Frank Schwabe (52) vor heikler Mission SPD-Politiker leitet Wahlbeobachtung in der Türkei

Frank Schwabe vor heikler Mission in der Türkei
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Der SPD-Politiker Frank Schwabe (Bundestag/Europarat) hat in der internationalen Politik schon einiges erlebt. Er sagt das mit Zurückhaltung: „Ich habe mir in vielen Dingen eine gewisse Routine erarbeitet.“ Sein aktuelles Projekt ist allerdings eins, das auch für ihn besonders ist. Der gebürtige Waltroper, der in Castrop-Rauxel lebt und den Wahlkreis Recklinghausen auch bei der jüngsten Bundestagswahl gewonnen hat, leitet die Wahlbeobachtungsmission des Europarates bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei am 14. Mai. Ein Job, bei dem er mit 42 Abgeordneten genau hinschauen soll und zugleich selbst im Fokus steht. Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein Machtapparat üben offen Kritik an der Wahlbeobachtungsmission – ohne dabei Namen zu nennen.

Schwabe weiß, worum es geht: „In der Türkei steht es politisch wirklich Spitz auf Knopf. Umso wichtiger ist es, dass die Wahl korrekt abläuft.“ Sowohl bei der Regierung als auch bei der Opposition sei die Anspannung sehr hoch. Es geht um viel, nicht nur für die gut 84 Millionen Türken. Die Türkei spielt eine Schlüsselrolle im weltweiten geopolitischen Machtgefüge. Das Land ist ein nicht immer einfacher Verbündeter des Westens in der Nato, behindert aktuell den Nato-Beitritt Schwedens. Und dann gibt es da noch den Flüchtlingsdeal, bei dem nicht klar ist, ob er fortbesteht, wenn die Opposition an die Macht kommt. Denn: Auch die politischen Gegner Erdogans machen Stimmung gegen die Millionen Syrer im Land, hat Frank Schwabe beobachtet.

Mit einem politischen Urteil will und muss sich der 52-Jährige als neutraler Wahlbeobachter zurückhalten. Über seine heikle Mission kann er sprechen.

Geschäftsmäßig gekleidete Männer und Frauen sitzen in einem Besprechungszimmer an einem großen Tisch.
Frank Schwabe (vorne M.) bei der Arbeit: Im Zuge der Vorwahlbeobachtung gab es bereits einige Treffen – wie hier mit Vertretern der türkischen Regierungspartei AKP. Das Erdogan-Bild an der Wand zeigt noch einen Präsidenten mit vollem schwarzen Haar. © Europarat

Am Donnerstag vor der Wahl (11.5.) wird Schwabe in den Flieger nach Ankara steigen. Am Freitag und Samstag trifft er Vertreter von Regierung, Opposition und der zentralen türkischen Wahlkommission, die nach dem Urnengang den Sieger verkünden wird.

Warum gibt es in der Türkei eigentlich Wahlbeobachter? Der Europarat schickt seine Mission, weil die Türkei aus europäischer Sicht ein demokratisches Sorgenkind ist. Frank Schwabe drückt das so aus: „Das Umfeld der Wahlen ist nicht so, wie es sich der Europarat vorstellt.“ Es geht um Presse- und Meinungsfreiheit, Menschenrechte und manches mehr. Kritiker der Regierungspartei AKP oder ihres Präsidenten verschwinden im Gefängnis. Dieser Kurs ist in den gut 20 Jahren von Erdogans Präsidentschaft immer strikter geworden.

Vor dem Hintergrund dieser Repressalien sei es erstaunlich, dass das Rennen um die Präsidentschaft in der Türkei so offen sei wie lange nicht. „Es gibt eine unglaublich lebendige Zivilgesellschaft“, sagt Schwabe. Türkisch spricht der 52-Jährige bis auf ein paar Höflichkeitsfloskeln nicht. Er wird seine Mission vor allem in englischer Sprache vorantreiben.

Aus vielen Puzzleteilen soll ein Gesamtbild werden

Schwabe und seine gut 40 Wahlbeobachter können unmöglich in jedem Wahllokal präsent sein. Wie also will der Leiter die Wahlen beobachten? Die Wahlbeobachter melden 21 Teams, melden ihre Eindrücke an Frank Schwabe. Der setzt aus den vielen Puzzleteilen ein Gesamtbild zusammen. Ein Schwerpunkt der Beobachter liege auf den immer noch stark zerstörten Erdbebengebieten im Süden der Türkei. Dort kommen vor allem mobile Wahllokale zum Einsatz.

Einschreiten kann die Mission nicht. „Wir haben“, sagt Schwabe, „keine ultimative Macht, um Wahlfälschung vor Ort zu unterbinden.“ Am Ende wird Schwabe auf einer Pressekonferenz am Montag (15.5.) um 15 Uhr türkischer Zeit eine Einschätzung dazu abgeben, ob die Wahl wirklich eine demokratische war.

Und wer stellt sicher, dass Frank Schwabe und die anderen Wahlbeobachter ihre Arbeit ohne Einschränkung erledigen können? Frank Schwabe wiegt den Kopf. „Es gibt Regeln, und da ist die Öffentlichkeit.“

Als Wahlbeobachter war Schwabe schon in Aserbaidschan, der Ukraine und Bulgarien im Einsatz. Er weiß, was passieren kann. Wenn etwa am frühen Morgen Zettel gleich in Paketen zu mehreren Dutzend in der Wahlurne versenkt werden. Beim Leeren der Urnen seien solche Packen oft noch zu identifizieren.

Unterm Strich gelte: Einzelne Ungereimtheiten sind keine Seltenheit. Auch in Deutschland. Hier musste die jüngste Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wegen zu vieler Pannen wiederholt werden. „Für uns ist am Ende entscheidend, ob da etwas systematisch passiert“, sagt Schwabe.

Wahlbeobachter Frank Schwabe mit Headset und Binali Yildirim sitzen in einem Besprechungszimmer. Im Hintergrund: Ein Portrait des türkischen Republikbegründers Kemal Atatürk und die türkische Flagge.
Frostige Atmosphäre: Beim Treffen mit dem früheren türkischen Ministerpräsidenten und AKP-Mitbegründer Binali Yildirim bleiben die Gesprächspartner auf Distanz. Im Hintergrund ein Bild des türkischen Republikbegründers Kemal Atatürk. © Europarat

Frank Schwabe sitzt seit 2005 für den Wahlkreis Recklinghausen im Bundestag, seit 2022 ist der SPD-Politiker „Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit“. In der parlamentarischen Versammlung des Europarates führt Schwabe die Fraktion der Sozialisten, Demokraten und Grünen. Bundesweite Bekanntheit erlangte der Sozialdemokrat nicht zuletzt durch die Offenlegung der Aserbaidschan-Affäre um Bestechlichkeit von Abgeordneten vornehmlich der Union. Im März 2021 war Schwabe deshalb Gast in der TV-Talkshow von Markus Lanz. Jetzt also Ankara.

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