Flüchtling geht aus Castrop-Rauxel zurück in den Irak

Weg ohne Wiederkehr

Rückkehr ohne Wiederkehr: Der Flüchtling Saif Kadhim geht zurück in den Irak, denn seine Mutter braucht seine Hilfe. Die Offliner der Flüchtlingshilfe um Edeltraud Kluft verlieren einen Freund. Doch seine Bilder bleiben hier.

von Abi Schlehenkamp

CASTROP-RAUXEL

, 26.10.2017, 07:00 Uhr / Lesedauer: 3 min
Knapp 30 Bilder stehen noch in Saif Kadhims Wohnung.

Knapp 30 Bilder stehen noch in Saif Kadhims Wohnung. © Abi Schlehenkamp

Die Sorge hat den Ausschlag gegeben, dass Saif Kadhim zurückkehrt. Zurück in den Irak – seine Heimat. Der Mutter zuliebe. Sie ist herzkrank und muss operiert werden. „Sie hat gesagt, komm‘ nach Hause“, sagt er leise. Unsere Zeitung ist dabei, als Saif Salah Aldin Kadhim, so heißt er mit seinem vollen Namen, Besuch bekommt von Edeltraud Kluft. Längst sind aus Fremden Freunde geworden – auch über die Reihen der Offliner in der Flüchtlingshilfe hinaus.

Edeltraud Kluft nimmt zwei Bilder mit. Saif, wie ihn seine Freunde schlicht nennen, hat nicht von Anfang an gemalt, als er hierherkam. Aber nach einem Malkurs mit Frauke Otto und mit anderen Geflüchteten immer wieder. Jetzt stehen noch knapp 30 Bilder in seiner Wohnung an der Dinnendahlstraße in Merklinde. An seine Freunde gibt er sie gerne ab – gegen eine kleine Spende für Flüchtlinge. Mitnehmen in den Irak kann er sie nicht.

Ausreisezeitpunkt ist offen


Wann die Reise mit dem Flieger, den der 37-jährige gerne ab Düsseldorf nehmen würde, zurückgeht, ist noch nicht klar. Erst wollte er Hals über Kopf nach Hause, dann überzeugten ihn Freunde, er solle den von der Stadt vorgeschlagenen Weg über die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Frankfurt beschreiten. Damit er einen Antrag auf Rückkehrhilfe stellen kann. Er bekommt dann den Flug und eine kleine Starthilfe. Montag war Saif bei der Ausländerbehörde. Und hat die entscheidenden Papiere ausgefüllt. Für den Weg ohne Wiederkehr, denn als Flüchtling darf er nicht wieder hierher zurück. Drei Wochen könnte es dauern, bis es soweit ist. Vielleicht auch länger, heißt es bei der Stadt. Die kleine Wohnung an der Dinnendahlstraße ist gekündigt. Zum 1. November. Und danach? Danach wird Saif bei Ahmad wohnen, einem Freund in der Nachbarschaft. Der junge Anwalt ist ebenfalls geflüchtet. Und dolmetscht für Saif, der viele Dinge besser über seine Bilder ausdrückt als über die Sprache. „Aber wir hatten nie ein Verständigungsproblem“, sagt Edeltraud Kluft.

„Er ist uns so ans Herz gewachsen“

Nicht beim gemeinsamen Kochen, nicht beim wechselseitigen Kochen. Auch Edeltraud Kluft und ihr Mann Rüdiger wohnen in Merklinde. „Er ist uns so ans Herz gewachsen, wir werden ihn vermissen“, sagt die 62-Jährige. Natürlich ist man zu den Ausstellungen gegangen. „In der Agora, wo Saif mit anderen Geflüchteten ausstellte, in der Sparkasse am Markt, bei der Ausländergesellschaft in Dortmund – vermittelt über den Ickerner Marc Frese. Beim Habinghorster Verein Basis hat Saif Malkurse gegeben. „Aber er hat auch Fleisch sortiert“, wie Edeltraud Kluft lächelnd erzählt, nämlich als der 37-Jährige in einem Supermarkt gejobbt hat, um sich ein bisschen Geld zu verdienen. Nein, die Operation der Mutter, sie soll nicht lebensbedrohlich ein. „Aber bei uns sind die Krankenhäuser nicht so gut wie hier“, sagt Saif. Die Mutter (63) hat schon einen Herzkatheter. Jetzt geht es um mehrere Stents, die gesetzt werden sollen. Vielleicht, meint Saif, müsste er mit der Mutter in ein Krankenhaus nach Jordanien ausweichen. Auf jeden Fall die Operation selbst bezahlen. De Medikamente ohnehin.

Angst ist bei Saif da

„Ich will zurück, obwohl ich Angst habe“, sagt Saif. Vor dem, was auf ihn zukommt. Vor der Zukunft. Hat er Schwierigkeiten zu erwarten? Saif zuckt mit den Schultern. Daheim war er bis zu seiner Flucht per Flieger als Sekretär in einer Firma beschäftigt. Studiert hat er auch. Kunst. Fünf Jahre lang. Aber davon leben hätte er im Irak wie auch hier nicht können. Dass er überhaupt so malen kann, grenzt für jemanden, der über zwei sehende Augen verfügt, an ein kleines Wunder. Denn Saif ist auf einem Auge blind. Im Krieg, erzählt er, sei ihm ein Granatsplitter in sein linkes Auge gedrungen. Mehr dazu sagt er nicht. In den ersten sechs Monaten nach seiner Ankunft bei uns hat er Pinsel und Farben nicht angerührt. Das Malen mit Frauke Otto und anderen Geflüchteten in der Agora hat ihm wohl neuen Lebensmut gegeben. Die Motive seiner Bilder sind höchst unterschiedlich. Ein paar enthalten eindeutig Symbole, die für Flucht stehen, für Hilflosigkeit, für Menschen in Not. Andere verströmen mit knalligen Farben viel Fröhlichkeit.

Vor einem Jahr als Asylbewerber abgelehnt

Saif hat für seinen Besuch Tee gekocht und Kuchen zubereitet. So hält er es immer, wenn Freunde zu Gast bei ihm sind. Wenn er Bilder übrig behalten sollte aus seinem Bestand, dann möchte er sie gerne spenden. An das im Aufbau befindliche Kinderhospiz von Elisabeth Grümer, das an der Stadtgrenze in Bövinghausen entstehen soll. „Ich möchte mich einfach ganz herzlich bedanken, bei allen Leuten, die mir in Castrop-Rauxel geholfen haben“, sagt er. Geplant, war eigentlich etwas anderes. Dass Saif seine Mutter nachholt, wenn er seinen Aufenthaltsstatus in Deutschland hat. Hat er aber bis heute nicht. Sondern ist vor einem Jahr als Asylbewerber abgelehnt worden. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden. Wie hat er eigentlich in den vergangenen drei Jahren den Kontakt zur Mutter gehalten? „Täglich telefoniert“, kommt die prompte Antwort. Sein Vater kann der Mutter nicht mehr helfen. Er ist tot. Der Krieg habe ihn psychisch zu Grunde gerichtet, sagt Saif.

Kontakt: Mail: Edeltraud.Kluft@gmx.de
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