Für kleinere Sticheleien, meist mit humoristisch-ironischem Unterton, ist „Die Partei“ bekannt. Es ist in gewisser Weise ihr Markenzeichen, mit manch einem Spielchen dieser Art das politische System zu entlarven. Im Castrop-Rauxeler Stadtrat sitzen zwei Vertreter, weil sie bei der letzten Kommunalwahl rund 2,9 Prozent der Zweistimmen bekam. Einer von ihnen sorgte nun für einen deutlichen Ordnungsruf des Bürgermeisters Rajko Kravanja (SPD).
Die Partei, die sich im Stadtrat auch als „Die Fraktion“ bezeichnet, ist immer mal für einen munteren Spruch gut. Das wissen alle anderen rund 50 Ratsleute nur zu gut. Oft können sich ihre Nebenleute von FDP, CDU, FWI, Grünen, SPD und selbst den etwas weiter entfernt sitzenden Linken und der UBP ein Schmunzeln kaum verdrücken, wenn Andreas Kemna oder Marcus Liedschulte ihr Wort erheben. Bei der Sitzung am Donnerstag (24.08.2023) war das auch so. Aber dann erntete Liedschulte doch einen Sturm der Entrüstung.
Es ging in der Tagesordnung um mögliche Verbesserungen für Radfahrer im Castrop-Rauxeler Straßenverkehr. Konkret um Rechtsabbieger-Pfeile: Kleine Schilder könnten an Ampeln aufgehängt werden, die Radfahrern auch bei Rotlicht das Rechtsabbiegen erlauben würden. Der Antrag der Koalition verleitete Liedschulte aus der zweiten Reihe, sich zu Wort zu melden und einen Kommentar loszuwerden, der mit Radfahren nun wahrlich nichts zu tun hat.
Das Thema lautete „Freier Rechtsabbieger“. Nachdem Timo Eismann (Grüne) den Antrag erläutert hatte, Nils Bettinger (FDP) forderte, den Antrag leicht zu modifizieren, stellte Harald Piehl (FWI) eine Nachfrage. Dann erklärte die CDU in Person von Frank Steinbach, dass man zwar eher kritisch eingestellt sei, weitere Schilder in der Stadt aufzustellen, diese Initiative als Prüfauftrag an die Verwaltung allerdings mittragen würde. Dann erteilte Kravanja Liedschulte das Wort.
„Bitte mit Mikro, damit die Millionen Zuschauer auch etwas verstehen können“, sagte Kravanja mit einem schelmischen Unterton. Daraufhin räusperte sich Liedschulte: „Hallo. Ich wundere mich, warum die CDU hier gegen das freie Rechtsabbiegen argumentiert. Das ist doch eigentlich ihr politisches Konzept.“
Raunen und lachen im Ratssaal. „Heeeerr Liedschulte“, so Kravanja. „Ich rufe Sie zur Ordnung. Wir müssen hier nicht aus jeder Sache, in der das Wort ‚rechts‘ vorkommt, ein Dogma machen und die CDU in die rechte Ecke stellen. Ich wiederhole, was ich auch tiefster Überzeugung öfter hier sage: Wir haben hier in sämtlichen Debatten, seit ich hier politisch aktiv bin, über Flüchtlinge, Ausländer, Rechtsextremismus immer in einer sachlich konstruktiven Art und Weise und meistens sehr, sehr einvernehmlich diskutiert. Ich verbitte mir ausdrücklich, die Kollegen der CDU hier in Castrop-Rauxel in die rechte Ecke zu stellen.“ Der ganze Ratssaal klopft bestätigend, während Liedschulte den Rüffel gelassen hinnimmt.
Breilmann: „Nicht mehr lustig!“
Michael Breilmann ergreift daraufhin für die CDU das Wort: „Wir haben lange dazu geschwiegen, Herr Liedschulte. Auch in den sozialen Medien kommt das immer wieder auf. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich relativ deutlich Position beziehe, hier und im Deutschen Bundestag. Ich gehe mit einem Bundespolitiker mit, der mal gesagt hat: Gute Satiriker gehören auf die Bühne, schlechte ins Rathaus.“
Er würde Liedschulte empfehlen: „Überlegen Sie sich, ob Ihr Verhalten nicht manchmal Wasser auf die Mühlen der AfD ist. Satire ist gut und schön, aber machen Sie es dann auch wirklich gut. Was von Ihnen in regelmäßigen Abständen gegenüber der CDU geäußert wird, ist daneben und deplatziert. CDU und CSU haben viel für unser Land getan und eine Bannmeile gegen Rechts gezogen.“
Liedschulte lacht daraufhin. Und Breilmann schließt mit: „Ich finde das nicht mehr so lustig. Bei Umfragen der AfD von bis zu 20 Prozent sollten eigentlich alle Demokraten zusammenstehen. Ich lade Sie dazu herzlich ein.“ Klopfen im Rat, auch auf der linken Seite bei der SPD.
Auswirkungen hat eine solche Ermahnung nicht. Einen Ausschluss aus einer Sitzung gibt es erst nach drei Ordnungsrufen.
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