wohl“, sagt Sebastian Bange. Andere Hauskäufer waren noch nicht so weit.

Sie erzählen, wie ab dem Punkt alles neu organisiert, neu beauftragt werden musste. Wie sie erst die ursprünglich vorgesehenen Handwerksbetriebe ansprachen, dann oft andere suchten. Und wieder nennen sie ein positives Beispiel. Ein Unternehmer zeigte sich sogar kulant: Auf die Türen, die sie neu kaufen mussten, gab es Rabatt, weil die Firma sie ja schon für den Tecklenburg-Auftrag vorproduziert hatte.
Vieles hat das Ehepaar noch einmal neu entschieden. Und das steht auch auf der Habenseite in der Bilanz des Hausbaus. Neue, schönere Fliesen sind es geworden. „Da konnten wir jetzt in einen Laden gehen und aus dem Vollen schöpfen“, sagt Jana Bange. Unterschiedliche Fußbodenbeläge gibt es jetzt auch. Sebastian Bange schaut im Wohnzimmer auf den Boden. „Den haben wir selber gelegt. Und ich schaue ihn mir jeden Tag sehr gerne an“, sagt er. Und da ist er wieder, der Stolz auf das Erreichte.
Einmal am Tag war einer der beiden Banges in den vergangenen Monaten vor Ort. Sebastian Bange hat hier aus dem Homeoffice gearbeitet, Baustellen-Office träfe es wohl besser. Nachbarschaftshilfe gehörte auch dazu. „Das ist auch was Positives: Wir kennen die Nachbarn jetzt gut. Wir haben viel zusammen gemacht.“
Wie die anderen Hauskäufer musste sich das Ehepaar für die Übergangszeit einen neuen Ort zum Wohnen suchen. Die beiden hatten Glück. Sie mussten zwar Ende August aus ihrer alten Wohnung ausziehen, kamen aber dann bei den Eltern unter. Bei den anderen Hauskäufern gab es teilweise mehr Probleme. Möbel wurden eingelagert, Airbnb statt Home. „Alle sind irgendwann bei Mama und Papa gelandet“, erzählt Jana Bange lächelnd.
Dass sie in den vergangene Monaten keine Miete zahlen mussten, half. Denn der Hausbau, für den sie bei Vertragsabschluss einen Festpreis mit Tecklenburg vereinbart hatten, wurde teurer. Viel teurer. „Mir zu erträumen, was wir von den Mehrkosten alles hätten kaufen können“, sagt Jana Bange, „PV-Anlage, Garten, Terrasse...“
Statt Rasen und Blumenbeeten sieht man aus dem Wohnzimmerfenster nur auf Erde. Auf einem Tisch steht ein kleines Holzkistchen mit Blumen. Es sieht aus wie ein Versprechen für die Zukunft. Zwei Häuser weiter türmt sich zudem noch Erde auf. Dieser Teil gehört zu dem Haus in der Reihe der vier, das nicht verkauft wurde. Auch eines der Doppelhaushälften hat keinen Besitzer.

So schön das Heim von Jana und Sebastian Bange ist – draußen vor der Haustür sieht noch einiges nach Baustelle aus. Nicht nur bei den Nachbarn in den Doppelhaushälften, wo teilweise noch gearbeitet wird. Zu den Häusern kommt man über eine Baustraße von der Wittener Straße. Das Grundstück gehört noch Tecklenburg und ist Teil der Insolvenzmasse. Die eigentliche Straße soll von der Johannesstraße aus zu den Häusern führen und ist noch gar nicht gebaut. „Wir hoffen, dass das Geld reicht, das Tecklenburg damals hinterlegt hat“, sagt Jana Bange.
Abnahme durch die Stadt
Die Erschließung sorgte im Herbst für Stress bei den Hauskäufern. Es war lange unklar, unter welchen Bedingungen die Stadt die Hausbauten abnehmen würde und der Einzug damit möglich. Mit dem EUV wurde über Straßen, Entwässerung, Wasser und Beleuchtung gesprochen.
Inzwischen sind die Banges und die anderen Hauskäufer entspannter. Der Insolvenzverwalter erlaubt die Nutzung der Baustraße. Und die Stadt gab ihre Genehmigung. „Sehen Sie die roten Stäbe an allen Ecken“, sagt Sebastian Bange, „die brauchten wir, damit bei Schnee die Feuerwehr nicht in die Gräben fährt.“ Auch die Straßenschilder vorne am Bauzaun waren Bedingung. „Das erste war zu klein, das erfuhren wir bei der Abnahme. Da mussten wir noch eines in einer Nacht-und-Nebel-Aktion anfertigen“, sagt Jana Bange und lacht, „ein echter Schildbürgerstreich.“

So langsam sind sie also angekommen. Gefreut haben sie sich über ein Begrüßungsgeschenk der Stadt. Und kürzlich fuhren Jana und Sebastian Bange in die Castroper Altstadt. Hier waren die beiden, die aus Bochum und Dortmund stammen, noch nie. „Es hat uns sehr gut gefallen“, sagen die beiden.
Vor allem aber wissen sie, dass sie alles richtig gemacht haben. Die Lage ist für sie perfekt. Ihr Reihenendhaus mit seinem im Vergleich größeren Grundstück und viel Platz ist ein Zuhause geworden. Weil es am weitesten weg von der Wittener Straße ist, ist es auch erstaunlich ruhig. „Das ist gut, wenn irgendwann vielleicht doch weiter gebaut wird“, sagt Jana Bange. 34 Häuser und ein Mehrfamilienhaus – das sahen die Tecklenburg-Pläne vor.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 2. März 2025.