Ohne Jhoan Reyes kommt das EvK nicht mehr aus Geld wandert von Castrop-Rauxel auf die Philippinen

Von den Philippinen ans EvK: Jhoan Reyes will ihre Familie unterstützen
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Jhoan Reyes lacht, ein wenig verlegen. So viel Aufmerksamkeit ist die Philippinin nicht gewohnt. Im Gegenteil: Aufmerksamkeit schenkt sie ihren Patienten, die von ihr im Evangelischen Krankenhaus auf der Gerontopsychiatrie behandelt und gepflegt werden. Doch jetzt, bei unserem Gespräch, geht es um sie. Jhoan Reyes (33) ist eine von 15 Philippinen, die aus ihrer Heimat, gut 10.000 Kilometer Luftlinie, nach Castrop-Rauxel gekommen sind. Um hier im Krankenhaus zu arbeiten.

Sie sind nicht die ersten Fachkräfte, die das EvK rekrutiert hat, aber die ersten aus dem südostasiatischem Land. Weitere werden bald folgen. Die 33-Jährige arbeitet seit März 2021 hier. Mehr als zwei Jahre, in denen sie nicht zu Hause war. Den Plan hatte sie gut vorbereitet. Das Ziel: Geld verdienen in der Fremde, um der Familie in der Heimat zu helfen.

In einer kleinen Stadt im Norden der Philippinen hat Jhoan Reyes in einem Krankenhaus gearbeitet, in einem Notfall-Kreissaal, wie sie erzählt. Zuvor hatte sie 2011 ihr Studium beendet und die Lizenz zur Kinderkrankenschwester erhalten. Fünf Jahre später wurde sie Gemeindekrankenschwester, übernahm häusliche Besuche und Krankenpflege.

Sprachkurse in Manila

„Dann habe ich entschieden, ich möchte im Ausland arbeiten“, sagt sie. Sie erfuhr von einer Agentur, die erzählte, in Deutschland würden Krankenschwestern gebraucht. Es ist keine einfache Entscheidung für die junge Krankenschwester. Sie kündigt ihren Vertrag, zieht nach Manila. Dort beginnen die Sprachkurse. Mit ihr lernen 14 weitere Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die ans EvK kommen werden.

Geld verdient sie nicht. „Meine Schwester hat mich unterstützt“, sagt sie. Diese arbeitet in England in einer Firma. Zu Hause sind noch ein Bruder und der Vater. „Auf den Philippinen ist es sehr schwer, mehr Geld zu verdienen“, sagt Jhoan Reyes. Früher seien Philippinen häufig in arabische Länder gegangen, Saudi-Arabien zum Beispiel. „Aber da werden wir nicht so gut behandelt“, sagt sie: „Deutschland hat einen guten Ruf.“

Pflegedirektorin Beate Schlüter und ihre Stellvertreterin Stefanie Eisenberg besuchten die 2020 die Sprachschule in Manila und lernten die Gruppe kennen, die später ans EvK kam.
Pflegedirektorin Beate Schlüter und ihre Stellvertreterin Stefanie Eisenberg besuchten die 2020 die Sprachschule in Manila und lernten die Gruppe kennen, die später ans EvK kam. © EvK

Es ist keine leichte Zeit. 2020 ist die Philippinin mit dem Sprachkurs fertig. Jhoan Reyes lernt zuvor noch ihren künftigen Arbeitgeber kennen. Beate Schlüter, Pflegedirektorin der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, ist Anfang 2020 nach Manila geflogen, um Sprachschule und Bewerberinnen kennenzulernen, erste Kontakte aufzubauen. Doch dann kommt Corona. Nichts geht mehr weiter. Warten. Die Sprachkenntnisse sind schnell wieder verloren.

Examen wird notwendig

Erst ein Jahr später gibt es das Visum, geht der Flug nach Deutschland. „Am Anfang war hier alles schwer“, sagt sie. Sie konnte noch nicht richtig Deutsch sprechen, verstanden hat sie schon mehr. Aber das Fachvokabular macht Probleme.

Es gibt mehr Steine auf dem Weg. Zwar hat Jhoan Reyes einen Bachelor-Abschluss, anerkannt wird er hier aber nicht. Die Bezirksregierung macht strenge Vorgaben. Eine neue Prüfung wird notwendig. „Das ist noch mal wie ein Examen“, ordnet Beate Schlüter ein. Noch mal lernen. Und: Die Philippinin muss erst mal als Pflegehelferin arbeiten.

Beate Schlüter ist Pflegedirektorin der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel.
Beate Schlüter ist Pflegedirektorin der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel. Sie flog selbst nach Manila, um dort künftigen Fachkräfte kennenzulernen. © EvK

Erst ein halbes Jahr später ist Jhoan Reyes auch offiziell Gesundheits- und Krankenpflegerin. Inzwischen arbeitet sie auf Station 16, der Gerontopsychiatrie. Unterstützung kommt von den Kollegen, aber auch von Gül-Nihal Cam. Sie kümmert sich seit einem Jahr als Integrationsmanagerin um Fachkräfte aus dem Ausland.

Körperpflege ist neu

Auch die Arbeit ist für die Asiatin ungewohnt. Körperpflege gehört auf den Philippinen nicht zu den Aufgaben einer Krankenschwester. Das übernehmen dort die Familien selbst. Das kostet erst mal Überwindung. Ungewohnt ist viel mehr. Doch da sind auch die anderen Kolleginnen aus der Heimat. Dass gleich eine ganze Klasse ans EvK geholt wurde, hat neben organisatorischen Erleichterungen auch dieses Ziel gehabt, so Beate Schlüter.

Jhoan Reyes lebt erst im Schwesternhaus, zieht dann mit einer Freundin zusammen. Inzwischen lebt sie allein in einer Wohnung in Castrop-Rauxel. In ihrer Freizeit trifft sie sich mit Freundinnen hier und in Nachbarstädten. Es sind alles Krankenschwestern wie sie. Einen Freund habe sie nicht, erzählt sie mit einem Lächeln, weder hier, noch in der Heimat. Andere Philippininnen, so weiß es Beate Schlüter, lassen viel zurück, die Familie, eigene Kinder – „nur um hier Geld für sie verdienen zu können.“

Was sie alles vermisst? Das versteckt Jhoan Ryes hinter einem Lächeln. Das Essen, sagt sie dann. Deshalb kocht sie sich gerne ihr eigenes Essen. Sie sei gerne zu Hause, schaue gerne Netflix. Das Wetter dagegen gefällt ihr in Castrop-Rauxel besser als in der Heimat, da ist es ihr zu heiß. Sie denkt noch mal kurz über die Frage nach. Dann sagt sie mit einem entschuldigenden Lächeln: „Die Leute zu Hause sind freundlicher und glücklicher als hier.“ Ihre Zukunft allerdings heißt erst mal: Castrop-Rauxel.

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