
© Lappenschmiede
Fahrlehrer sauer über schwarze Schafe im Lockdown: Kontrollen gibt’s kaum
Corona-Pandemie
Seit dem Lockdown dürfen nur noch fortgeschrittene Fahrschüler hinters Steuer. Doch die Kontrolle, ob sich die Fahrschulen daran halten, sei unzureichend, meint ein Lehrer aus Castrop-Rauxel.
Ist der Sitz richtig eingestellt? Die Spiegel? Auch die außen? Ja, na dann müssen wir jetzt trotzdem ein bisschen warten, deine Brille ist von der Maske ja ganz beschlagen.“ Fahrlehrer Karsten Stuckmann gibt gerade eine von wenigen Fahrstunden, die noch erlaubt sind.
Seit dem Lockdown darf er nur noch weit fortgeschrittene Schüler hinterm Steuer ausbilden oder solche, die den Führerschein aus beruflichen Gründen brauchen. „Im Klartext muss man bereits 15 Fahrstunden hinter sich haben, um weiter an seinem Führerschein arbeiten zu können“, erklärt Stuckmann. „Die Sonderfahrten nicht mitgerechnet.“
Fahrstunden nur noch als Gefallen
In der Praxis könne er gerade mal mit einer Handvoll Schülern seiner „Lappenschmiede“ Fahrstunden abhalten. Logisch, dass sich das für den Castroper-Rauxeler wirtschaftlich kaum lohnt. „Eigentlich setze ich mich mit meinen Schülern nur noch als Gefallen ihnen gegenüber in den Wagen – und aus Verantwortung“, erklärt der Fahrlehrer. Denn bei einigen Schülern hinge nun mal die berufliche Existenz daran.
Kunden haben viel Redebedarf
Den Ärger mancher Fahrschüler könne er gut verstehen. „Ich verbringe viel Zeit am Telefon und versuche zu erklären und zu beruhigen. Aber im Endeffekt kann ich an der Situation ja auch nichts ändern. Ich habe die Verordnung schließlich nicht aufgestellt. Und hier geht es immer noch um den Schutz von Menschenleben“, meint er.
Für einen ganz anderen Typ Kunden hat der Castrop-Rauxeler hingegen überhaupt kein Verständnis: „Permanent gehen auch Anrufe von Eltern ein, die fragen, wieso die beste Freundin und nicht ihr Kind fahren dürfen. Da hilft meistens auch kein Argumentieren und Erklären, denen geht es einfach nur um ihr eigene Situation. Das ist für mich purer Egoismus.“ Im schlimmsten Fall wird dann auch mal gedroht, die Fahrschule zu wechseln, wenn das Kind nicht bald fahren darf.
Fehlende Kontrolle bei den Fahrschulen
Karsten Stuckmann sieht das dann immer ganz gelassen: „Bei einem seriösen Kollegen dürfte das Kind dann auch nicht hinters Steuer. Die Verordnung betrifft ja nicht nur mich.“ Doch schließt er nicht aus, dass es auch Fahrschulen geben könnte, die auch Schüler hinters Steuer lassen, die vor dem Lockdown weniger als Stunden absolviert hatten.
Zumal es auch keine Kontrolle darüber gebe. „Eine Überprüfung ist praktisch nicht existent. Zwar müssen die Fahrschulen im Rahmen ihrer Aufzeichnungspflicht gegenüber dem Straßenverkehrsamt ihre abgehaltenen Fahrstunden aufzeichnen“, erklärt Stuckmann.
Bis das dann aber wirklich kontrolliert werde, gehe einige Zeit ins Land. Jedenfalls genug, damit „schwarze Schafe“ unter den Fahrschulen ihre Aufzeichnungen frisieren könnten.
Problematisch für die ganz Branche
Friedel Thiele, 1. Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbands Westfalen erklärt das Problem so: „Eigentlich ist für die Kontrolle der Fahrschulen das Straßenverkehrsamt zuständig, nur hat das nichts mit der Durchsetzung der Corona-Schutzverordnung zu tun. Dafür sind die lokalen Ordnungsdienste verantwortlich.“ Nur seien die wiederum nicht dazu befugt, Fahrschulen zu kontrollieren.
Faktisch würde die Einhaltung der Coronaschutz-Verordnung in Fahrschulautos nicht überprüft, sagt Thiele. Ein Umstand, den er als „zutiefst alarmierend“ empfindet: „Da herrscht reinstes Behörden-Chaos und das ist äußerst schädlich für unsere Branche. Wenn schwarzen Schafen nicht auf die Finger geschaut wird, haben wir bald ein System, in dem die, die sich an die Regeln halten, nur Verluste machen. Das kann niemand im Sinn haben.“
TÜV soll kaum Prüfungstermine vergeben
Ähnlich sieht es Karsten Stuckmann: „Wer sich an die Regeln hält, der ist wirtschaftlich der Angeschmierte. Dabei geht es doch eigentlich um Menschenleben.“ Und für diejenigen, die legal Fahrstunden nehmen dürften, gebe es ein anders Problem: „Aufgrund der Situation gibt es kaum Prüfungstermine“, erzählt Stuckmann. Für den TÜV lohne sich der Aufwand einfach nicht, für zwei, drei Prüflinge einen Prüfer rauszuschicken.
Eine Aussage, die Erhard Netta, Bezirksvertreter des Fahrlehrer-Verbandes für den Kreis Recklinghausen so nicht bestätigt: „Mir sind eigentlich keine größeren Probleme bei den Prüfungsterminen bekannt.“ Zwar sei es Anfang des Jahres zu einigen Verzögerungen gekommen. „Da musste ja aber auch der TÜV erst wieder richtig hochfahren“, meint Netter
Fahrprüfung anders als vorher
Rainer Camen, Pressesprecher des TÜV Nord, erklärt, es gebe durchaus nicht mehr so häufig Prüfungstermine wie vor Beginn der Pandemie. Das liege aber auch daran, dass weniger Anmeldungen eingingen. Mittlerweile sei man aber wieder auf einem guten Niveau.
Doch habe sich innerhalb der Prüfung etwas geändert, erklärt Nette. Um alle Prüfungen im Kreis Recklinghausen abzunehmen, fährt der Prüfer eine Strecke durchs Kreisgebiet ab, ein Prüfling bringt ihn quasi zum nächsten. Alle Prüfungen finden in dem gleichen Wagen statt, der nach jeder gründlich desinfiziert und gereinigt wird, dann gehe es weiter.
Nach jeder Fahrstunde erst einmal desinfizieren
Desinfizieren muss auch Karsten Stuckmann Lenkrad und Innenraum seines Fahrschulautos - nach jeder Fahrstunde. Erst danach darf sich der nächste Fahrschüler hinters Steuer klemmen.
„Das braucht jetzt sicher eine halbe Stunde, bis ich damit fertig bin und wieder losfahren kann“, meint der Castrop-Rauxeler. „Die Zeiten, in denen ich direkt den nächsten Fahrschüler abgeholt habe, sind erstmal vorbei.“
Geboren in Dorsten, nach kurzem studienbedingten Besuch im Rheinland jetzt wieder in der Region. Hat Literatur- und Theaterwissenschaften studiert, findet aber, dass sich die wirklich interessanten Geschichten auf der Straße und nicht zwischen zwei Buchdeckeln finden lassen.
